Kommentar
12:30 Uhr, 29.07.2010

Neuer Scope-Geschäftsklima-Index jetzt auch für Zertifikate

Jeden Monat wartet die Finanzwelt von neuem gespannt auf die aktuellen Einschätzungen der Marktteilnehmer für den Konsum- und Geschäftsbereich. Die Kürzel ZEW GFK oder Ifo, die für die untersuchenden Unternehmen stehen, sind dabei längst zum Allgemeinplatz für die von diesen berechneten Indizes geworden. Seit kurzem gibt es nun auch einen Geschäftsklimaindex für den Zertifikatemarkt, der auf einer umfassenden halbjährlichen Befragung von Emittenten und den in der Branche tätigen Beratern und Vertrieblern durch die Ratingagentur Scope beruht. Dabei wird auf der Anbieterseite eine Marktabdeckung von ungefähr 60 Prozent erreicht. Der Startschuss für das neue Barometer, das die schon mehrfach durchgeführte ebenfalls halbjährliche Marktstudie künftig ergänzen wird, fiel am 30. Juni 2010 bei einem Indexstand von 164 von 200 möglichen Punkten. Die Methodik des neuen „Scope" sieht vor, dass aus den positiven wie negativen Antworten zur aktuellen Geschäftslage der Befragten und deren Aussichten ein Mittelwert bezogen auf die Basis von 100 gebildet wird.

Bereits bei der Ermittlung der aktuellen Markttrends im Rahmen der Geschäftsklimaerhebung zeigten sich einige Unterschiede zwischen den Einschätzungen von Produktanbietern und Beratern. So fallen die Befragungsergebnisse bei den Zertifikate-Konstrukteuren immer einen deutlichen Tick optimistischer aus als dies auf der Absatzseite der Fall ist, was durchaus auch in der Natur der Sache liegen dürfte. Beispielsweise beurteilten von den Emittenten 85 Prozent die Geschäftsentwicklung des ersten Halbjahrs 2010 als gut bzw. sehr gut, während nur 72 Prozent der Berater ihre Lage ebenso zuversichtlich einschätzten. Auch für die zweite Hälfte des Jahres kennt der Optimismus der Produktentwickler mit einem Wert von sogar 92 Prozent bei der Selbsteinschätzung keine Grenzen. Dagegen erwartet man im Lager der Vermittler kaum eine weitere Verbesserung des eigenen Geschäfts.

Was die allgemeine Marktlage anbetrifft, setzt sich die „Euphorie" der Emissionshäuser gerade in Bezug auf das zweite Halbjahr weiter fort, was die nahezu Verdopplung der Einstufung „gut" von 33 auf stolze 60 Prozent unterstreicht. Auch hier zeigen sich die Berater deutlich konservativer und gehen eher von einer Verschiebung von einer guten zu einer nur noch befriedigenden Situation aus. Dass beide Befragungsgruppen die eigene Geschäftslage immer etwas rosiger betrachten als die Gesamtmarktentwicklung ist zwar ein weiterer aber aus menschlicher Sicht durchaus nachvollziehbarer Trend und sollte deshalb auch nicht überbewertet werden.

Dass viele Marktteilnehmer Zeitpunktprognosen wie z.B. den DAX-Stand zum Jahresende scheuen, ist nur allzu verständlich, kann man sich damit doch eigentlich nur selber blamieren. In Bezug auf das ausstehende Zertifikatevolumen (Open Interest) Ende 2010 gaben die Emittenten gegenüber Scope Analysis einen Wert von 119 Mrd. Euro an, während sich die Produktverwerter mit nur 107 Mrd. Euro wiederum etwas „knausriger" zeigten. Zum Vergleich betrug der tatsächliche Wert in den ersten Monaten des Jahres bereits rund 106 Mrd. Euro.

Eine immer wieder gern gestellte Frage bezieht sich auf die Trends bei den einzelnen Zertifikate-Kategorien. Dass Produktions- und Verkaufsseite deutlich unterschiedlich „ticken", beweist wieder einmal besonders die Einschätzung zu den Kapitalschutz-Produkten, bei denen die erhobenen Werte für eine stärkere Aktivität bei der Emission bzw. bei der Nachfrage im zweiten Halbjahr deutlich auseinanderdriften. Denn während die Emittenten vor dem Hintergrund einer niedrigzinsbedingt ungünstigen Auflagesituation nur in 13 Prozent der Fälle von einer Erhöhung des Emissionsvolumens in diesem Segment ausgehen, sehen gleichzeitig 64 Prozent der Berater einen weiteren Bedarf auf die Branche zurollen. Ähnlich extrem verhält es sich mit einer Diskrepanz zwischen 13 und 44 Prozent bei der Kategorie Zinsprodukte. Alles Ergebnisse, die so gar nicht zusammenpassen und den Produktentwicklern zu denken geben sollten. Damit dürfte der Kapitalerhalt im Gefühl der Anleger noch immer einen deutlich höheren Stellenwert als die Maximierung der Renditechancen einnehmen.

Kaum Unterschiede gibt es dagegen bei Express-Zertifikaten und Aktienanleihen, bei denen in den kommenden Monaten ein erhöhtes Angebot auf eine ebensolche Nachfrage treffen dürfte. Ein klares Indiz dafür, dass es sich hier eindeutig um die kommenden Trendsetter handeln dürfte, wobei gerade die wegen ihrer sicheren Kuponzahlung begehrten Aktienanleihen von den Beratern mit einem Plus von 52 Prozent gegenüber 47 Prozent bei den Anbietern präferiert werden. Während bei Bonus- und Discount-Zertifikaten mit einer um 27 Prozent höheren Emissionstätigkeit gerechnet wird, hat Scope Analysis einen Nachfrageanstieg von 44 bzw. 40 Prozent ermittelt. Eine Diskrepanz, die von der Ratingagentur in den beiden „Dauerbrenner"-Kategorien mit der Wahrnehmung eines auch jetzt schon sehr hohen Angebots abgetan wird. Zwei weitere Produkttypen, bei denen die Berater immerhin von 20 bzw. 16 Prozent Nachfragezuwachs ausgehen, sind einfache Partizipations-Produkte, sowie Outperformer, mit denen in den vergangenen Monaten jedoch wenig Geld zu verdienen war, die aber im Falle eines sich herauskristallisierenden Aufwärtstrends zunehmend beliebter werden könnten. Allerdings verfügen beide in der klassischen Variante über keine zusätzliche Teilschutz-Komponente. Vielleicht auch ein Grund, warum Anbieter hier auch nur ein Potential von jeweils sieben Prozent erkennen können.

Auch auf die Frage, welche Kriterien den Absatzerfolg eines Zertifikats bestimmen, waren Emittenten und Berater unterschiedlicher Meinung. So stellte man „an der Front" eher auf das Produktverständnis und das Bonitätsrisiko ab, während Anbieter das Chance-Risiko-Profil als wesentlichstes Kaufargument einschätzten. Wiederum ein Hinweis auf den Unterschied zwischen Theorie und häufig durchaus leidvoll erfahrener Börsen-Praxis.

Dass die umfangreichen Transparenzoffensiven der Branche zum Großteil verpufften und nur von 20 Prozent der Befragten als echte Hilfe erkannt wurden, überrascht kaum und unterstreicht wieder einmal die These, dass sich insbesondere in diesem sehr individuellen Anlagebereich „das Pferd immer nur zur Tränke führen lässt …" und die ist mittlerweile mehr als reichlich mit besten Wasser gefüllt. Da helfen die überzeugendsten Produktflyer oder noch so viele standardisierte Informationsblätter ohne zusätzlichen Mehrwert wenig.

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/zertifikate

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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