Kommentar
12:07 Uhr, 07.05.2019

"Neuer Goldstandard" seit 29.3.2019?

Schon seit Jahren sind die "alternativen" Medien voll mit teils wirren Behauptungen bzgl. der künftigen Rolle von Gold im Bankensystem. Was steckt dahinter? Hat sich Ende März etwas Entscheidendes geändert?

***Update: Offizielle Statements der BIZ

„Die Behandlung von Gold hat sich in der globalen Eigenkapitalregelung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht nicht geändert, und es besteht derzeit keine Absicht, diese Behandlung zu ändern“, sagte William Coen, Generalsekretär des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht.

Nähere Informationen können Sie den folgenden Angaben und Publikationen entnehmen.

Hintergrundinformationen zur Behandlung von Gold in den Rahmenregelungen von Basel III und Quellenangaben:

  • Die Goldbestände einer Bank werden als Aktiva in ihrer Bilanz behandelt und dürfen nicht als regulatorisches Eigenkapital angerechnet werden. Siehe Absatz 96 des Abschnitts über den Standardansatz für das Kreditrisiko (Standardised Approach for credit risk). Zudem ist in Kapitel 20.35 der konsolidierten Rahmenregelung des Basler Ausschusses festgehalten, wie der Standardansatz für das Kreditrisiko auf einzelne Forderungen angewandt wird.
  • Die Eigenkapitalquote einer Bank wird berechnet, indem ihr Eigenkapital („regulatorisches Eigenkapital“ – der Zähler) durch ihre Aktiva („die risikogewichteten Aktiva“ – den Nenner) geteilt wird. Siehe Seite 3 der Zusammenfassung Finalising Basel III – In Brief. Die Bezeichnungen Kernkapital (Tier 1) und Ergänzungskapital (Tier 2) beziehen sich nur auf das regulatorische Eigenkapital. Einzelheiten dazu finden sich im Abschnitt über die Definition des Eigenkapitals in der Rahmenvereinbarung von Basel III oder in Kapitel 10 der konsolidierten Rahmenregelung zur Eigenkapitaldefinition.
  • Im Zusammenhang mit dem Marktrisiko ist Gold nicht wie eine Rohstoffposition, sondern wie eine Devisenposition zu behandeln, da es eine ähnliche Volatilität wie Fremdwährungen aufweist und die Banken es ähnlich wie Fremdwährungen verwalten. [Siehe Kapitel 20.52 der konsolidierten Rahmenregelung zur Berechnung der risikogewichteten Aktiva für das Marktrisiko.]

Den vorläufigen Höhepunkt setzte die italienische "ilsole24ore" mit diesem Artikel. Es läuft also angeblich eine Geheimoperation der BIZ und der Zentralbanken, die unbemerkt eine Art neuen Goldstandard etablieren.

Wenn Sie "Gold" in Verbindung mit "Basel" , "BIZ" und anderen Schlagworten googlen, finden Sie eine große Auswahl an teilweise völlig abstrusen Beiträgen. Die Autoren können oft Aktiva von Passiva nicht unterscheiden.

Demnach würde heimlich im Hintergrund eine wahre Gold-/Geldrevolution ablaufen, natürlich entweder unbemerkt oder absichtlich verschleiert vom Mainstream. Denn Spiegel, Handelsblatt und Co haben komischerweise nicht darüber berichtet...

Ich habe mich erstmals im Herbst 2018 damit beschäftigt, mir kam alles was ich dazu gelesen habe sehr merkwürdig vor. Also habe ich das getan, was ein Journalist tut (und das ist nicht einfach ein paar Youtube-Videos anschauen und dann gleich einen Artikel schreiben, ohne selber etwas zu überprüfen).

Nun ist das Thema Bankenregulierung wirklich nicht gerade der Stoff, den man sich nachmittags auf der Couch antut. Selbst professionelle Wirtschafts-Journalisten werden bei der komplexen Materie an ihre Grenzen stoßen. Ich muss gestehen, dass es mir da auch nicht anders geht.

Was liegt also näher, als ein wenig zu recherchieren und bei denen nachzufragen, die das Thema tagtäglich bearbeiten: bei der BIZ (Bank für internationalen Zahlungsausgleich) selbst.

Folgende Fragen stellte ich:


"Wir würden gerne für unsere Finanz-Portale einen erhellenden, aber einfachen Artikel über den Themenkomplex Gold / Bankenregulierung schreiben.

Zuletzt hatte die italienische „Ilsole24ore“ einen eher verwirrenden Beitrag dazu veröffentlicht: https://www.ilsole24ore.com/art/finanza-e-mercati/2019-02-24/banche-ritorno-gold-standard-l-oro-bilanci-diventa-moneta-091055.shtml?uuid=ABCGxiXB&refresh_ce=1

Das Internet ist voll mit konfusen Beiträgen von obskuren Blogs, die von einer Rückkehr des Goldstandards fabulieren und dabei diverseste Begrifflichkeiten durcheinanderbringen.

Fundierte, sachliche Berichte, was denn nun wirklich durch Basel III in Bezug auf Gold passiert, waren nicht zu finden.

Können Sie uns dazu Informationen zukommen lassen?

Was genau ändert sich für Banken regulatorisch in Bezug auf Gold und insbesondere physisches Gold?

Speziell diese zwei Fragen (aber natürlich nicht nur!) sind dabei von Interesse:

  • Wie verhält es sich künftig mit der Pflicht zur EK-Unterlegung bei Investitionen in physisches Gold? Hier ist des öfteren zu lesen, diese würde komplett wegfallen, was ich mir absolut nicht vorstellen kann.
  • Wie ist die Rolle von physischem Gold bei der Erfüllung der Liquiditätsvorschriften?

Wir wären Ihnen für eine Antwort sehr dankbar und freuen uns, dann öffentlich zur Aufklärung mit beitragen zu können."


Folgende Antwort erhielt ich: (Fettungen sind von mir)


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Aha, interessant. Es gibt zwar eine Risikogewichtung von 0 %, aber das Marktrisiko muss analog zu Fremdwährungen abgesichert werden. Viel wichtiger aber: Gold spielt demnach keine Rolle bei der Erfüllung von Liquiditätsverpflichtungen der Banken, und es gibt einen RSF-Faktor von nun 85 %.

Deswegen hakte ich gleich nach. Ich wollte wissen, ob es angesichts dieser Situation nicht absurd ist anzunehmen, dass die Banken nun wie wild Gold kaufen würden.


"Am I right that there is no real reason to assume that banks would now have an incentive to buy more gold than before?

Even if gold now carries a risk weight of 0 %, if it has no role In fulfilling liquidity requirements, what is the point for the banks buying gold in huge quantities now?

Especially since the rsf factor has risen to 85 % (I think it was 50 % before)."


Die Antwort kam prompt. Und es wurde gleich aufgeklärt, dass der 29. März überhaupt kein relevantes Datum ist.


***********


Was hat sich also groß getan?

Nicht viel. Es ist nicht anzunehmen, dass Banken nun verstärkt Gold kaufen werden. Das Meiste was man dazu lesen kann/konnte ist einfach falsch. Entweder sind es absichtliche FakeNews oder aber die Autoren haben nicht verstanden, um was es wirklich geht.

Das bedeutet nicht, dass Gold nicht aussichtsreich ist. Aber als Argument für steigende Goldpreise taugt Basel III nicht.

P.S.: Glauben Sie nicht alles, was Sie lesen! Und damit meine ich nicht primär den Mainstream, sondern ganz im Gegenteil diejenigen, die am lautesten "Lügenpresse" schreien. Die schreiben nämlich meistens den größten Unsinn.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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