Kommentar
12:30 Uhr, 15.04.2010

Nach der Österreich- kommt jetzt die Deutschland-„Wette“

Den Vorwurf der mangelnden Einfachheit und Nachvollziehbarkeit von Zertifikaten scheint sich die österreichische Raiffeisen Centrobank gerade in letzter Zeit besonders zu Herzen genommen zu haben. Erleben doch dort immer mehr Produkte mit „digitalem" Charakter das Licht der Zertifikatewelt, die sich durch ein einfaches „Hop-oder-top"-Tilgungsszenario auszeichnen, das aus Sicht des Anlegers fast schon an eine kleine „Wette" erinnert. Hält der Basiswert die Barriere oder nicht? Wenn nicht, entspricht die Rückzahlung aber immer noch der ganz normalen Wertentwicklung des Unterlyings oder ist wie bei einem kapitalgarantierten Produkt von vornherein bis zur Höhe des Nennbetrags gesichert.

Vier Einzelwerte entscheiden das "Spiel"

So wurde erst vor kurzem mit dem Österreich-Bond (RCB0X8) ein Kapitalschutz-Produkt emittiert, das sich mit der Maßgabe auf vier ATX-Schwergewichte bezieht, dass kein Einzelwert während der fünfjährigen Laufzeit des Papiers mehr als 45 Prozent von seinem Startwert verliert. Sollte das Vorhaben gelingen, winkt dem Anleger eine Rückzahlung von stolzen 150 Prozent des Nennwerts. Bei einem einzigen Ausrutscher wäre zwar die Rendite passé, jedoch würde zumindest am Laufzeitende die Kapitalgarantie greifen. Ganz aktuell hat die Centrobank ein entsprechendes Produkt mit vier deutschen Basiswerten nachgeschoben. Der noch bis 30. April zeichenbare Deutschland-Bond auf Commerzbank, Deutsche Telekom, Deutsche Post und Deutsche Börse verfügt über eine ähnliche Ausstattung wie sein österreichisches Pendant. Allerdings wird die Barriere diesmal etwas höher bei 59 Prozent fixiert, damit auch hier eine 50-prozentige Rendite nach fünf Jahren garantiert werden kann, wenn das „Spiel" aufgeht. Sollte aber ein Titel aus der Reihe tanzen und zu irgendeinem Zeitpunkt mehr als 41 Prozent ins Abseits geraten, wäre außer dem ambitionierten 3-prozentigem Ausgabeaufschlag kein weiteres Kapital verloren. Der Anleger setzt hier also darauf, dass keine neuerliche Finanzkrise einen Wert wie die Commerzbank in die Knie zwingt.

Vom "Plus-Pro" zum "Plus+"

Dass es der Emittent bei seinen „Digitalisierungs"-Bestrebungen ernst meint, zeigt auch die Einführung einer neuen Bonus-Variante, den sogenannten Plus+Bonus-Zertifikaten. Wer sich die Funktionsweise der neuen Spezies ansieht, erkennt schnell die Entsprechung zu den an dieser Stelle immer wieder geforderten und seit vielen Jahren leider fast ausschließlich von der Commerzbank angebotenen Bonus-Pro und Discount-Plus-Pro-Zertifikaten, deren Besonderheit ebenfalls in einer „europäischen" Ausübung der Barriere ausschließlich in den letzten Monaten der Laufzeit besteht. Bei der Centrobank ist die Kursschwelle wie auch bei vereinzelten Produkten anderer Anbieter sogar nur am finalen Bewertungstag auf Schlusskursbasis aktiv, d.h. selbst Intraday-Kurskapriolen des Basiswertes am Stichtag unter die Barriere würden im Extremfall die Bonus-Struktur nicht zerstören. Den Auftakt zur neuen „Plus+"-Produktgeneration bilden zunächst zwei ab sofort handelbare Kurzläufer auf einen aus 14 dividendenstarken Aktien bestehenden Deutschland-Basket. Die nur fünfeinhalb Monate laufenden Produkte unterscheiden sich nur in Bezug auf die Festlegung von Barriere und Bonus-Level, der hier gleichzeitig auch dem Cap entspricht. Das etwas defensivere Papier besitzt dabei eine Kursschwelle bei 90, das offensivere Produkt eine bei 95 Prozent des Startniveaus festgelegte Barriere. Entsprechend dieser Ausrichtung beträgt die Seitwärtsrendite bei den Zertifikaten mit dem 10- bzw. 5-prozentigen Puffer sechs bzw. zehn Prozent, wobei der Ausgabeaufschlag in Höhe von einem Prozent berücksichtigt werden muss. Sollte die Schwellen am Ende nicht halten, erhält der Anleger eine Rückzahlung entsprechend der tatsächlichen Wertentwicklung des Baskets.

Der BörseGo Tipp:
Beim Deutschland-Bond sollte man sich zunächst nicht von der attraktiven Rendite-Chance blenden lassen und die eigene Meinung zu allen vier Basiswerten einer genauen Prüfung unterziehen. Auf der anderen Seite ist das Kursrisiko auf den hohen Ausgabeaufschlag begrenzt, wenn man die Geduld aufbringt, nach einem möglichen Schwellenereignis notfalls auch die gesamte Laufzeit auszusitzen. Der Kurs dürfte in diesem Fall in Abhängigkeit von der Restlaufzeit deutlich unter dem Nominal liegen. Die Einführung der neuen „Doppelplus"-Bonus-Zertifikate ist sehr zu begrüßen, wenn gleich es sinnvoll wäre, dass sich die Anbieter auch bei den einzelnen Produkt-Varianten endlich einmal über eine einheitliche Namensgebung verständigen würden, wie ja zuletzt auch vollmundig angekündigt wurde – man braucht sich ja nur das terminologische Wirrwarr bei den beliebten Memory-Express-Produkten ansehen. Was allein fehlt sind die Fakten. Dagegen dürfte es wohl keinen großen Unterschied bedeuten, ob man statt „Barriere" „Kursschwelle" oder statt „Basispreis" „Strike" sagt. Soviel Sachverstand dürfte man Zertifikateanlegern inzwischen durchaus zubilligen.

Deutschland Bond

Emittent/WKN:

Raiffeisen Centrobank / RCB5L6

Laufzeit:

14.05.2015

Preis: (in Zeichnung: 31.03.10 – 30.04.10)

Ausgabepreis: 100 % (zzgl. 3 % Agio)

90/106% Plus+Bonus-Zertifikat

Emittent/WKN:

Raiffeisen Centrobank / RCB5L9

Laufzeit:

30.09.2010

Preis: (in Zeichnung: 06.04.10 – 14.04.10)

Ausgabepreis: 100 € (zzgl. 1 € Agio)

95/110% Plus+Bonus-Zertifikat

Emittent/WKN:

Raiffeisen Centrobank / RCB5MA

Laufzeit:

30.09.2010

Preis: (in Zeichnung: 06.04.10 – 14.04.10)

Ausgabepreis: 100 € (zzgl. 1 € Agio)

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/zertifikate

Wir würden uns freuen, wenn auch Sie sich an unserer wöchentlichen Zertifikate-Umfrage auf unseren beiden Internet-Portalen http://www.godmode-trader.de/Zertifikate bzw. http://www.boerse-go.de/ beteiligen würden.

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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