Kommentar
13:17 Uhr, 25.01.2019

New-Work – Wer mit der neuen Arbeitswelt das Geld verdient

Im Zeitalter der Automatisierung und Digitalisierung erleben wir, dass alles was auch nur theoretisch digitalisiert und automatisiert werden könnte, auch digitalisiert und automatisiert werden wird. Das bezieht sich sogar auf Bereiche, bei denen wir das lange für unmöglich gehalten haben.

So sind in China bereits virtuelle Nachrichtensprecher im Einsatz, die kaum noch von echten Menschen zu unterscheiden sind. Da wurde ein menschlicher Nachrichtensprecher mit all seinen Bewegungen und Sprechgewohnheiten digitalisiert und nun trägt er die ihm übertragenen Texte so vor, dass man ihn von seinem Vorbild aus Fleisch und Blut kaum unterscheiden kann.

So beängstigend das anmutet, wird uns doch klar, dass sich unsere Gesellschaft und somit natürlich auch unsere Arbeitswelt massiv verändern wird. Die Maschinen und Computer werden einen großen Teil der bisher von Menschen verrichteten Arbeiten übernehmen. Wir werden für viele Menschen keine klassischen Jobs mehr haben. Das birgt Chancen wie Risiken.

In der CK*Trends-Ausgabe „Automatisierung“ haben wir das ausführlicher beleuchtet. Aber auch jene Jobs, die erhalten bleiben, werden sich radikal verändern. Die Zeiten der Großraumbüros und intellektuellen Legebatterien sind ein Relikt einer bald vergangenen Zeit. Es waren die Akten, Papiere und Festnetztelefone, die den Mensch an seinen Schreibtisch gezwungen haben. Das Mobiltelefon hat den ersten Befreiungsschlag geliefert, die Digitalisierung der Akten und des Briefverkehrs hat den finalen Durchbruch ermöglicht.

Wo auf Personen wie auf Dokumente ortsunabhängig zugegriffen werden kann, gibt es nur noch wenige Gründe, warum die Belegschaft eines Unternehmens in fixen Ritualen sich jeden Morgen nach beschwerlicher Anfahrt um 8:30 Uhr an einem bestimmten Ort zusammenfinden muss, um dann nebeneinandersitzend jeweils den eigenen Tätigkeiten nachzugehen, um gegen 17:00 Uhr gemeinsam wieder aufzubrechen.

Viele Tätigkeiten können von jedem Ort der Welt ausgeübt werden und die gemeinsamen Absprachen finden dann in effizienten Videokonferenzen per Smartphone statt. Technologien, die in komplizierter und technisch unausgereifter Weise bis vor wenigen Jahren nur großen Konzernen zur Verfügung standen, sind heute für jeden Freelancer mit seinem Smartphone in 4K-Auflösung möglich. Man arbeitet gemeinsam und zeitgleich an den gleichen Dokumenten, schaut sich dabei dennoch in die Augen - und so wurde auch dieser wichtige zwischenmenschliche Aspekt der Mimik digitalisiert.

Meine eigene Firma existiert inzwischen weitgehend digital. Ein Büro haben wir nur noch für gelegentliche Treffen, die sich aber mehr und mehr ausdünnen und digitalisieren. Früher bin ich um 5 Uhr aufgestanden, zwischen 1,5 und 3 Stunden an die Börse nach Frankfurt gefahren, saß dort bis in den Abend in einem fensterlosen Börsensaal mit wenigen dutzend –immer den gleichen Personen – im Austausch über Informationen und Wertpapiere. Die Welt da draußen ging an uns - bis auf ein paar Ticker-Meldungen - vorbei. Heute bin ich selten, und dann meist aus nostalgischen Gründen an der Börse.

Ich arbeite vom Home-Office, aus dem Garten, dem Hotelzimmer oder dem Stuhl am See mit Blick ins Grüne. Dabei bin ich nur einen Tastendruck von meinen Mitarbeitern, Kollegen, externen Partnern und Kunden entfernt. Per Mail, Chat, Videokonferenz oder Telefon kann ich sofort mit jedem in Kontakt treten, wo in der Welt er sich auch gerade aufhält. Genau so arbeiten meine Kollegen.

Flexibel, mobil, autark und mit einer Freiheit für die persönliche Lebensgestaltung wie sie seit Jahrhunderten nie möglich gewesen wäre. Für alle anfänglichen Bedenken gab es eine smarte Lösung. Es bedingt aber auch eine Umkehr von den veralteten Arbeitsphilosophien. Über 150 Jahre war der „Arbeiter“ oder „Angestellte“ der Befehlsempfänger in einer strikten Hierarchie. Die „Mitarbeiterführung“ erfolgte über ein Wechselspiel aus Belohnungen (Gehaltserhöhungen, Beförderungen in der Hierarchie) und Bestrafungen (Abmahnung, Druck).

Das Thema „Motivation“ war lange Zeit eine neumodische Verrücktheit. Moderne Unternehmen haben gelernt vollkommen umzudenken. Sie erkennen den Mitarbeiter als ihr wertvollstes Unternehmensteil. Fußballvereine haben das sehr früh erkannt, dass ihre Spieler ihr Kapital darstellen. Sie werden umhegt und umsorgt mit einem einzigen Ziel: Die Spieler so zu motivieren, dass sie aus Freude, Überzeugung und innerem Antrieb bestmögliche Leistung zur Zufriedenheit des Vereins und sich selbst erbringen können.

Unternehmen, die ihren Mitarbeitern nicht die Daumenschrauben anlegen, sondern sie als Menschen achten und wertschätzen, ihre Bedürfnisse in jeder Hinsicht ernst nehmen und mit dem Unternehmen vereinbaren, werden die zufriedensten, motiviertesten und erfolgreichsten Mitarbeiter - und am Ende die besten Bilanzen haben.

Das bedingt ein Umdenken auf beiden Seiten. Mitarbeiter, die über Jahrzehnte nur Druck und Belohnung kannten, sich in diesem System arrangiert haben und sich ihre Freiräume ermogeln mussten (Krankmeldung etc.), müssen ebenfalls umlernen und die neuen Freiheiten nach einem eventuellen Wechsel zu einem modernen Unternehmen nicht missbrauchen, sondern die Chancen auch für sich zu nutzen. Unternehmen UND Mitarbeiter, die zu diesem neuen Arbeitsmodell nicht bereit sind, werden in der sich schnell verändernden Zeit als erste auf der Strecke bleiben.

Kein modernes Unternehmen – und das sind die, die überleben werden – wird sich Mitarbeiter leisten wollen, die ihre Freiheiten missbrauchen und kein kluger Kopf wird sich weiter von einem schlecht gelaunten Vorgesetzten mit vielleicht geringerer Fachkompetenz herumschubsen lassen, wenn sich andere Optionen bieten. Smarte Firmen und smarte Köpfe werden zusammenfinden und auch künftig eine Arbeitswelt mit einer großen Freiheit und einem sehr befriedigenden ganzheitlichen Lebenskonzept für die Menschen, die diese Firmen bilden, bereitstellen.

Davon profitieren die Mitarbeiter, die Firmen und natürlich jene Firmen, die die benötigten Ressourcen für diese neuen Arbeitswelten bereitstellen. Das sind nicht mehr Büroartikelhersteller und Kopiergeräteproduzenten, sondern Cloud-Anbieter, Telekonferenzsysteme und auch jene Firmen, die weltweit flexible Arbeitsräume anbieten für jene, denen es im Stuhl am Strand zu unbequem ist.

Wir sind es gewohnt auf Reisen ein Hotelzimmer zu beziehen. Es wird zunehmend üblich und genauso selbstverständlich für einen Tag oder ein paar Wochen oder Monate einen Arbeitsplatz anzumieten. Heute in Frankfurt, nächste Woche für ein paar Tage in Sydney und danach in Kalifornien. Die Welt rückt zusammen und wird dabei doch freier und flexibler. Etwas, auf was man sich freuen und auch gerne in mehrfacher Hinsicht davon profitieren darf. Als Unternehmer, Selbständiger oder Mitarbeiter. Ganz sicher aber auch als Investor.

Schauen wir mit Dr. Wenzel in der neuen Ausgabe von Cashkurs-Trends auf die Zukunft der Arbeit und seine Gewinner.

Mit den besten Grüßen aus dem Home-Office

Ihr

Dirk Müller

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6 Kommentare

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  • Solid2016
    Solid2016

    Zu dieser neuen Welt sollte auch eine Investitionskultur gehören, die es der breiten Masse ermöglicht durch Aktienbesitz am unternehmerischen Wohlstand einer Gesellschaft Teil zu haben. Leider sehe ich keine Entwicklung in diese Richtung.

    Da Vorstände von AG´s sich über unverschämt hohe Vergütungen und Staaten sich über ein noch unverschämteres System der Doppelbesteuerung am Erfolg der Aktionäre bereichern wird das bislang leider verhindert. Man hat es sogar geschafft den Kapitalismus so sehr in Verruf zu bringen, dass man noch höhere Besteurung für Aktienbesitz fordert anstatt diesen durch steuerliche Begünstigungen zu fördern.

    18:21 Uhr, 25.01.2019
  • vespa
    vespa

    @Dirk Müller

    Danke für den guten Beitrag! Das ist die Sicht, die die zukunftsorientierten Arbeitgeber haben sollten.
    Mitarbeiter sind das Kapital der Firma. Und in Zeiten in denen sich gut ausgebildete Leute die Jobs aussuchen können, werden diese Firmen es auf die harte Tour lernen. Die Leute gehen dann einfach oder kommen erst gar nicht.

    15:20 Uhr, 25.01.2019
  • Super-Hobel
    Super-Hobel

    Komisch, ich arbeite in einem Konzern und Marktführer und irgendwie scheint das an uns vorbei zu gehen, auch in den modernsten Gebäuden. 40h Tag und jeden Tag zur Arbeit. Mobile Jobs wurde abgelehnt, damit wurde zu viele Schindluder getrieben. Bleibt also ein Traum...

    15:20 Uhr, 25.01.2019
    1 Antwort anzeigen
  • vespa
    vespa

    Ich glaube das das Burnout-Risiko auch in großem Stil bei den einzelnen Beteiligten selbst liegt. Bin selbst haarscharf am Burnout vorbei gerauscht und habe meinen Job mit 6-stelligem Jahresgehalt dann hingeworfen. Arbeite jetzt für weniger als die Hälfte und das viel im Home-Office oder im von mir gemieteten Büro.
    Habe mehr Zeit für die Familie und meine Freizeit und schreibe dennoch manchmal Abends gegen 22:00Uhr noch Emails oder mache ein paar Dinge fertig, die ich unter Tags nicht geschafft habe.
    Aber das ist OK für mich. Und ich persönlich empfinde diese Verschmelzung von Arbeit und Freizeit bis zu einem gewissen Grad als in Ordnung.

    Morgens um 8:30Uhr kommen und um 17:00Uhr den Stift fallen lassen ist nicht meins. Das ist mir zu starr.

    Dennoch muss auch ich ganz klar selbst entscheiden ob ich um 20:00Uhr noch ans Telefon gehe wenn mein Chef anruft. Dann gilt es einfach abzuwägen ob das jetzt sein MUSS oder nicht. Und ganz oft passiert nichts, wenn man da nicht mehr erreichbar ist. Das muss sich aber jeder auch selbst vornehmen und dann auch durchziehen. Leider knicken da viele Leute ein und arbeiten dann nur noch oder sind die ganze Zeit erreichbar. Das belastet viele und viele brennen dabei aus.

    Wenn man sich die Frage stellt: Was passiert wenn ich da jetzt NICHT ran gehe. Und man nicht zu dem Punkt, dass offensichtlich klar ist, dass es dann Stress gibt.... Dann geht einfach nicht ans Telefon! Euer Chef ist doch auch nicht 24/7 für euch erreichbar.

    15:18 Uhr, 25.01.2019
  • Frankey
    Frankey

    Bezüglich der Flexibilität mittels Home-Office alles richtig, was Sie schreiben.

    Doch ich würde zu den allgemeinen Veränderungsprozessen anmerken wollen, dass die Sache mit der Verschmelzung von Beruf und Privat auch so ihre Tücken haben kann.

    Z.B. eben weil dadurch auch immer öfter eine gewisse Erreichbarkeit "erwartet" wird und viele nicht mehr richtig von der Arbeit abschalten, sondern immer wieder stundenweise überall Dinge für die Arbeit tun, haben viele Leute das Gefühl, nicht mehr richtig abschalten zu können (=> Schlagwort Burnoutrisiko).

    Ob das nur ein temporärer Einschwingvorgang und eine Gewöhnungssache für uns Menschen sein wird oder dies mittel bis langfristig zu gesundheitlichen bzw. psychischen Problemen führen kann, vermag ich nicht beurteilen zu können.

    Jedenfalls sollten die Unternehmen auch diese Auswirkungen der Home-Office-Vorteile im Blick behalten, denn immer mehr psychisch Kranke kann ja nicht im Interesse der Unternehmer sein.

    Obwohl... dank Automatisierung und KI brauchen wir ja bald nicht mehr arbeiten. Dann hat sich das potentielle Burnout-Problem ja auch von selbst gelöst... ;-)

    13:50 Uhr, 25.01.2019

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Über den Experten

Dirk Müller
Dirk Müller
Börsen-Experte und Sachbuchautor

Dirk Müller ist Finanzexperte, mehrfacher Spiegel-Bestseller Autor, Politikberater, Vortragsredner, Gründer des Finanzinformationsdienstleisters Finanzethos GmbH mit dem Markenkern „Cashkurs.com“– und gilt als „Dolmetscher zwischen den Finanzmärkten und den Menschen außerhalb der Börse“. Sein Weg an der Börse begann 1992, wo er als amtlich vereidigter Kursmakler tätig war. Heute zählt er zu den bekanntesten Börsenexperten Deutschlands, woher auch sein von den Medien vergebener Spitzname „Mr. DAX“ rührt. Er ist Senator der Wirtschaft Deutschland und berät in unterschiedlichen Gremien in nationalen und internationalen politischen Angelegenheiten.

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