Kommentar
06:43 Uhr, 20.02.2019

Nächster Zinsschritt muss nach unten gehen

Die US-Notenbank ist noch dabei die Lage zu beurteilen. Dabei ist die Angelegenheit eigentlich so offensichtlich: die Zinsen müssen sinken.

Erwähnte Instrumente

Die US-Notenbank soll die Zinspolitik so gestalten, dass die Preise stabil bleiben und die Arbeitslosigkeit möglichst niedrig ist. Das ist einfacher gesagt als getan, denn die Zinspolitik wirkt nicht sofort. Die Notenbank muss also zukünftige Entwicklungen vorwegnehmen, doch eine Glaskugel hat sie auch nicht.

Das führt dazu, dass sich die Fed stark an aktuellen Daten orientiert. Diese sind allerdings eine Momentaufnahme und müssen nicht unbedingt viel damit zu tun haben, was im nächsten Quartal geschieht. Die Zinspolitik bleibt eine Art Gefühlssache, auch wenn zahllose Analysen und Modelle etwas anderes versprechen. Am Ende kommt es auf die Interpretation an und die ist per Definition individuell und nicht objektiv.

Es gibt versuche, die ganze Angelegenheit in den Griff zu bekommen, indem man den Leitzins nach einer einfachen Formel festlegt. Ganz vorne mit dabei ist die Taylor-Regel. Der Zinssatz orientiert sich an der Zielinflation, Arbeitslosigkeit und Output-Lücke der Volkswirtschaft (wie viel produziert wird gegenüber dem, was produziert werden könnte).

Historisch betrachtet hat die Taylor-Regel zu sinnvollen Ergebnissen geführt, versagte aber in den vergangenen Jahren. Während der Finanzkrise hätte der Leitzins bei -5 % liegen müssen. Das ist derzeit nicht möglich. Heute wiederum sollte der Leitzins bei 4 % liegen. Das erscheint sportlich und wie eine Garantie für eine Rezession.

Eines der großen Probleme der Modelle ist das Missverhältnis von Inflation und Arbeitslosenrate. Der Theorie nach muss die Inflation steigen, wenn die Arbeitslosigkeit fällt. Je mehr Menschen arbeiten, desto mehr können sie auch ausgeben. Die höhere Nachfrage lässt die Preise steigen.

Das klingt sehr plausibel. In der Realität gibt es allerdings ein Problem. Der Altersstruktur der Bevölkerung wird keine Beachtung geschenkt. Heute steigt der Anteil der Rentner im Verhältnis zur Erwerbsbevölkerung. Die Arbeitslosigkeit ist zwar niedrig, führt aber nicht zwangsläufig zu höherer Nachfrage bzw. nur zu einem sehr langsamen Anstieg der Nachfrage.

Man kann sich das anhand eines fiktiven Extrembeispiels vor Augen führen: eine Land hat eine Bevölkerung von 20. 10 Personen können arbeiten, es sind allerdings nur 9 beschäftigt. Die Arbeitslosenrate liegt bei 10 %. Die arbeitslose Person erreicht nun das Rentenalter. Nun arbeiten alle 9 Personen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 0 %. Die Nachfrage steigt deswegen allerdings nicht.

Dieser Umstand wird in den meisten Modellen nicht berücksichtigt. Das Investmenthaus Piper Jaffray hat dazu eine interessante Beobachtung gemacht. Der Leitzins wird dabei der Beschäftigungsquote und der Inflation gegenübergestellt (siehe Grafik). Die Beschäftigungsquote beinhaltet die Demographie. Bis vor wenigen Jahren war die Demographie kein großes Problem. Daher lässt sich der historische Vergleich nutzen, um eine Ideallinie abzuleiten.

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Heute befinden wir uns ziemlich weit von dieser Ideallinie entfernt (roter Punkt in der Grafik). Der Leitzins sollte deutlich tiefer liegen, wenn man derzeitige Inflation und Demographie berücksichtigt. Der nächste Zinsschritt sollte besser nach unten erfolgen. Entfernt sich der Leitzins zu weit vom idealen Level, ist eine Rezession kaum vermeidbar

Clemens Schmale

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6 Kommentare

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  • G3ckOoo
    G3ckOoo

    Tja, der Systemcrash ist unabwendbar. Jede Option wird dorthin führen. Weiter Blasen aufblähen oder Wirtschaft abwürgen.

    19:01 Uhr, 20.02. 2019
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Was die Notenbank aus Sicht mancher Anleger tun "muss", ist nicht mit dem identisch, was sie tatsächlich tut.

    Ein sehr prominentes Beispiel liefert die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre. Seinerzeit hatte die US-Notenbank die einsetzende Depression durch eine restriktive Geldpolitik deutlich verschärft. Wikipedia schreibt dazu:

    „Durch die Bankenkrise wurde auch die Giralgeldschöpfungsfunktion der Banken erheblich gestört.[17] In dieser Situation hätte die US-amerikanische Notenbank (FED) die Banken stabilisieren können, tat dies aber nicht,[18] sondern verfolgte im Gegenteil eine kontraktive Geldpolitik, die die Geldmenge um etwa 30 Prozent („great contraction“) reduzierte,[19] die Deflationsspirale forcierte und damit die Banken- und Wirtschaftskrise weiter verschärfte.[20]

    Auch heute geht es der Fed natürlich NICHT um das Wohlergehen der Wirtschaft oder gar der Anleger.

    14:35 Uhr, 20.02. 2019
  • Spielwiese
    Spielwiese

    dass die Phillips-Kurve nicht mehr brauchbar ist, ist nicht neu. Hinreichend empirisch belegt aber von den Zentralbanken energisch geleugnet, weil es die eigene Daseinsberechtigung infrage stellen würde.

    Den vorgestellten Ansatz halte ich aber methodisch für fragwürdig... in den Lernunterlagen für den CFA gabs eine geflügelte Bezeichnung für derartiges Vorgehen...“torture the data until it will confess“ :)

    12:18 Uhr, 20.02. 2019
  • wizardmw
    wizardmw

    Doppelnein!!!!! Ich kann ernauet nur den Kopf schütteln Herr Schmale. Der Vorteil des Kapitalismus ist Vergleichbar mit der natürlichen Selektion - nämlich des Ausmerzen des Schwachen. Wir haben eine von den Notenbanken aufgepumpte Zombiewirtschaft erschaffen, wo Geld nur noch zum Aufblasen von Vermögenswerten benutzt wird. Um so länger eine leider notwendige Rezession mit Gewalt vermieden wird, um so länger und brutaler wird der unvermeidliche Anpassungsprozess ausfallen. Sie wären leider ein gutes FED-Mitglied mit Ihren Ansichten........

    10:51 Uhr, 20.02. 2019
  • Jigsaw
    Jigsaw

    Wie weit wollen wir es noch treiben? Weiterhin auf Pump leben?

    Immer wenn es mal nicht klappt mit dem Wachstum Zinsen senken?

    Wow, sehr weitsichtig gedacht

    10:11 Uhr, 20.02. 2019
  • Der Euro
    Der Euro

    Nein.

    08:35 Uhr, 20.02. 2019

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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