Kommentar
06:09 Uhr, 22.02.2016

Negative Zinsen in den USA bis Ende des Jahres?

Die Finanzmärkte konnten sich in den vergangenen anderthalb Wochen etwas beruhigen. Das kann natürlich nur die Ruhe vor dem eigentlichen Sturm sein. In diesem Fall sind bis Jahresende neue Negativrekorde bei den Zinsen zu sehen.

US-Notenbanker dürften zuletzt nicht besonders gut geschlafen haben. Kaum ist die erste Zinserhöhung nach zweijähriger Vorbereitung durch, beginnen die Märkte schon unkontrolliert zu fallen. Als Notenbanker fragt man sich da sicherlich, ob die Zinsanhebung nicht doch ein Fehler war. Man überlegt sich auch, ob man den eingeschlagenen Weg verlassen sollte und was das wiederum für Konsequenzen hat.

Der Chef der Notenbank St. Louis äußerte sich diese Woche relativ klar zu Wort. Obwohl James Bullard eigentlich ein Befürworter von Zinserhöhungen ist hält er den aktuellen Kurs für unvernünftig. Kaum war diese Meldung draußen äußerte sich der Chef der Notenbank von San Francisco. Er hält den eingeschlagenen Weg für richtig und möchte ihn fortsetzen. Zerstrittenheit unter den Notenbankern dürfte am Markt nicht gut ankommen.

Die US Notenbank ist die erste unter den großen Zentralbanken, die die Zinsen wieder angehoben hat und eine Normalisierung wagt. Die Zinsen sind mit 0,25-0,5 % nun aber nicht gerade am oberen Ende der Bandbreite angelangt, die als normal bezeichnet wird. Das Zinsniveau ist nach wie vor historisch niedrig. Kühlt die Wirtschaft nun ab, wie es viele befürchten, dann reicht eine Zinssenkung um 0,25 % kaum aus, um die Konjunktur zu beleben.

Die Notenbank hat grundsätzlich zwei Mittel, um gegen einen Abschwung vorzugehen. Sie kann entweder ihr Staatsanleihenkaufprogramm wiederbeleben oder die Zinsen ins Negative senken. Andere Notenbanken haben vorgemacht wie das geht und die US-Notenbank evaluiert diese Option intensiv.

Fed Chefin Yellen sagte bei ihrer Kongressanhörung in der vergangenen Woche, dass die Notenbank gerade die rechtliche Lage prüfe. Es scheint jedoch keine Hinweise zu geben, dass aus rechtlicher Sicht negative Zinsen nicht umsetzbar wären. Bei solchen Aussagen wird man hellhörig, insbesondere, weil die Notenbank auch kürzlich die Szenarien ihres Bankenstresstests bekannt gab.

Der Stresstest 2016 sieht unter anderem ein Szenario vor, in dem Banken mit negativen Zinsen konfrontiert sind. Die Fed testet also, ob Banken mit einer solchen Situation umgehen können. Es kann festgestellt werden, wie Banken ein solches Szenario beurteilen, wie sie darauf reagieren und wie sich die Kapitalausstattung entwickeln wird. Das ist von der Notenbank geschickt gemacht, denn in anderen Währungsräumen kamen negative Zinsen ohne das System genau auf die Verträglichkeit getestet zu haben.

Eine Zinssenkung ist noch nicht unausweichlich. Persönlich denke ich, dass die Wahrscheinlichkeit für negative Zinsen in den USA bis Jahresende sehr gering ist. Nichtsdestotrotz muss sich die Notenbank mit der unangenehmen Tatsache auseinandersetzen, dass sich die Bedingungen auf dem Kreditmarkt deutlich verschärft haben. Ohne die Zinsen merklich angehoben zu haben, ist Kredit teurer geworden. Grafik 1 zeigt den Spread (Zinsdifferenz) von BAA Anleihen (eine Stufe vor Ramschniveau) und US-Staatsanleihen.

Der Spread gibt Aufschluss darüber wie einfach es für Unternehmen ist an Kredit zu kommen. Die Spreads sind heute so hoch wie zuletzt 2009. Es ist also ziemlich viel Stress im System und Unternehmen müssen deutlich mehr für Schulden zahlen. Kurzfristig muss das keine große Bedeutung haben. Auch 2011 und 1997/98 (Asienkrise) kam es zu einem schnellen Anstieg der Spreads ohne die Wirtschaft in eine Krise zu stürzen.

Wenn sich die Bedingungen auf dem Kreditmarkt langfristig eintrüben, dann hat das Konsequenzen für die Realwirtschaft. Noch deutlicher als bei den BAA Anleihen wird es im High Yield (Ramsch) Bereich. Grafik 2 zeigt einen Anleihenfonds dieses Segments. Auch hier zeigt sich deutlich eine Verschärfung der Lage. Unternehmen müssen für neue Schulden, die sie in Form von Anleihen aufnehmen, bis zu 20 % zahlen.
Die meisten Unternehmen können es sich schlichtweg nicht leisten mehr als 10 % oder 15 % für ihre Schulden zu zahlen. Sie hören auf zu investieren und sich zu refinanzieren, weil sie es einfach nicht mehr können. Es ist dann lediglich eine Frage der Zeit bis sich Insolvenzen häufen und Arbeitsplätze verloren gehen.

Die US Notenbank muss, so sich der Zustand nicht verbessert, etwas tun. Obwohl der Leitzins nach wie vor niedrig ist kommt davon wenig bei Unternehmen an. Sie zahlen rekordhohe Zinsen. Die Notenbank kann das nur sehr indirekt beeinflussen, denn die Zinsen, die Unternehmen zahlen müssen, werden vom Markt bestimmt und nicht von der Notenbank. Es würde auch wenig nützen, wenn der Leitzins auf 0 % oder -0,2 % sinkt. Es kann einen psychologischen Effekt haben und die Lage entspannen, doch eine Umkehr ist kaum zu erwarten.

Muss die Notenbank wirklich handeln, dann wird es vermutlich eine Kombination aus 2 Maßnahmen werden: eine Zinssenkung und ein Anleihenkaufprogramm. Die Zinsen bleiben dabei noch im positiven Bereich. Im Gegensatz zu den zurückliegenden QE Programmen wird die Notenbank nicht beginnen Staatsanleihen zu kaufen, sondern Unternehmensanleihen, um die Zinssätze für Unternehmen direkt zu beeinflussen.

Meiner Meinung nach wird die US-Notenbank negative Zinsen so lange vermeiden wie es nur irgend geht. Bevor sie dieses Experiment wagt werden Anleihen gekauft. Aktuell gehe ich davon aus, dass das in diesem Jahr nicht notwendig sein wird.

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  • Kahroba
    Kahroba

    Ihre analyze bezieht sich auf Ramsch anleihen. meine frage ist: wieviel prozent der unternehmen sind dass denn? wenn es ein grosser prozentsatz der unternehmen ramsch ist, dann haben wir ganz andere probleme. oder?

    16:52 Uhr, 22.02. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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