Kommentar
17:30 Uhr, 16.01.2017

Nach der Finanzkrise: Erholung hat noch Potenzial

Seit der Finanzkrise haben viele das Gefühl, dass der nächste ganz große Crash vor der Tür steht. Dieser ist nicht abzusehen, zumindest nicht 2017.

Für viele geht die Erholung viel zu langsam voran. In den USA träumt man von Wachstumsraten jenseits der 3 %-Marke. In Europa wäre man vermutlich schon damit zufrieden, wenn sich die Wachstumsdifferenzen der Länder zueinander verringern würden. Während Länder wie Spanien, Irland und Deutschland unter Volldampf stehen, siechen Italien und Griechenland vor sich hin.

Die Finanzkrise ist global noch lange nicht abgehakt

Einige Länder befinden sich noch mitten drin. Dazu gehört etwa auch Italien. Italien hat in der Krise auf großangelegte Bankenrettungen verzichtet. Das rächt sich nun, denn die Bilanzen der Banken sind immer noch schwach. In vielen anderen Ländern, in denen Steuerzahler Banken retten mussten, konnten wenigstens die Bilanzen bereinigt werden.

Solange die Finanzkrise nicht überall abgehakt werden kann, indem Banken ihre faulen Kredite loswerden, wird es bei sehr unterschiedlichem Wachstumstempo bleiben. Global betrachtet geht die Erholung weiter, doch sie ist regional sehr verschieden. Immerhin zeigt sich ein vorsichtig positiver Trend. Anstatt auf eine Beschleunigung zu hoffen, ist dieser Trend eigentlich gut. Es deuten sich keine übermäßigen Exzesse an.

Immobilenmärkte von Exzessen noch weit entfernt

Das sieht man anhand des Immobilienmarktes besser als an jedem anderen Indikator. Der Internationale Währungsfonds erstellt einen globalen Hauspreisindex (Grafik 1). Der Exzess zwischen 2002 und 2008 ist relativ eindeutig zu erkennen. Dabei handelte es sich nicht nur um ein US-Phänomen. Auch wenn die Krise vom dortigen Immobilienmarkt ausging, konnte man im Rest der Welt nicht gerade Vernunft erkennen.

Der globale Hauspreisindex ist ein gleichgewichteter Index aus 57 Ländern. Der Anteil, den die US-Preise an dem Index ausmachen, lag bei 1/57. Es waren also sehr viel mehr Länder an dem Boom beteiligt. Im Prinzip war die ganze Welt daran beteiligt.

Grafik 2 zeigt drei Gruppen von Ländern. Die „Gloom“ Gruppe ist jene Gruppe, die wie die anderen Gruppen auch bis 2008 einen Boom vorweisen konnten. Nach Platzen der Blase ging es steil bergab und der Immobilienmarkt konnte sich bisher nicht erholen. Zu dieser Gruppe gehören Länder wie Griechenland, Brasilien, aber auch die Niederlande und China. China erlebt gerade wieder einen Boom, allerdings ist dieser auf die großen Ballungszentren beschränkt. Von einem allgemeinen Exzess bis ins letzte Bergdorf kann man nicht sprechen.

Zu den Boom and Bust Ländern zählen Staaten wie die USA, Neuseeland und Deutschland. Auch hier kam es zu einem Rückgang der Preise, doch inzwischen erholen sich die Märkte wieder. Im Durchschnitt liegen die Preise noch unterhalb ihrer Hochs aus 2008, doch bewegen sich wieder darauf zu.

Eine dritte Gruppe an Ländern hatte niemals wirklich eine große Krise. In Staaten wie Australien oder Südkorea gaben die Preise nur für wenige Monate nach. Der Vorkrisenboom setzte sich nahtlos fort.

Der Immobilienmarkt bleibt der wichtigste Indikator für die Gesundheit einer Wirtschaft. Privathaushalte nehmen hohe Schulden für Immobilien auf, die sie viele Jahre oder Jahrzehnte begleiten. Geht etwas schief, dann richtig. Können sich Haushalte erst die Zinsen nicht mehr leisten und werden Immobilien notverkauft oder von Banken auf den Markt geworfen, droht ein Teufelskreis. Viele Menschen verlieren ihr gesamtes Vermögen, weil fast das ganze Vermögen in der Immobilie steckt.

Nun sind es allerdings die Haushalte, die die Wirtschaft am Laufen halten. Es sind Privatpersonen, die konsumieren. Wird nicht konsumiert, dann wird auch nicht investiert. Geht es den Immobilienbesitzern schlecht, weil die Preise sinken oder die Zinsen zu hoch steigen, kann die Wirtschaft nicht rund laufen.

In Deutschland lebt ungefähr die Hälfte der Menschen im Eigenheim. Im europäischen Durchschnitt sind es 70 %. Probleme auf dem Immobilienmarkt graben gleich einem Großteil der Bevölkerung das Wasser ab.

Einige Märkte befinden sich derzeit in der Überhitzung. Im Gegensatz zu 2007/08 handelt es sich dabei jedoch nicht um einen undifferenzierten Exzess, sondern um ein Angebotsproblem. In Ballungszentren wächst die Bevölkerung schneller als das Angebot der Immobilien. Es gibt also fundamentale Gründe für den Preisanstieg.

Viele europäische Länder befinden sich in einem moderaten Aufschwung. Italien, Griechenland usw. sind davon noch weit entfernt, ebenso rohstoffexportierende Entwicklungs- und Schwellenländer wie Brasilien. In den USA ist der Zyklus schon weit fortgeschritten. Die Welt läuft in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die einen stört das, weil nur im globalen Gleichschritt überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten erzielt werden können. Für die anderen ist das durchaus willkommen. Sind nicht alle Wirtschaften gleichgeschaltet, sind Exzesse weniger wahrscheinlich.

Vermutlich wird es in den kommenden Jahren zu einer gewissen Rotation kommen. Die Outperformer von heute werden es morgen schwer haben und umgekehrt. Das ist nicht aufregend, aber besser als eine Überhitzung der globalen Wirtschaft, wie wir es 2008 gesehen haben.

Die wirtschaftliche Erholung, die durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten global noch lange anhalten kann, muss sich übrigens nicht automatisch in immer höher steigenden Aktienkursen widerspiegeln. Viel Fantasie wurde bereits vorweggenommen. Zudem hat der Markt gerade Ende 2016 eine Beschleunigung des Wachstums eingepreist. Derzeit sieht es so aus, als würde genau das nicht passieren.

Clemens Schmale

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  • Solid2016
    Solid2016

    @ einfach:

    Ich möchte nicht behaupten, dass was Sie schreiben sei falsch, jedoch ist es mir etwas zu pauschal. Tatsächlich hatten Sie nicht von Unternehmen gesprochen aber letztlich muss ein Staat ebenso wirtschaften wie ein Unternehmen um über die erhaltenen Steuern die Zinsen für die Staatsschulden zurück zu zahlen und einen Teil seiner Schulden zu tilgen. Schafft er das, oder wäre er zumindest in der Lage dazu dann kann man wohl kaum behaupten das Wachstum sei nicht echt.

    Dass die erhaltenen Steuern dann nicht zum Tilgen der Schulden verwendet werden weil Misswirtschaft betrieben wird steht nämlich auf einem anderen Blatt. Ich denke das Problem, das Sie ansprechen, ist das Erzeugen von Wirtschaftswachstum durch Fiat-Geld aber das lässt nicht pauschal die Aussage zu Wachstum auf Basis von Neuverschuldung sei fake.

    22:39 Uhr, 17.01.2017
    2 Antworten anzeigen
  • netzadler
    netzadler

    mir ist nicht bekannt, dass man Crashs einigermaßen exakt vorhersehen kann

    09:13 Uhr, 17.01.2017
  • einfach
    einfach

    mir ist es grundsätzlich mathematisch schleierhaft, wie es möglich ist von einem wirtschaftswachstum zu sprechen dass nur durch erhöhte verschuldung zustandekommt.

    wenn wie z.b. in den usa 2016 von einem wachstum von 2,5% gesprochen wird, aber gleichzeitig die staatsverschuldung um 5% steigt dann ergibt dass ein minus von 2,5% bei berücksichtigung dass die schulden von egal_wem_auch_immer getilgt werden sollten.

    auf diese weise mit immer neuer und höherer jahresneuverschuldung ist es jedem land möglich ein positives bip auszuweisen, wobei noch beachtet werden sollte dass alle angaben prozentual sind.

    das bedeutet, wenn in einem jahr mit einem bip von 10 bil$ eine staatsverschuldung von 5% hinzugerechnet wird eine neuverschuldung in höhe von 500 mrd$ stattgefunden hat.

    die gleiche betrachtungsweise 5 jahre später mit einem bip von 12 bil$ und gleichbleibend 5% verschuldung ergibt schon eine summe von 600 mrd$.

    es ist eine absolute augenwischerei und tatsachenverdrängung positiv über länder mit einem höheren bip zuwachs zu berichten und gleichzeitig zu verschweigen dass dieser zuwachs nur durch hilfe gigantischer neuverschuldung zustandegekommen ist und gleichzeitig andere regionen mit weniger bip zuwachs bei gleichzeitig geringerer neuverschuldung als schwächere regionen darzustellen.

    also immer augen und geist auf beim lesen.

    das gleiche trifft noch präziser beim schreiben solcher berichte zu.

    21:46 Uhr, 16.01.2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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