Fundamentale Nachricht
10:20 Uhr, 26.06.2019

Müssen ESG-Anleger auf Staatsanleihen verzichten?

Maria Municchi, Fondsmanagerin des M&G (Lux) Sustainable Allocation Fund, empfiehlt bei der ESG-Beurteilung von Staaten einen unvoreingenommenen Blick.

London (GodmodeTrader.de) - Bei nachhaltigen Anleihen stehen Investoren derzeit Schlange. Erst kürzlich wurde den Niederlanden ihr erster Green Bond praktisch aus den Händen gerissen. Auch die deutsche Regierung prüft die Einführung einer grünen Bundesanleihe, deren Erlöse in umweltfreundliche Projekte fließen würden, wie Maria Municchi, Fondsmanagerin des M&G (Lux) Sustainable Allocation Fund, in einer aktuellen Marktanalyse schreibt.

„Aus Anlegersicht weitaus bedeutender sind jedoch herkömmliche Staatsanleihen, die nach wie vor den größten Anteil des Rentenmarktes ausmachen. Halten diese einer Analyse nach den Kriterien Umwelt, Soziales und Governance (ESG) ebenfalls stand?“, fragt Municchi und erläutert, dass allein aufgrund der vielfältigen Aufgaben eines Staates keine Regierung in der Lage sein dürfte, strenge ESG-Standards zu erfüllen. Offensichtliche Beispiele seien Verteidigungsausgaben und in manchen Ländern die starke Förderung fossiler Brennstoffe. Gleichzeitig diene aber oft sogar ein größerer Anteil des Staatshaushaltes dazu, den Lebensstandard der Bevölkerung zu verbessern. Das sei etwa in den USA der Fall, die zwar mit zwölf Prozent ihres Haushaltes den höchsten Verteidigungsetat weltweit hätten, dennoch aber den größten Teil ihrer Staatsausgaben für soziale Zwecke einsetzten. Aus ethischen Gründen auf US-Treasuries zu verzichten, sei deshalb nicht angemessen, so Municchi: „Wir müssen vielmehr prüfen, ob der Nettoeffekt der Staatsausgaben positiv ist.“

Die Fondsmanagerin empfiehlt daher bei der ESG-Beurteilung von Staaten einen unvoreingenommenen Blick. Die von MSCI angewandte Methode zur Bestimmung von ESG-Ratings von Staaten könne etwa dazu genutzt werden, das Ausmaß an Korruption, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte zu bestimmen, einem wichtigen Element der Governance.

Kolumbien ist ESG-konformer Emittent

„Eine Beurteilung von Märkten, in denen weniger Daten verfügbar sind, kann allerdings schwierig sein, so dass Anleger auch qualitative Aspekte hinzuziehen müssen“, sagt Municchi. Aktuelles Beispiel sei die Bewertung dreier Emittenten aus Schwellenländern: „Kolumbien, Indonesien und Ägypten könnten aus Renditesicht recht attraktiv sein. Doch wenn ESG-Aspekte berücksichtigt werden, trifft dies auf zwei Länder deutlich weniger zu.“

So sei Kolumbien im Nachhaltigkeitsbereich eine wichtige Adresse auf internationaler Ebene und habe die Entwicklung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen aktiv und progressiv unterstützt. Im Gegensatz dazu besitze Indonesien zwar insgesamt ein ESG-Rating mit „BB“ von MSCI und könne attraktive Fundamentaldaten vorweisen. Allerdings setze sich das Land nur ungenügend für den Umweltschutz in der Palmölproduktion sowie für andere Maßnahmen zum Umweltschutz auf nationaler und internationaler Ebene ein.

In Ägypten wiederum sei die soziale Governance nicht ESG-konform. Organisationen wie Freedom House – eine NGO aus den USA, die die Entwicklung von Demokratie und Freiheit misst und überprüft – stuften Ägypten als eines der unfreiesten Länder der Welt ein. Für nachhaltig orientierte Anleger könnten kolumbianische Staatsanleihen daher durchaus interessant sein, indonesische und ägyptische Titel derzeit jedoch weniger. Municchis Fazit: „Staatsanleihen sind unter ESG-Gesichtspunkten zwar schwieriger zu beurteilen als Unternehmen, doch als eine der wichtigsten Anlageklassen dürfen wir sie nicht ignorieren – sowohl mit Blick auf die Vielfalt der Anlagemöglichkeiten als auch einer verantwortlichen Titelauswahl.“

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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