Fundamentale Nachricht
08:27 Uhr, 12.11.2018

Mehr Volatilität, aber auch mehr Wachstumspotenzial

Goldman-Sachs-Finanzexpertin Marie Cardoen bleibt vorsichtig – sind allerdings weiterhin vereinzelt positive Wachstumssignale. Hier bietet die Volatilität ihrer Meinung nach weitere Anlage- bzw. Einstiegschancen.

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New York (GodmodeTrader.de) - Ein kleiner Crash, aus dem sich doch viel lernen lässt: Am 10. Oktober brachen die Aktienmärkte weltweit ein; allen voran in den USA, wo der S&P 500 Index um 3,3 Prozent fiel. Ausschlaggebend waren die steigenden Renditen von Staatsanleihen, die auf mehrere Faktoren wie das sich abschwächende globale Wachstum, Handelsspannungen und politische Unsicherheiten zurückzuführen waren, wie Marie Cardoen, Head of Retail bei Goldman Sachs Asset Management für Deutschland und Österreich, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Mittlerweile hätten sich die Aktienmärkte wieder beruhigt und haben zulegen können – zugleich habe die Nachfrage nach als sicher geltenden Anlagen wie Anleihen nachgelassen. Allerdings ließen sich aus diesem Ereignis einige generelle Schlüsse ziehen, die Anleger mittel- bis langfristig beachten sollten, heißt es weiter.

„Die tendenziell positiven US-Aktienbewertungen scheinen angesichts des starken Wachstums und der gesunden Unternehmensgewinne angemessen. Wir prognostizieren ein Real-BIP-Wachstum von 2,9 Prozent für dieses Jahr und ein jährliches Gewinnwachstum im unteren zweistelligen Bereich. Allerdings gehen wir davon aus, dass das Wachstum im kommenden Jahr auf 2,1 Prozent zurückgeht, wenn einerseits die Impulse durch fiskalpolitische Konjunkturmaßnahmen nachlassen und andererseits der Preisdruck steigt. So erwarten wir, dass die US-Aktienbewertungen noch bis 2020 zurückgehen“, so Cardoen.

Schwellenländeraktien schienen gemessen an ihrer eigenen Historie und verglichen mit US-Aktien eher unterbewertet. Selbst nach der Kurskorrektur bei US-Aktien sei der MSCI EM Index immer noch günstiger bewertet als der S&P 500 Index seit 2004, heißt es weiter.

„Um erste Anzeichen für Exzesse an den US-Aktienmärkten abschätzen zu können, schauen wir uns die Marktnachfrage und -preise bei Börsengängen sowie die Marktreaktion nach der Erstausgabe an. Unternehmen haben zwar ihre Kurse für Aktienemissionen mehrfach angehoben, was wohl vorrangig der begleitenden Euphorie beim Börsengang geschuldet ist, denn die Aktienkurse haben dann nicht deutlich angezogen. Wir konnten unterm Strich aber keine schlechtere Qualität bei den Börsengängen feststellen“, so Cardoen.

Die US-Unternehmensgewinne seien dieses Jahr bislang solide gewesen, wenngleich die Gewinnspannen laut Unternehmen durch höhere Produktions- und Arbeitskosten unter Druck gerieten. Außerhalb jener Sektoren, die wie der Einzelhandel langfristig zu kämpfen hätten, haben beispielsweise Industriefirmen ihre Preismacht nutzen können, um diese höheren Kosten wettzumachen, heißt es weiter. „Wir schauen unter anderem auf die Gewinnmeldungen für das dritte Quartal, um festzustellen, ob ein starker makroökonomischer Hintergrund mehr Unternehmen erlaubt, ihre höheren Kosten so auszugleichen“, so Cardoen.

Außerhalb der USA sei das makroökonomische Umfeld aufgrund von nachlassendem Wachstum, Handelsspannungen und politischen Unsicherheiten deutlich differenzierter geworden. Das Wachstum in China habe nachgelassen und werde sich wohl noch weiter abschwächen – dies werde jedoch durch die geldpolitische Unterstützung teilweise wieder ausgeglichen. Das europäische Wachstum kehre wieder zu einem trendähnlichen Tempo zurück und werde zugleich aber abgebremst von politischen Schwierigkeiten, die in erster Linie aus Italien kämen. Rohstoffimportierende Schwellenländer hingegen verspürten Gegenwind durch höhere Ölpreise, heißt es weiter.

„Firmen, die von makroökonomischen Entwicklungen beeinflusst werden, litten unter diesen wirtschaftspolitischen Veränderungen. Bei japanischen Roboterherstellern beispielsweise gingen die Auftragseingänge aus China deutlich zurück. Hinter den makroökonomischen Wolken gibt es jedoch mikroökonomische Lichtblicke, etwa die Aktienmärkte der Schwellenländer. Hier entsteht ein langfristiges Wachstumspotenzial durch strukturelle Trends wie die steigende E-Commerce-Aktivität, höhere Ausgaben im Gesundheitswesen und technische Innovation“, so Cardoen.

Dieses Jahr könnte als das Jahr mit den meisten Marktbewegungen seit dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise vor rund zehn Jahren in die Geschichte eingehen. Dabei seien nicht ein einzelner, sondern mehrere Faktoren verantwortlich für die zeitweise höhere Volatilität gewesen. Dazu zählten für die Märkte überraschende makroökonomische Daten, geld- und fiskalpolitische Veränderungen und das sich abschwächende weltweite Wirtschaftswachstum. Hinzu kämen internationale Wachstumsunterschiede, zunehmende politische Unsicherheiten, Handelsspannungen, höhere Ölpreise und ein Rückgang der globalen Liquidität. Hiervon seien Schwellenländer-Anlagen überproportional betroffen, heißt es weiter.

„Weiter beeinflusst wird dieses schon abwechslungsreiche Umfeld von veränderten Marktstrukturen durch vermehrt systematische Handelsstrategien, die drastische Marktbewegungen mit sich bringen können. In unserem Jahresausblick 2018 rechneten wir bereits mit einer Wachstumsabschwächung und höherer Volatilität. Wir bleiben vorsichtig – sehen allerdings weiterhin vereinzelt positive Wachstumssignale. Hier bietet die Volatilität weitere Anlage- bzw. Einstiegschancen. Daher ist es unserer Ansicht nach für Anleger noch zu früh, in größerem Maße umzuschichten und ihr Risiko abzubauen“, so Cardoen.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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