Kommentar
08:27 Uhr, 22.09.2015

Negative Zinsen: Für die Fed kein Tabu mehr!

Der eigentliche Zinsentscheid vergangene Woche war unspektakulär. Dafür kamen in der Pressekonferenz interessante Themen auf.

Das Highlight der Pressekonferenz war meiner persönlichen Meinung nach die Antwort Yellens auf die Frage, ob sich die Fed negative Zinsen vorstellen kann. Obwohl Yellen klar machte, dass negative Zinsen momentan kein Thema sind, mit dem sich die Notenbank aktuell auseinandersetzt, wird die Möglichkeit diskutiert.

Angestoßen wurde die Diskussion durch ein Mitglied des Offenmarktausschusses (FOMC), welches für 2015 und 2016 einen Zinssatz von -0,125% für richtig hält. Das war das erste Mal in der Geschichte der Federal Reserve, dass ein FOMC Mitglied negative Zinsen für richtig hielt. Das ist durchaus spektakulär.

Negative Zinsen scheinen derzeit keine reale Option zu sein. Immerhin bewegt sich die Notenbank langsam auf den ersten Zinsschritt nach oben zu. Als Anleger sollte man sich nach der Pressekonferenz jedoch nicht mehr der Illusion hingeben, dass steigende Zinsen wirklich und unter allen Umständen kommen werden.

Die Prognosen des Offenmarktausschusses in Bezug auf Wirtschaftswachstun, Inflation und Zinsen haben sich deutlich nach unten verschoben. Diese Veränderung der Prognosen dürfte nicht zuletzt auf die Schwäche der Schwellenländer zurückzuführen sein. Die USA werden zwar nicht von einem Abschwung der Schwellenländer mit in die Tiefe gerissen, doch das Wachstum kann es signifikant abschwächen. Dabei geht es vor allem um die Nettoexporte.
Die Nettoexporte sind seit Jahren negativ und reduzieren bei einer Ausweitung das Wirtschaftswachstum. Stürzen Schwellenländer wirtschaftlich weiter ab und kollabieren die Währungen als Folge davon, dann werden Importe für die USA deutlich billiger. Die negativen Nettoexporte würden sich ausweiten und dadurch das Wirtschaftswachstum merklich nach unten drücken.

Dieser Gefahr will die Fed begegnen, indem sie in ihrer Entscheidung auch den Wechselkurs und die Entwicklung der Nettoexporte berücksichtigt. Eine zu frühe Zinsanhebung birgt die Gefahr ausufernder Handelsbilanzdefizite. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Nettoexporte seit 1973. Die Tendenz ist ziemlich klar. Ebenso klar ist, was der Treiber hinter den Defiziten ist.

Der Dollarindex läuft invers zu den Nettoexporten. Je stärker der Dollar ist, desto billiger werden Importe und desto größer wird das Handelsdefizit. Zieht man Parallelen zu den 80er Jahren, dann würden die Nettoexporte im besten Fall wieder zu ihren Negativrekorden zurückfallen. Das setzt allerdings konstant niedrige Ölpreise voraus. Steigt der Ölpreis wieder, dann könnte das Defizit nicht nur auf 800 Mrd. USD steigen, sondern auf bis zu 920 Mrd. Die US Wirtschaft würde so bis Ende des Jahrzehnts insgesamt um 2,2 bis 2,8% weniger wachsen als unter der Annahme konstanter Wechselkurse.

Für die Notenbank ist Wachstum einer der wichtigsten Maßstäbe. Wächst die Wirtschaft langsamer, dann werden weniger Jobs geschaffen und Jobs sieht die Fed als ihre Hauptaufgabe. Yellen betonte in der Pressekonferenz auch, dass die Niedrigzinspolitik Reiche vielleicht reicher gemacht hat, sie aber keine Verschärfung der Einkommensungleichheit sieht. Die beste Möglichkeit Armut zu bekämpfen ist Jobs zu schaffen.

Was bedeutet das für die Zukunft? Die US Notenbank wird die Zinsen solange nicht anheben bis sie einen deutlichen Anstieg der Inflation erkennt. Selbst wenn die Arbeitslosigkeit auf 4,5% fällt werden die Zinsen nur angehoben, wenn sich ein Anstieg der Inflation andeutet.

Ob der Fed die Zinsschritte dann rechtzeitig gelingen, sei dahingestellt. Versuchen will sie jedenfalls eine sehr moderate Bremsung hinzubekommen, falls sich Anzeichen für steigende Inflation ergeben. Die Bevorzugte Variante der Fed ist also ein sehr langsamer Zinsanstieg bis Ende des Jahrzehnts. Selbst nach einer ersten Anhebung muss es nicht gleich zu weiteren Schritten kommen.

Persönlich sehe ich darin nicht das Eingeständnis, dass die Wirtschaft schlechter läuft als gedacht. Vielmehr sehe ich darin die Erkenntnis der Notenbank, dass Inflation in den kommenden Jahren einfach kein Thema sein wird. Im Gegenteil sogar, sollte sich die Inflation weiter reduzieren und die Wirtschaft beginnen zu stagnieren, dann werden relativ schnell negative Zinsen erwogen.

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4 Kommentare

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  • Löwe30
    Löwe30

    Die FED wird die Zinsen kaum erhöhen können, wenn, dann nur symbolisch. Die mittelfristige Entwicklung wird eher in Richtung Negativzinsen gehen, damit die Schuldenwirtschaft, die schier endlosen Kreditvergaben, der Wohlstand auf Pump, die gigantischen Zockereien der Hochfinanz und das Aufblähen des Finanzsektorts sichergestellt bleibt. Denn alles Kranke, wie der US$, der €, die Zombie-Banken und bankrotte Staaten, muss um jeden Preis erhalten werden. Dazu wird wahrscheinlich dann allerdings Bargeld abgeschafft werden.

    15:04 Uhr, 22.09. 2015
  • Fredd
    Fredd

    Mein Kompliment Herr Schmale, Sie sind einer der wenigen deutschsprachigen Journalisten die makroökonomische Zusammenhänge darstellen können. Wer noch? Mir fällt niemand ein aber das beweist selbstverständlich noch gar nichts ...

    Eine Frage Wenn Inflation in den nächsten Jahren kein Thema sein sollte, die Zielsetzung aus gut begründeter makroökonomischer Sicht aber eine Inflationsrate von 2% sein sollte was bedeutet das für die Wirtschaftspolitik? Und: was bedeutet diese Aussicht für einen heterogenen Wirtschaftsraum mit einheitlicher Währung aka EU?

    09:14 Uhr, 22.09. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Der Negativzins, wie schon inoffiziell in der Schweiz, wird kommen. Zudem wird die FED wohl versuchen ein Bargeldverbot in den USA anzuregen.

    09:08 Uhr, 22.09. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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