Fundamentale Nachricht
16:48 Uhr, 30.06.2015

Mehr Markt statt mehr Regeln in Europa

  • Wie kann man verhindern, dass Krisen wie die mit Griechenland den Euro mit nach un­ten reißen?
  • Der Vorschlag der "fünf Präsidenten" zur Stärkung der Integration in Europa ist kein gangbarer Weg.
  • Kann man die Währungsunion durch mehr Markt und mehr Verantwortung bei den Mitgliedsländern stabilisieren?

Was mich in diesen Tagen des Chaos mit Griechenland umtreibt, ist nicht, wie man solche Krisen verhindert. Sie sind, wenn man die Politiker und die Verhältnisse in De­mokratien realistisch betrachtet, nicht zu vermeiden. Das gilt nicht nur für Europa. Die USA erleben derzeit ein "Mini-Griechenland" mit Puerto Rico. Sie hatten in den letzten Jahren Probleme mit Kalifornien und New York. Worauf es ankommt ist, dass das Kuddelmuddel ein­zelner Mitglieder nicht auf die gesamte Union über­schwappt und die gemeinsame Währung gefährdet. In Amerika gelingt das. Wie kann man das hier erreichen?

Viele sagen: Das geht gar nicht. Wer Ruhe haben will, muss den Euro abschaffen. Er ist eine Fehlkonstruktion. Europa besteht aus so vielen unterschiedlichen Staaten und mit so vielen unterschiedlichen Temperamenten der Politiker, dass es sich nicht für eine gemeinsame Wäh­rung eignet.

Wer so argumentiert, unterschätzt die Unterschiede in den USA. Er vergisst, dass es auch vor dem Euro Wäh­rungskrisen gab. Zahlenmäßig waren es sogar mehr als im Euro. Für Staaten wie Deutschland waren sie drama­tischer. Die D-Mark wertete sich damals auf. Die Bun­desbank musste mit Zigmilliarden auf den Devisenmärk­ten intervenieren. Der Export mit allen daran hängenden Arbeitsplätzen war gefährdet. Die Geldwertstabilität wur­de unterminiert. Der Euro wurde gerade deshalb einge­führt, um so etwas zu verhindern. Wer den Euro heute abschafft, treibt den Teufel mit dem Beelzebub aus. Nichts würde besser, vieles schlechter.

Was aber dann? Die "fünf Präsidenten" in Brüssel (die des Rats, der Kommission, der Eurogruppe, des Par­la­ments und der Europäischen Zentralbank) haben letzte Woche einen anderen Vorschlag vorgelegt. Europa braucht mehr Integration, so sagen sie, damit so etwas nicht mehr passiert. Die Mitglieder müssen noch stärker zusammengebunden werden. Keiner darf sich mehr Extravaganzen wie Athen leisten. Den Präsidenten schwebt eine Fiskal- und Bankenunion vor mit einem europäischen Finanzminister und einem europäischen Budget.

Das klingt plausibel. In der Vergangenheit hat keine Währung überlebt, hinter der nicht auch ein Staat stand, der die stabilitätspolitischen Regeln notfalls mit Zwang durchsetzen konnte. Alle freiwilligen Vereinbarungen wie beispielsweise die lateinische Währungsunion im 19. Jahrhundert sind gescheitert. Das Problem ist jedoch: Die Menschen heute wollen das nicht. Sie wünschen sich nicht mehr Integration in Europa, sondern weniger. Brüssel ist unpopulär. Das ist heute anders als zu Zeiten von Helmut Kohl und Theo Waigel, die noch offen für eine politische Union in Europa warben und dafür Ver­ständnis fanden.

Wenn das also nicht geht – es gibt auch noch ein ande­res Modell. Es ist genau das Umgekehrte von dem der fünf Präsidenten. Es lautet: Nicht mehr Regeln, sondern mehr Freiheit für die Mitglieder. Wer dem Euro angehört, trägt die gesamte Verantwortung für die Stabilitätspolitik selbst – einschließlich aller Konsequenzen, wenn er den Anforderungen nicht genügt. Nicht Brüssel entscheidet darüber, ob ein Land sich stabilitätskonform verhält, son­dern der Markt. Wer eine schlechte Politik macht, den bestraft der Markt, indem er entweder höhere Zinsen verlangt oder die Zugehörigkeit des Landes zur Wäh­rungsunion in Frage stellt, oder beides. So ein Zwang vom Markt kann schmerzhafter sein als jeder blaue Brief aus Brüssel. Vor allem gibt es keinen Buhmann, auf den man die Schuld abwälzen kann.

Manch einer sagt, dass das permanente Währungskri­sen vorprogrammiere. Denn die Märkte würden immer wieder nach Wackelkandidaten Ausschau halten und gegen sie spekulieren. Das ist möglich. Es wird aber nur dann der Fall sein, wenn die Staaten keine vernünftige Politik machen. Genau das muss aber verhindert wer­den. Das beste Beispiel, dass das geht, ist das Verhält­nis des Österreichischen Schillings zur D-Mark. Es war über mehr als zwei Jahrzehnte stabil und gab nie einen Anlass zu Spekulation (außer einmal für wenige Stun­den).

Um so ein Modell zu realisieren, müssen freilich einige Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens muss es eine Ausstiegsklausel aus dem Euro geben. Jeder kann die Währungsunion verlassen. Im Zweifel kann er auch ausgeschlossen werden, wenn er sich nicht so verhält, wie das eine Währungsunion erfordert. Sonst wirkt der Druck des Marktes nicht.

Zweitens muss es die Möglichkeit eines Staatsbankrotts geben. Nirgendwo steht geschrieben, dass ein Staat in einer Währungsunion nicht insolvent werden kann. In den USA sind mehrere Bundesstaaten in der Vergan­genheit zahlungsunfähig gewesen, ohne dass sie ge­zwungen wurden, aus dem Dollar auszusteigen. Was in einem solchen Fall allerdings nötig ist, sind strenge Re­gelungen für eine geordnete Insolvenz von Staaten. Sie muss anders vonstattengehen als eine Unternehmens­insolvenz, da die Staaten nicht von der Landkarte ver­schwinden, sondern auch bei Zahlungsunfähigkeit weiter existieren. Es muss genau festgelegt werden, wann ein Staat zahlungsunfähig ist und wer in einem solchen Fall und in welcher Reihenfolge von den Gläubigern in An­spruch genommen werden kann.

Drittens müssen die Bindungen zwischen den Staaten und den Banken gelockert werden. Es darf nicht passie­ren, dass mit den Staaten auch gleich die Banken plei­tegehen und damit das Zahlungssystem zusammen­bricht. Hier regelt sich freilich auch vieles wieder über den Markt. Wenn die Banken wissen, dass Staaten in­solvent werden können, sind Forderungen an den Staat nicht mehr risikolos. Banken werden sich also mit Kre­diten an öffentliche Stellen zurückhalten. Zudem dürfen Staatskredite nicht mehr durch günstigere Eigenkapital­regelungen bevorzugt werden.

Für den Anleger

Das ist kein Allheilmittel, um Krisen des Euros für alle Zukunft zu vermeiden. Es ist aber eine Richtung, wie man den Euro besser von den Problemen einzelner Mit­gliedsländer abschotten kann. Unmittelbare Konsequen­zen für die Anlagepolitik ergeben sich aus solchen theo­retischen Überlegungen natürlich nicht. Ich halte aber nach wie vor daran fest, dass es sich für Investoren in Zentraleuropa derzeit nicht lohnt, aus dem Euro zu flüchten.

Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.
Weitere Informationen über Assenagon und unsere Publikationen finden Sie auch auf www.assenagon.com.

Assenagon Asset Management S.A., Zweigniederlassung München, Prannerstraße 8, 80333 München, Deutschland


Rechtliche Hinweise

Dieses Dokument dient ausschließlich Informationszwecken und beinhaltet keine vertraglichen oder sonstigen Verpflichtungen. Es ist nicht als Angebot oder Verkauf einer Beteili­gung an einem von Assenagon verwalteten Fonds zu verstehen. Alle Informationen in dieser Darstellung beruhen auf sorgfältig ausgewählten Quellen, die für zuverlässig erachtet wurden, doch kann die Assenagon S.A., Luxemburg, die Assenagon Asset Management S.A., Luxemburg und ihre Zweigniederlassungen sowie die Assenagon Schweiz GmbH, Assenagon Client Service GmbH, München und die Assenagon GmbH, München (zusammen im Folgenden "Assenagon-Gruppe" genannt) deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Genauigkeit nicht garantieren.

Alle Meinungsaussagen geben nur die Einschätzung des Verfassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Assenagon-Gruppe entspricht. Empfehlungen und Prog­nosen stellen unver­bindliche Werturteile zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Darstellung dar. Diese können sich abhängig von wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Rahmen­bedingungen jederzeit ändern. Der Autor behält sich deshalb ausdrücklich vor, in der Darstellung geäußerte Meinungen jederzeit und ohne Vorankündigung zu ändern. Jedwede Haftung und Gewähr aus dieser Darstellung wird voll­ständig ausgeschlossen.

Die Informationen in dieser Darstellung wurden lediglich auf die Vereinbarkeit mit luxemburgischem und deutschem Recht geprüft. In einigen Rechtsordnungen ist die Verbreitung derartiger Infor­mationen u. U. gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. Die vorstehenden Informationen richten sich daher nicht an natürliche oder juristische Personen, deren Wohn- bzw. Geschäftssitz einer Rechts­ordnung unterliegt, die für die Verbreitung derartiger Informationen Beschränkungen vorsieht. Natürliche oder juristische Personen mit Wohn- oder Geschäftssitz in einer ausländischen Rechtsordnung sollten sich über derartige Einschränkungen informieren und sie entsprechend einhalten. Insbesondere richten sich die in dieser Darstellung enthaltenen Informationen nicht an Staatsbürger des Vereinigten Königreichs (ausgenommen Personen, die unter Ausnahmeregelungen nach der Financial Ser­vices and Markets Act 2000 (Financial Promotions) Order 2005 (die "Verordnung") fallen, wobei zu den relevanten Ausnahmeregelungen der Verordnung Artikel 49 der Verordnung (hochvermögende Unternehmen – High Net Worth Companies) zählt). Die Informa­tionen in diesem Dokument sind weiterhin nicht für Gebietsansässige der Vereinigten Staaten oder andere Personen bestimmt, die als "US-Personen" im Sinne von Rule 902 in Regulation S des U.S. Securities Act von 1933 in der jeweils geltenden Fassung gelten, und dieses Do­kument ist nicht als Angebot oder Verkauf einer Beteiligung an einem von Assenagon verwalteten Fonds an US-Personen zu verstehen. Keine US-amerikanische Wertpapierauf­sichtsbehörde oder sonstige Aufsichtsbehörde auf Bundes- oder bundesstaatlicher Ebene hat die Richtigkeit oder Angemessenheit dieser Präsentation oder sonstiger Informationen, die den Anlegern ausgehändigt oder zur Verfügung gestellt wurden, bestätigt. Jede gegenteilige Äußerung stellt einen Straftatbestand dar.

Diese Darstellung stellt weder ein öffentliches Angebot noch eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes zum Erwerb von Wertpapieren, Fondsanteilen oder Finanzinstrumenten dar. Eine Invest­mententscheidung bezüglich irgendwelcher Wertpapiere, Fondsanteile oder Finanzinstrumente sollte auf Grundlage einschlägiger Verkaufsdokumente (wie z. B. Prospekt und Wesentlichen Anleger­informationen, welche in deutscher Sprache am Sitz der Assenagon Asset Management S.A. oder unter www.assenagon.com erhältlich sind) erfolgen und auf keinen Fall auf der Grundlage dieser Darstellung.

Die in dieser Darstellung aufgeführten Inhalte können für bestimmte Investoren ungeeignet oder nicht anwendbar sein. Sie dienen daher lediglich der eigenverantwortlichen Informa­tion und können eine individuelle Beratung nicht ersetzen. Die Assenagon-Gruppe kann andere Publikationen veröffentlicht haben, die den in dieser Darstellung vorgestellten Infor­mationen widersprechen oder zu anderen Schlussfolgerungen gelangen. Diese Publikationen spiegeln dann andere Annahmen, Meinungen und Analysemethoden wider. Dargestellte Wertentwicklungen der Vergangenheit können nicht als Maßstab oder Garantie für eine zukünftige Wertentwicklung herangezogen werden. Eine zukünftige Wertentwicklung wird weder ausdrücklich noch implizit garantiert oder zugesagt.

Der Inhalt dieses Dokuments ist geschützt und darf ohne die vorherige schriftliche Genehmigung der Assenagon-Gruppe weder kopiert, veröffentlicht, übernommen oder für andere Zwecke in wel­cher Form auch immer verwendet werden.

© 2015

1 Kommentar

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • einfach
    einfach

    die fessel des risikoarmen kapitalertrages für banken und versicherungen nämlich staatsverschuldungen sollte komplett gelöst werden.

    die dadurch frei werdenden kapitalmengen könnten einen richtigen boom auslösen.

    da staatsanleihen bei einer währung die auf vertrauen basiert vom volk gedeckt sind, ist es doch nur logisch die staatsverschuldung über die notenbanken zu finanzieren, da die rückzahlungen vom volk durch steuereinnahmen geleistet werden.

    somit wäre die jahrzentealte fessel endlich gelöst und das vorhandene kapital könnte endlich in projekte investiert werden die eine rendite erwirtschaften können und nicht zinsen.

    17:17 Uhr, 30.06. 2015