Montagsgesellschaft: Diskussionsveranstaltung mit Dirk Müller
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Am 3. November 2014 diskutierte die Montagsgesellschaft in Frankfurt mit hochrangigen Experten wie Willy Wimmer (ehemaliger verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung), Professor Boris Saritsky (ehemaliger russischer Senior Konsul in Frankfurt und Botschaftsrat in Berlin) Dr. John C. Hulsman (US-amerikanischer Politikwissenschaftler und Politik-Experte) und Dirk Müller (Autor und Börsenexperte) über den Ukraine-Konflikt und seine globale und geostrategische Bedeutung. Passend zum aktuellen Taschenbuch-Nachwort „Showdown“ von Dirk Müller wurde die geopolitische Vormachtstellung, eventuelle wirtschaftliche Interessen sowie der Einfluss des Konfliktes auf die derzeitige Lage der Finanzwelt und auf Gesamteuropa diskutiert.
Herr Müller, was war aus Ihrer Sicht die wichtigste Erkenntnis aus der Diskussionsveranstaltung der Montagsgesellschaft?
Dirk Müller: Wir hätten sicherlich noch viele weitere Stunden diskutieren können, so vielfältig wie sich die Themenlage rund um die Ukraine darstellt. Die wichtigste Erkenntnis des Abends ist aus meiner Sicht, dass die Entwicklungen in der Ukraine durch große geopolitische Interessen von Seiten Amerikas und Russlands getrieben sind. Diese Erkenntnis ist bislang noch nicht in die breite Öffentlichkeit gedrungen und dazu konnten wir einen wichtigen Beitrag leisten. Wir dürfen uns beim Blick auf die Ukraine nicht immer wieder im Tagesgeschehen verlieren, sondern müssen den Blick auf das Große und Ganze richten. Dann wird klar, dass zwei große Spieler versuchen auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung und ohne Rücksichtnahme auf z.B. auch europäische Interessen, ihre politische Agenda aggressiv durchzubringen.
Das Land teilt sich immer mehr auf. Welche Schritte müsste man einleiten um die Ukraine sowohl wirtschaftlich als auch sozial wieder voranzubringen.
Dirk Müller: Die Bevölkerung der Ost- und Westukraine führen hier einen Stellvertreterkrieg. Aktuell dominieren die großen Machtinteressen alles andere. Solange weder Amerika noch Russland von ihrer jeweiligen Agenda abrücken, sehen wir in der Ukraine im besten Fall einen Stillstand. Es gibt keine Möglichkeit das Land unter diesen Voraussetzungen wirtschaftlich oder sozial voranzubringen, da alle Bemühungen einer Seite, immer von der Gegenseite torpediert werden würden.
Neben den geopolitischen Aspekten, die Sie auch in Ihrem Buch „Showdown“ klar herausstellen, spüren wir auch wirtschaftliche Auswirkungen. Wie beurteilen Sie die Konfliktsituation aus Börsensicht?
Dirk Müller: Wir sehen auch im DAX eine große Verunsicherung und immer wieder Reaktionen auf kurzfristige Entwicklungen in der Ukraine. Viele deutsche Unternehmen haben wichtige Verbindungen nach Russland. Je nachdem wie lange die Embargos anhalten, kostet dies Kraft und Wirtschaftsleistung. Klar ist, dass der DAX momentan nicht von wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt wird. Es sind politische Börsen. So kommen auch die geldpolitischen Maßnahmen der EZB zum Tragen. Dadurch fließen Geldströme in die Aktienmärkte, aber nicht in die Wirtschaft. Wir sehen eine zunehmend rezessive Entwicklung und eine tendenziell deflationäre Preisentwicklungen in Europa. Die Wirtschaftsleistung geht weiter zurück. Da ist eine Abtrennung eines sehr wichtigen Partners wie Russland eine nicht nachvollziehbare weitere negative Entwicklung, die wir nicht gebrauchen können.
Die deutsche Bank warnt vor dem größtem Kapitalabzug in der Geschichte und prognostiziert ein Absacken des Euros bis auf 95 Cent im Jahr 2017. Was halten Sie von dieser Prognose?
Dirk Müller: Das ist nicht so unrealistisch, wie man das vielleicht vermutet. Tatsächlich sehen wir, wie Europa mit zunehmenden Schwierigkeiten kämpft und der Euro weiter unter Druck gerät. Ob wir nun bei 95 Cent oder 1,10 Euro landen ist schwer zu prognostizieren. Die Richtung scheint klar zu sein und vom aktuellen Niveau aus ist sicherlich noch Luft nach unten für den Euro. Trotz zahlreicher Notmaßnahmen kommen wir in Europa nicht vom Fleck. Wir müssen erkennen, und das wird viel zu wenig diskutiert, dass die Maßnahmen, die die EU unter Maßgabe der Bundesregierung in der Krise ab 2008 und drauffolgend gezogen hat, für Europa völlig falsch waren und die Krise verschärft haben. Wir haben das damals auf allen Kanälen diskutiert. In die Krise sparen führt zum Zusammenbruch der Wirtschaft, zu Massenarbeitslosigkeit und zur Radikalisierung der Bevölkerung, wie wir dies z.B. in Griechenland sehen. Dazu kommen weitere Abspaltungstendenzen auch in anderen Bereichen. Die Bundesregierung hat mit falschen Entscheidungen damals alle Kritiker als Idioten dargestellt und steht jetzt vor den Scherben, die diese Entscheidungen verursacht haben. Bis heute verteidigt man die Maßnahmen, die sich nachweislich als falsch herausstellen.
Wo könnte die Lösung des Problems liegen?
Dirk Müller: Wir müssen es schaffen, mit privatem Vermögen die Wirtschaft anzukurbeln und so sukzessive die Schulden im System zu reduzieren. Wir müssen den natürlichen Kreislauf des Geldes wieder in Fluss bringen und nicht weiter versuchen Geld durch neue Kredite in Umlauf zu bringen. Dazu diskutiere ich bereits seit längerem auf hoher Ebene ein umfassendes Konzept zum Thema Investition in Infrastruktur durch neu zu schaffende Fonds. Die Einlagen der Fonds aus privatem Vermögen, wir reden hier immerhin von ca. 5. Billionen Euro, die bei Versicherungen und privaten Haushalten liegen, sollten staatlich garantiert sein. So soll ein Anreiz geschaffen werden, dass Geld nicht gehortet wird, sondern im Umlauf bleibt. Gleichzeitig würde mit dem Ausbau der Infrastruktur die Wirtschaftsleistung Europas massiv steigen. In meinem Buch habe ich das Konzept, das zahlreiche wichtige Facetten hat, die hier den Rahmen sprengen würden, umfangreich ausgeführt.
Die erweiterte Taschenbuchausgabe „Showdown – Der Kampf um Europa und unser Geld“ ist seit dem 3. November im Handel erhältlich. Zentrales Thema der Erweiterung ist die Ukraine-Krise.
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