Kommentar
17:12 Uhr, 16.08.2016

Mysterium? Anleihen trotz Niedrigstzinsen nach wie vor begehrt

Niedrige Zinsen und Rekordbewertungen von Anleihen schrecken Anleger nicht ab. Kapital strömt nach wie vor in großen Mengen in den Markt.

Wer glaubt, Anleger hätten inzwischen genug vom Anleihemarkt, der irrt. Anleihen sind beliebt wie eh und je und sogar so beliebt wie seit 2012 nicht mehr. Grafik 1 zeigt dazu die Kapitalflüsse für Anleihen und Aktien. Sie zeigen wie viele Milliarden Dollar Anleger pro Monat in Aktien- und Anleihefonds und ETFs gesteckt haben.

In diesem Jahr sind in den ersten 7 Monaten ca. 200 Mrd. Dollar in globale Anleihefonds und ETFs geflossen. Aus Aktien wurde hingegen Kapital abgezogen. In den ersten 6 Monaten wurden Mittel aus Aktien abgezogen. Die neuesten Daten für Juli zeigen jedoch wieder einen Kapitalzufluss. Dennoch: in diesem Jahr haben Anleger Aktien eher den Rücken gekehrt.

Betrachtet man den mehrmonatigen Durchschnitt, dann sind Anleihen in diesem Jahr das erste Mal seit 2012 wieder beliebter als Aktien. Als das letzte Mal mehr Anleihen als Aktien nachgefragt wurden, war es Anfang 2008. Es dauerte damals nicht mehr lange bis zum Zusammenbruch des Aktienmarktes.

Die Entwicklung gibt zu denken. Sie ist jedoch nicht zwangsläufig bärisch zu werten. Es werden die Kapitalströme für Fonds und ETFs gemessen. Enthalten sind nicht individuelle Käufe und Verkäufe von Aktien und Anleihen außerhalb von Fonds und ETFs. Der mehrmonatige Durchschnitt zeigt, dass schon seit langem der Kapitalzufluss in Aktien rückläufig ist. Seit Anfang 2014 hat sich der monatliche Zufluss von 40 Mrd. Dollar auf nur noch knapp über null reduziert.

Obwohl der Kapitalzustrom abebbt, konnten Indizes in den USA neue Allzeithochs erreichen. Auch in Europa, wo Anleger zuletzt besonders viel Kapital aus Fonds und ETFs abzogen, etablierte sich ein Aufwärtstrend. Irgendjemand kauft also kräftig Aktien. Kleinanleger sind es wohl nicht, denn diese kaufen Aktien tendenziell über Fonds und ETFs, während Großanleger individuelle Papiere kaufen.

Obwohl die Daten keine Einzelinvestments beinhalten, so ist der Trend beider Gruppen oftmals ähnlich. Das zeigen auch die Dezemberdaten eines jeden Jahres. Der Dezember ist bis auf ganz wenige Ausnahmen für gewöhnlich der Monat mit den höchsten Kapitalzuflüssen. Das erklärt das Phänomen der Jahresendrallye sehr gut.

Während die abnehmenden Kapitalzuflüsse nicht notwendigerweise bärisch sein müssen, so ist der enorme Kapitalzufluss in Anleihen doch bemerkenswert. Anleihen werfen kaum noch Rendite ab. Wieso strömt dann so viel Kapital in Anleihen?
Es gibt dafür mehrere Erklärungsansätze. In den letzten Monaten haben vor allem institutionelle Anleger bei Anleihen mit langen Laufzeiten zugegriffen. Bei diesen Investoren handelt es sich größtenteils um Versicherungen und Pensionsfonds. Sie haben Verbindlichkeiten mit langen Laufzeiten. Um diesen Verbindlichkeiten am besten nachkommen zu können, versuchen Investoren die Laufzeiten von Anlagen und Verbindlichkeiten möglichst äquivalent zu halten. Wird eine Verbindlichkeit in 20 Jahren fällig, dann ist es optimal, dafür auch eine Anleihe mit 20 Jahren Laufzeit zu halten.

Viele Investoren haben sich verschätzt und hatten sehr viel kürzere Laufzeiten auf der Anlageseite als auf der Seite der Verbindlichkeiten. Es bestand eine zunehmend größere Lücke zwischen den Laufzeiten der Anlagen und der Verbindlichkeiten. Diese Lücke wurde in den letzten Monaten verkleinert. Das erklärt den Run auf Anleihen.

Es gibt aber auch noch ganz andere Gründe für die Attraktivität von Anleihen. Insbesondere mit Anleihen mit sehr langer Laufzeit konnten Anleger richtig viel Geld verdienen. Dabei handelt es sich nicht um die Zinsen, die Anleihen zahlen, sondern um die Kurse. Kaum eine Anleihe mit 10 Jahren Laufzeit in westlichen Ländern und Japan hat weniger als 10 % in diesem Jahr gemacht.

Anleihen mit Laufzeiten von 30 Jahren und mehr konnten in diesem Jahr teilweise um 50 % steigen. Das sind Kursbewegungen, die man selbst am Aktienmarkt nur selten findet. Wer als Anleger ein einigermaßen solides Timing hatte, konnte mit Anleihen das Geschäft seines Lebens machen. Anleihen bringen zwar keine Zinsen mehr, dafür sind die Kurse ein Performance Garant. Solange keine globale Zinswende am Horizont erscheint, können Anleger mit Anleihen höhere Renditen erzielen als mit Aktien.

Clemens Schmale

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12 Kommentare

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  • Market Impact
    Market Impact

    lieber ein put denn ein bitte bitte coin :))

    21:46 Uhr, 16.08.2016
    1 Antwort anzeigen
  • tschak
    tschak

    auch konservative Anleger dürfen mal PUT-Optionen zur Absicherung kaufen. Ist erlaubt ;-)

    20:24 Uhr, 16.08.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Mitdenker
    Mitdenker

    Und, es gibt auch Institutionen, die Bedenken, dass durch die ganzen Aktienrückkaufprogramme in den USA der free float stark abgenommen hat..... Garant für einen Crash wenn nur relativ "wenige" Verkauforder vorliegen.....

    17:55 Uhr, 16.08.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Mitdenker
    Mitdenker

    In Europa ist es kein Mysterium sondern einfach der starken Regulierung der Banken und Versicherungen geschuldet

    17:43 Uhr, 16.08.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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