Kommentar
08:30 Uhr, 27.10.2018

Mehr Schulden, mehr Wachstum: Gilt das nicht mehr?

Es gab Zeiten, da hat ein Dollar Schulden fast ein Dollar Wachstum kreiert. Davon sind wir weit entfernt. Muss das System deswegen nicht zusammenbrechen?

Vor kurzem geisterte eine Grafik durchs Internet, die extrem erschreckend ist (Grafik 1). Dabei geht es darum wie viel Dollar Wachstum ein zusätzlicher Dollar Schulden generiert. In Emerging Markets lag dieser Wert in der Periode von 1997 bis 2007 bei fast 1. Ein Dollar Schulden entsprach einem Dollar Wachstum. So wünscht man sich das.

Heute ist es schon deutlich weniger. Von China und den meisten entwickelten Ländern muss man gar nicht reden. Hier ist die Bilanz düster. Schulden kreieren kaum noch Wachstum. Die Schlussfolgerung, die die meisten daraus ziehen, ist allerdings falsch. Viele sehen das als Zeichen dafür, dass Schulden unproduktiv sind und nie wieder zurückgezahlt werden können.

Der Teufel steckt im Detail. Zum einen ist da die Berechnungsmethode, zum anderen der Zeitraum, der verglichen wird. Die zweite Periode von 2007 bis 2017 schließt die Finanzkrise mit ein. In dieser schrumpften viele Wirtschaftsräume und Konjunkturprogramme erhöhten die Schulden. Dadurch fällt der Multiplikator von Schulden zu Wachstum besonders niedrig aus, was uns bereits zur Berechnungsmethode bringt.

Berechnet wird der Faktor, indem das Wachstum durch den Schuldenanstieg dividiert wird. In den letzten 4 Quartalen stiegen in den USA die Schulden um sagenhafte 3,23 Billionen Dollar. Die Wirtschaftsleistung stieg im gleichen Zeitraum um 1,05 Billionen. Ein Dollar Schulden kreierte demnach 0,33 Dollar Wachstum.

Führt man diese Rechnung für jedes Jahr durch, ergibt sich Grafik 2. Man sieht einen abnehmenden Trend. Man kann aber auch schlichtweg nicht übersehen, dass die Finanzkrise eine extreme Ausnahme darstellte und die Daten so etwas verfälscht.

Betrachtet man einen rollierenden 10-Jahreswert (Grafik 3), sieht das Bild anders aus. Schulden werden in den USA aktuell wieder produktiver. Das wird gerne verschwiegen. Es passt einfach nicht ins Bild von Crash-Prophezeiungen.


Generell ist die Betrachtung natürlich nicht ganz seriös. Sie vergleicht das Wachstum und die Schulden eines Jahres. Schulden können allerdings über viele Jahre Wachstum generieren. Kaufe ich eine Maschine, mit der mein Unternehmen wachsen kann, auf Kredit, wird dieser Kredit mit der Produktion der Maschine in einem einzigen Jahr verglichen. Die Maschine läuft nun aber vielleicht 10 Jahre. Über ihre Lebenszeit hat sie also viel mehr Wachstum geschaffen als sie an Kredit gekostet hat.

Unterm Strich werden Schulden aber tatsächlich unproduktiver, weil ein immer geringerer Teil der Schulden auf Investitionen entfällt, die auch wirklich Wachstum generieren können. Die hohe Gesamtverschuldung führt dazu, dass immer mehr Schulden aufgenommen werden müssen, um die Zinsen zahlen zu können. Zinsen an sich sind nicht produktiv.

Die US-Regierung muss pro Jahr 600 Mrd. an zusätzlichen Schulden ausgeben, um die Zinsen bedienen zu können. Ohne Zinsen hätte sie derzeit fast kein Defizit. Solange aber der Zinsanteil der zusätzlichen Schulden immer weiter steigt, wird auch der Multiplikator sinken. Würde man diesen Teil aus den Daten herausrechnen, sähe die Sache anders aus.

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7 Kommentare

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  • Prekal
    Prekal

    Erfrischend nüchterne Betrachtung - Chapeau. Ich bin ja oft schockiert, wie gerade in Wirtschaftsforen, die ja eigentlich hochgradig nüchtern und sachlich sein sollten, oftmals die dünkelsten Dystopien und Untergangsszenarien, über den Zusammenbruch unseres Wirtschaftssystems zusammengesponnen werden. Das es momentan gewisse Probleme gibt und zu viele auf ihrem Geld sitzen, macht ja den Aspekt nicht unwahr, dass wir nach wie vor nicht vor dem finanziellen Kollaps stehen und Produktiviät/Adaptionsfähigkeit nackte Schulden immer übertreffen werden.

    22:46 Uhr, 28.10. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • franca
    franca

    Herr Schmale hat hier ein Thema angerissen, dass mich an die seit acht Jahren andauernde Ökonomie Seifenoper erinnert, zwischen Kenneth Rogoff (Harvard-Ökonom und frühere Chefvolkswirt des IWF) und Carmen Reinhart auf der einen Seite und Paul Krugman, einem linksliberaler Ökonom. Eindeutiger Gewinner dieser weltweit ausgetragenen Posse war der linksliberale Ökonom, der leidenschaftlich für staatliche Konjunkturspritzen wirbt – also Staatsverschuldung.

    Weder bei Herrn Schmale noch in der oben beschriebenen Ökonomie Seifenoper wird leider unterschieden, w o f ü r die Staatsschulden gemacht werden. Solange es die „Maschine“ ist, die im Laufe ihres Maschinenlebens mehr produziert als sie gekostet hat, geht die Rechnung mathematisch auf. Wenn jedoch die Staatsschulden gemacht werden, nur um konsumtiven Ausgaben und Klientelwünsche wie bedingungslose Grundeinkommen, höhere und frühere Renten usw… (siehe Italien) zu befriedigen, kann die Rechnung mathematisch n i c h t aufgehen.

    Da Staatsschulden rückblickend sehr selten oder nie gemacht wurden, um „Maschinen“ zu kaufen, sondern eher als Wohltaten an das Wahlvolk verteilt wurden, sind Staatsschulden schädlich und in der Tendenz vom Wahlvolk abzulehnen.

    Oder es mit abgewandeltem Söder zu sagen: „Wo wollt Ihr lieber leben, in Griechenland oder in der Schweiz“?

    13:11 Uhr, 27.10. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • Hinterfragend
    Hinterfragend

    "Generell ist die Betrachtung natürlich nicht ganz seriös. Sie vergleicht das Wachstum und die Schulden eines Jahres. Schulden können allerdings über viele Jahre Wachstum generieren. Kaufe ich eine Maschine, mit der mein Unternehmen wachsen kann, auf Kredit, wird dieser Kredit mit der Produktion der Maschine in einem einzigen Jahr verglichen. Die Maschine läuft nun aber vielleicht 10 Jahre. Über ihre Lebenszeit hat sie also viel mehr Wachstum geschaffen als sie an Kredit gekostet hat."

    Finde den Fehler! Die Aussage ist, so wie sie formuliert wurde, ökonomisch falsch! Kann man mathematisch und ökonomisch ganz einfach zeigen.

    11:45 Uhr, 27.10. 2018
  • Sadiqator
    Sadiqator

    Herr Schmale, Besten Dank für den Artikel

    Sie bringen es auf den Punkt durch die Fakten. Ein wenig verpackt :). Dafür gibts ja das Kommentarfeld.

    Die Fragestellung ist entscheidend: Wie schaffe ich ein Angebot? Wie steigere ich die Produktion? Wie erschaffe ich etwas REALES? In vielen Staaten (aber auch Privathaushalten) stellt man leider nicht mehr die Frage, wie erschaffe ich etwas sondern wie verteile ich so viel ohne mich zu fragen wie es wieder reinhole???????? (Diese Denke kommt aus einer bestimmten politischen Ecke)

    Leute, das ist der Weg in den Abgrund!!! Ob mit einem Menschen, einem Unternehmen oder einem ganzen Staat (passiert nicht gleich, dauert eine Zeit und geht langsam voran). Es ändert nicht den Furz an der Sache!!! Es ist die Einstellung zu diesem Thema!!! Ändert die Einstellung in den Köpfen, dann seht die ganze Sache anders aus.

    Es soll sich doch jeder Mal selbst dieselbe Frage stellen? Wenn ich eine Familie ernähren müsste, dann sollte ich ein gesundes Budget führen. Und wenn ich es nicht tue, dann werden die Folgen absehbar sein: Haus weg, Auto weg, Frau weg, Kinder weg (plus mehr zahlen wegen Alimenten, ausgenommen sind unvorhergesehene Ereignisse). Ich als Privatperson kann ja auch nicht mehr ausgeben als ich habe und für jedes Gut einen Kredit aufnehmen, oder etwa doch? Die Bank fragt doch auch bei Kreditaufnahme wie hoch mein Einkommen ist. Und ich bin der Meinung, dass ich mir den Weg zur Bank sparen kann, wenn ich die Frage einfach an mich selber stelle. Warum sollte das bei Staaten anders sein? Bestehen Staaten nicht aus Gesellschaften? Und eine Gesellschaft nicht aus Menschen? Mal bei sich selber anfangen.. der alte Klassiker! Stellen wir mal paar neue Fragen, Fragen die nach Vorne führen bitte :).

    Das ist ein Appell an den Menschen... weder an den Politiker oder Diskussionsliebhaber noch an den Ökonomen oder irgendeinen Oligarchen, Sportler oder wie sich sonst die Leute so betiteln. An den Menschen hinter den Titel-Fassaden.

    11:10 Uhr, 27.10. 2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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