Kommentar
22:07 Uhr, 05.08.2009

Mit Zertifikaten an der Inflation Geld verdienen

Wer den aktuellen Zeichnungskalender vieler Emittenten durchforstet, bleibt immer wieder an dem gleichen gefürchteten Wort hängen: „Inflation“. Kaum ein anderes Thema scheint den Anleger derzeit mehr zu bewegen als dieses. Wenig verwunderlich deshalb, dass sich mittlerweile bei den meisten Anbietern mindestens ein entsprechendes Papier mit diesem Namenszusatz findet. Hochgerechnet auf den Gesamtmarkt tummeln sich bereits rund 70 mehr oder weniger begriffsgleiche Produkte auf dem Markt, von den vielen an ein steigendes Zinsniveau in Form der EURIBOR- oder LIBOR-Sätze gekoppelten „Floatern“ bzw. indirekt von einem inflationären Umfeld profitierenden Papieren beispielsweise auf bestimmte Rohstoffe wie Gold oder Öl ganz zu schweigen. Doch während manche Zertifikate nach der Lehman-Pleite geradezu zu „Ladenhütern“ avisierten, heißt es in vielen „Regalen“ wie z.B. bei Morgan Stanley bei einschlägigen Inflations-Produkten sogar schlichtweg „ausverkauft“ und warten auf das Nachfolgepapier. So jagt eine Neuauflage die nächste und so manche Zeichnung wie bei der 3x-Inflations-Anleihe der Citigroup (CG1KLW) musste bereits vorzeitig geschlossen werden.

Dabei ist noch nicht einmal klar, in welchem Ausmaß und vor allem wann der Preisverfall über uns hereinbricht. Im Moment scheinen sich mit Niveaus um die Nulllinie in Deutschland und der Eurozone sogar eher leicht deflationäre Tendenzen zu manifestieren, hat die extrem expansive Geldpolitik der Notenbanken unter anderem mit einem Zinsniveau in den USA von bis zu null Prozent bislang die Realwirtschaft noch nicht richtig zu stimulieren vermocht und liegt die Kreditvergabepraxis der Banken noch immer stark im Argen, die den für das Wachstum notwendigen Geldschöpfungsprozess wieder in Gang setzen könnte. So dürfte erst wenn die Wirtschaft wieder anspringen sollte und die Rezession überwunden wird, Inflation überhaupt wieder auf die Agenda gelangen und mit der Eindämmung der aufgeblähten Geldmenge das nächste gewaltige Problem vor der Tür stehen. Die Gefahr einer unkontrollierbaren Hyperinflation, wie sie in den vergangenen Monaten häufig herbeigeredet wurde, sollte deshalb bis auf weiteres kein ernsthaftes Thema darstellen, auch wenn sie zumindest dem Garantie-Produkt von Morgan Stanley (MS0JY6) zumindest ihren Namen gab, das vor einem Jahr freilich noch im Umfeld von massiv gestiegenen Preisen für Energie und Lebensmittel emittiert wurde. Dies zeigt wiederum, dass sich der Trend auch schnell wieder drehen kann und eine baldige Teuerung zwischen fünf und zehn Prozent pro Jahr, mit der noch zu Jahresbeginn von einer Expertenschar gerechnet wurde, für die Zukunft durchaus nicht ausgeschlossen werden kann.

Das Heer der Inflations-Spezial-Papiere ist meist an einen bestimmten „harmonisierten“ Verbraucherpreisindex gebunden, der die Entwicklung eines vorgegebenen Warenkorbes für Deutschland oder die Eurozone ohne den Einfluss von Tabakwaren (HVPIxT) misst, die vom statistischen Bundesamt bzw. dem europäischen Pendant Eurostat monatlich erhoben werden. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um vollständig kapitalgeschützte sogenannte „Inflation Linked Bonds“, die neben der garantierten Rückzahlung zum Laufzeitende als Renditefaktor einen jährlichen Kupon in Abhängigkeit von der Veränderung des jeweils zugrundeliegenden HVPI in Aussicht stellen, wobei vor allem zwei Grundtypen zu unterscheiden sind, deren Verzinsung ausgehend von einem fixen Eingangs-Kupon entweder in den Folgejahren dem Mehrfachen der tatsächlichen Index-Entwicklung entspricht, oder bei denen die einfache Performance der Teuerungsrate von vornherein auf einen bestimmten Mindest-Zins draufgeschlagen wird. Der Anleger sollte die verschiedenen Modelle ganz genau mit seinem Rendite-/Risiko-Profil und seiner Inflationserwartung abgleichen. Dies gilt insbesondere auch für die Laufzeit, sowie die ausstattungsabhängige zeitliche Abfolge von fixem und variablem Kupon.

Sieht man sich bei den aktuell noch ganz „frisch“ angebotenen bzw. noch in Zeichnung befindlichen Produkten um, so bietet beispielsweise die sechsjährige Realzins-Anleihe 04/09 der WestLB nach den ersten 18 Monaten eine feste Eingangsverzinsung von sechs Prozent und in der Folgezeit ausgehend von einem Mindest-Kupon von einem Prozent eine 100-prozentige Partizipation am Verbraucherpreisindex für die Eurozone, während die noch bis zum 14. August zeichenbare fünf Jahre laufende Inflationsschutzanleihe der Landesbank Berlin auf den gleichen Basiswert in den beiden ersten Jahren einen Fixkupon von nur 2,50 Prozent ausschüttet, dafür aber in den restlichen drei Jahren die Index-Entwicklung mit einem 1,25-prozentigen Hebel versieht. Bei der neuen 2x-Inflations-Anleihe der Citigroup profitiert der Anleger nach einer Eingangsverzinsung von vier Prozent im ersten Jahr sogar doppelt vom Anstieg der europäischen Teuerung. Bei dem Vorgängermodell entsprach der Faktor aber gleich dem Dreifachen. Wer glaubt, das der Inflationszug nur einige Jahre auf Hochtouren läuft, könnte sich auch Produkte ansehen wie die aktuelle Inflations-Anleihe der Landesbank Baden-Württemberg, die wie im ersten so auch im letzten Jahr wieder auf eine feste Verzinsung von 2,75 Prozent p.a. zurückkommt. Bei der Auswahl des geeigneten Produkts sollten Investoren neben den Kosten bzw. den Ausgabeaufschlägen, die schnell eine attraktive Startverzinsung zunichte machen können, auch hier die Bonität des jeweiligen Anbieters im Blick behalten und eine möglicherweise dadurch bedingte bessere Ausstattung einzuschätzen wissen.

Eine ganz andere Form einer kapitalgeschützten Inflationsanleihe verkörpert JP Morgan mit seinem bereits im Juni 2010 fälligen gleichnamigen Produkt (JPM12W). Hier wird dem Anleger am Laufzeitende neben dem Nennbetrag entweder das Maximum aus der Entwicklung des europäischen Teuerungsbarometers oder des Euro STOXX 50 seit Laufzeitbeginn ausgezahlt. Bei einem Anstieg des Aktien-Index während der Laufzeit um mehr als 30 Prozent, was bei einem Anfangsstand von über 3.500 Punkten auf dem heutigen Niveau nahezu auszuschließen ist, würde nur noch die Inflations-Komponente zählen.

Dass Papiere, die von der Geldentwertung profitieren sollen, nicht zwingend eine Kapitalgarantie enthalten müssen, hat die HypoVereinsbank bereits Ende 2008 erkannt und Anlegern ihr Pro-Inflations-Zertifikat (HV0911) zum damaligen Zeitpunkt als „idealen Baustein zur Optimierung bestehender Rentenportfolien“ verkauft. Der jetzt nur noch gut ein Jahr laufende „Teuerungs-Wachrüttler“ ermöglicht eine direkt proportionale Partizipation am europäischen Verbraucherpreisindex ohne Tabakwaren bis zu einem Anstieg von zehn Prozent. Darüber hinaus gehende Zugewinne werden sogar unbegrenzt mit einer Partizipationsrate von 1,25 Prozent vergütet. Der gleiche Emittent machte im vergangenen Jahr bei der Emission von zwei sogenannten Opti-Anleihen auch vor dem Inflations-Index für die Eurozone nicht halt und „verkuppelte“ ihn dabei kurzerhand mit der Aktie der Deutschen Bank. So wird bei den jeweils dreijährigen bis September 2011 laufenden Papieren nach den ersten beiden Jahren ein Kupon in Höhe des 1,4-fachen der Indexentwicklung ausgezahlt und bei Fälligkeit eine fixe Verzinsung von 6,5 Prozent erstattet. Da die beiden Produkte (HV5AC8 bzw. HV5AEC) keine Kapitalgarantie enthalten, kommt bei der Rückzahlung des Nennbetrages ähnlich einer Aktienanleihe die Aktien-Komponente in Form der Deutschen Bank mit ins Spiel. Denn nur dann, wenn der Titel ausgehend vom Emissionskurs niemals 95 Prozent oder mehr verloren hat, wird auch hier zum Nennwert getilgt, ansonsten geht es entsprechend der tatsächlichen Aktienkursentwicklung „dick“ in die Verlustzone, da dann nur noch ein fester Betrag von zehn Euro erstattet wird.

Ein besonderes „Schmankerl“ brachte mit der Inflation & Öl Anleihe jüngst in diesen Tagen die BNP Paribas unter das Anlegervolk. Die entscheidende Frage, die sich bei der Entwicklung des Produkts den Strategen hier gestellt hatte, lautete: Wie wäre es bei den herkömmlichen Inflationsschutz-Papieren um die Rendite bestellt, wenn es den Notenbanken doch gelingen sollte, eine ausufernde Teuerungsrate wieder „einzufangen“? Je nach Ausstattung ziemlich dürftig, würde darauf wohl die logische Antwort ausfallen. Was war also zu tun? Ganz einfach, ein stimmiges Beziehungsgefüge um die Inflations-Komponente bauen, das eine indirekte Partizipation mit einer hohen Basis-Rendite verbindet. Der Schlüssel dazu ist der Ölpreis, der sich bei einer Erholung der Wirtschaft zumindest wieder stabilisieren dürfte, was wiederum auch die Inflation positiv beeinflussen sollte. Das Ergebnis war ein Zertifikat, dass ausgehend von einem hohen 7-prozentigen Fixkupon nach dem ersten Jahr ab dem zweiten von insgesamt fünf jährlichen Stichtagen zunächst einmal überprüft, ob der Basiswert S&P GSCI Crude Oil Excess Return Index über 60 Prozent des Startwertes vom 31. Juli 2009 notiert. Ist dies der Fall, richtet sich die Höhe der jeweiligen Verzinsung nach der Entwicklung des HICP ex tobacco Index für die Eurozone gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat mit einer dreimonatigen Verzögerung plus einem festen Zins-Faktor von vier Prozent. Sollte der Öl-Index jedoch mindestens 40 Prozent seit der Emission verloren haben, fällt der Kupon für das jeweilige Jahr unwiederbringlich aus. Besonders unangenehm wäre dieses Szenario am letzten Bewertungstag, dem 4. August 2014, da dann nicht nur der Kupon, sondern auch die Rückzahlung des Nennbetrages von der Einhaltung der Schwelle abhängen. Wird sie dabei berührt oder durchbrochen, beträgt der Verlust also mindestens 40 Prozent. Anleger sollten bei dem neuen BNP-Produkt beachten, dass es sich hier bei aller entwicklerischen Spitzfindigkeit trotz des stattlichen Anfangs-Kupons, der 4-prozentigen Zins-Vorgabe an jedem Stichtag und der Bezeichnung „Anleihe“ immer noch um ein Vollrisiko-Papier handelt und dabei der Ölpreis mit all seinen Eigenheiten wie der besonderen „Rollproblematik“ leicht zum Spielverderber werden könnte.

WKN Name Emittent Startzins Basiszins Partizipation Fälligkeit
WLB3GQ Realzins-Anleihe 04/09 WLB 6% 1% 100% 26.02.2015
LBB364 Inflationsanleihe IHS 505 LBB 2,5% (2J) Keiner 125% 18.08.2014
A1AH12 2x-Inflationsanleihe CITI 4% Keiner 200% 06.08.2013
LBW59Y Inflations-Anleihe LBBW 2,75% 1% 100% 19.08.2014
HV5ASR Inflationsanleihe HVB 4% Keiner 100% 29.07.2013
BN3QBN Inflation & Öl Anleihe1 BNP 7% 4% 100% 08.04.2014

Aktuelle Inflationsschutzanleihen

1 Kein Garantieprodukt, Partizipation von Ölpreisentwicklung abhängig

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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