Kommentar
14:12 Uhr, 29.10.2012

Marc Fabers Vortrag: "Ein kolossaler Kollaps"

Erwähnte Instrumente

  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Aktueller Kursstand:   (XETRA)
  • Gold
    ISIN: XC0009655157Kopiert
    Aktueller Kursstand:   (JFD Brokers)

„Immer wenn es in den vergangenen 20 oder 25 Jahren ein Problem gegeben hat, wurden die Probleme damit gelöst, dass das System mit Liquidität geflutet wurde“, beginnt Marc Faber seine Präsentation im ETC-Center unweit der St Paul’s Cathedral im Herzen der Londoner „City“, dem Finanzzentrum Englands. Dort fand die Commodities Week statt, eine Veranstaltung für institutionelle Investoren, die in Rohstoffen investieren. Ich habe die Veranstaltung, die am 23. Und 24. Oktober stattfand, besucht und bringe Ihnen hiermit eine Zusammenfassung der Präsentation von Marc Faber, des Autors des „Gloom, Boom & Doom“-Reports (www.gloomboomdoom.com).

Weil jedes Problem dadurch gelöst wurde, dass der Markt mit Liquidität geflutet wurde, fallen laut Faber weltweit die Zinsen immer weiter in den Keller. „Meiner Meinung nach war einer der schlimmsten Fehler der Federal Reserve LTCM im Jahr 1998 zu retten. Das sendete ein Signal an die Märkte, dass es kein Problem sei, immer nur noch mehr Schulden zu machen.“ Das habe der Markt auch getan und in Folge immer neue Spekulationsblasen erzeugt, etwa bei Technologieaktien. Da die Dot.Com-Blase platzte, sei die Federal Reserve dazu gezwungen gewesen, die Zinsen auf 1% zu senken und beließ sie dort bis Juni 2004, obwohl sich die Wirtschaft bereits im November 2001 begann, wieder zu erholen. „Das führte zu übermäßigen Verschuldungswachstum, was eine neue Spekulationsblase erzeugte“, kritisiert Faber.

Ein großer Fehler der Federal Reserve sei es, die Preise mit der Kerninflation zu beobachten. Die Kerninflation bereinigt die Preisentwicklung um die Bereiche Energie und Nahrung. „Darin ist nicht enthalten, was Sie essen, und was Sie trinken. Vielleicht müssen die Leute bei der Federal Reserve ja nichts essen oder trinken, aber wir müssen es, und es ist ein Fehler, das hier rauszulassen“, fährt Faber fort. Selbst John Maynard Keynes sei dafür gewesen, die Inflation nur nach Einrechnung von Nahrungsmitteln und Energie zu messen. Eigentlich sei die Inflation bei fünf bis zehn Prozent, warnt Faber: „Ich habe meine Leser gefragt: Melden Sie sich bitte, wenn Sie es geschafft haben, auf Jahresfrist ihre Kosten um weniger als 5% steigen zu lassen. Nach einer langen Zeit meldete sich ein Leser. Er sagte: Meine Frau hat mich verlassen, die Kosten sind schlagartig gefallen. Da antwortete ich: Ja, das mag sein, vergessen Sie aber nicht die Wiederbeschaffungskosten.“ Selbst Singapur, eine Regierung, die „einigermaßen ehrlich“ sei, melde eine Inflationsrate von fünf Prozent.

Die Ursache für diese Preissteigerungen sei Ben Bernanke und die Federal Reserve, denn sie wüssten nicht, wohin die Liquidität fließen wird, die sie erzeugt. „Das Problem mit der Inflation ist nicht, dass die Preise steigen, sondern dass sie sehr unregelmäßig, in unterschiedlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Intensitäten steigen. Wenn die Dollarnoten hier im Raum herunterfliegen würden, dann weiß die Federal Reserve nicht, was wir damit machen würden“, sagt Faber. Es könne Konsumgüterinflation erzeugt werden, wenn die Menschen damit Konsumgüter erzeugen, oder wahlweise treiben sie die Preise von Immobilien, Kunstgegenständen oder Rohstoffen nach oben. Insgesamt würden geldpolitische Interventionen der Zentralbanken aber die Ungleichgewichte bei der Wohlstandsverteilung in der Bevölkerung verstärken.

Das habe die Federal Reserve erst nach September 2007 bemerkt. Sie habe damals realisiert, dass das Problem nicht auf unterbesicherte Hypothekenpapiere begrenzt ist, sondern „dass der gesamte Finanzsektor unterbesichert ist“, in Folge habe die Fed dann den Leitzins auf null gesenkt, wo er heute noch sei. „Das führt erneut zu Fehlanpassungen und falschen Allokationen von Kapital. Es führt zu falschen Bewertungen, weil man bei Nullzinsen Probleme hat, überhaupt irgendetwas richtig zu bewerten“, sagt Faber.

Nun würden sogar negative Leitzinsen diskutiert. „Wenn Sie also bei der Citigroup 100.000 USD einzahlen, erhalten Sie am Ende des Jahres nur noch 95.000 USD zurück. Das sind negative Zinsen. Damit würden Menschen gezwungen, etwas mit dem Geld zu machen. Da sagte ein Leser zu mir, vielleicht wäre es sogar besser, mein Geld zu negativen Leitzinsen anzulegen, als es einem Fondsmanager zu geben, der 30% verliert. Es ist alles eine Frage der Perspektive“, sagt Faber.

Jedoch gäbe es derzeit keine negativen Leitzinsen, sehr wohl aber negative Realzinsen. Die Federal Reserve werde die Leitzinsen möglicherweise „für immer, mindestens aber für weitere fünf Jahre“ auf Null behalten. Dabei würden die Preise bereits steigen. Die Kosten für das Gesundheitssystem in den USA seien laut Faber etwa in den vergangenen zwölf Monaten um 15% gestiegen, Taxi fahren sei um 17% teurer geworden, die Mieten stiegen in den ganzen USA auf Jahresfrist um 9%, in San Francisco sogar um 15%. „Die negativen Realzinsen bedeuten, dass Barbestände in den nächsten zehn Jahren nicht sonderlich attraktiv sein werden. Sie sind also gezwungen, zu spekulieren, was zu sehr hoher Volatilität bei der wirtschaftlichen Entwicklung und auch bei der Kursentwicklung führen wird“, sagt Faber, der Milton Friedman zitiert, der sich für eine fixe Expansion der Geldmenge um zum Beispiel drei Prozent pro Jahr aussprach, anstatt das Geld dem Gutdünken der Zentralbanker zu überlassen.

Die westliche Welt sei überschuldet. Faber kritisiert, dass zu wenig darüber gesprochen werde, wozu die Schulden verwendet würden. Asien habe sich nach der Krise in den Jahren 1997/98 entschuldet, habe Sparprogramme verabschiedet, die teilweise dramatisch gewesen seien. In Hongkong seien die Preise damals um 70% gefallen. Anschließend habe sich die Wirtschaft in Asien aber umso stärker erholt. Der Westen habe auf die Krise aber mit noch mehr Schulden reagiert, und vor allem sei der unproduktive Regierungssektor noch größer geworden.

Es sei ein Unterschied, wenn man Geld leihe, um es produktiv anzulegen. Daraus würden Gewinne entstehen, aus denen man die Zinsen bezahlen und irgendwann auch den Kredit tilgen könne. Der Überschuss könne außerdem für neue Investitionen genutzt werden. Das schaffe Beschäftigung und Wirtschaftswachstum. „Wenn es aber so läuft wie in den vergangenen 20 bis 25 Jahren, wo die Schulden nach oben gehen, um den Konsum anzuheizen, bedeutet das, dass der Verbraucher heute etwas konsumieren kann, was er sich erst in der Zukunft gekauft hätte. Das verbessert den Konsum und führt eine Weile zu überdurchschnittlichem Wachstum oder stützt zumindest das Wachstum. Das Problem ist, dass der private Sektor in seiner Fähigkeit, Schulden aufnehmen zu können, begrenzt ist. An einem gewissen Punkt können sich Verbraucher nicht stärker verschulden und so wird es ab einem gewissen Punkt dazu kommen, dass die Wirtschaft mit einer geringeren Rate expandiert“, sagt Faber. Das sei die Situation heute in den westlichen Ländern.

Die Frage, ob Mitt Romney oder Barack Obama die Präsidentschaftswahl gewinne, ist Faber herzlich egal. „Beide werden Geld ausgaben, glauben Sie mir. Der eine für Kriegsspielzeug, der andere für Food Stamps.“ Wenn sich die Regierung sich zu Nullzinsen verschulden könne, sei das Schuldenmachen auch kein großes Problem. Die US-Regierung war im Jahr 1980 mit einer Billion USD verschuldet, 1999 waren es fünf Billionen USD und heute sind es 16 Billionen USD. „Die Verschuldung hat sich in zwölf Jahren quasi verdreifacht. Ich sehe keine fiskalische Klippe. Das ist ein fiskalischer, niemals endender Grand Canyon“, sagt Faber. Es sei praktisch unmöglich, das Defizit nachhaltig zu senken, weil die Ausgabenseite so hoch sei. Es werde vielmehr noch weiter zunehmen. Faber zitiert das Congressional Budget Office, das in den USA zuständig ist für die Prüfung und Schätzung der Ausgaben innerhalb eines Haushaltsjahrs der US-Regierung. Es rechnet laut Faber damit, dass die Zinszahlungen, die die US-Regierung in zehn Jahren zu leisten haben wird, höher ausfallen werden, als die Verteidigungsausgaben. Die Verteidigungsausgaben liegen bei 800 Milliarden USD pro Jahr.

Doch die Situation ist noch schlimmer, warnt Faber. In diesen Statistiken würden nämlich nirgens die Verbindlichkeiten ohne Rückstellungen für Ausgaben wie Sozialversicherung auftauchen. Faber zeigt auf einen Graphen, den der Projektor an die Wand wirft und der die dramatische Entwicklung der Gesamtverschuldung zeigt: „Wenn Sie in dieser Grafik diese Verbindlichkeiten addieren würden, dann müssten Sie bis auf das Dach dieses zehnstöckigen Gebäudes zeichnen.“ In Europa sei die Situation die gleiche, in einigen europäischen Ländern sei es sogar noch schlimmer.

Die fiskalische Klippe – automatisch in Kraft tretende Einsparprogramme im US-Haushalt – werde laut Faber kein Problem darstellen. Er rechnet damit, dass die Einsparmaßnahmen durch einen Kompromiss auf das Ende des Jahrzehnts verschoben werden und dass es schlussendlich dann gar keine Einsparungen geben werde. Da die Ausgaben steigen und die Steuereinnahmen sinken würden, seien keinerlei Einsparungen möglich. „Erzählen Sie mal den Verteranen der amerikanischen Armee, dass ihre Pensionen ab sofort um 50% gesenkt werden. Das ist wie Jean-Claude-Juncker, der gesagt hat: >Wir wissen alle, was wir zu tun haben, aber wir wissen nicht, wie wir wiedergewählt werden können, nachdem wir es getan haben“, sagt Faber. „Das ist das Problem der Demokratien. Die Länder, die in Asien das schnellste Wachstum haben, waren nicht-demokratische Staaten. Japan in den 70er und 80er Jahren hatte keine Demokratie. Korea und Taiwan waren Militärdiktaturen – Singapur ist im Grunde heute noch eine Diktatur – aber eine sehr gute. Ich kann Ihnen viele Beispiele geben für Gesellschaften, die sehr schnell gewachsen sind, die aber nicht demokratisch waren.“

An der Deflation sei per se nichts auszusetzen. Die Medien würden aber versuchen, daraus etwas schlechtes werden zu lassen. Über den Großteil des 19. Jahrhunderts hinweg habe es Deflation gegeben, und in dieser Zeit seien die Pro-Kopf-Einkommen der Menschen schneller gestiegen, als in der Zeit nach der Gründung der Federal Reserve im Jahr 1913.

Faber rechnet damit, dass China bald ein neues Konjunkturprogramm einrichten werde. Die Märkte würden sehr frühzeitig beginnen, dies zu antizpieren, aber schlussendlich helfe es herzlich wenig, bereits bestehenden Überkapazitäten noch zusätzliche hinzuzufügen, sagt Faber. „Ich denke, dass der Abschwung der chinesischen Wirtschaft schlimmer ist, als allgemein angenommen, und ich denke, dass das Wachstum von nun ab sinken wird, von 8-12% in den vergangenen Jahren auf fünf Prozent, vielleicht sogar maximal fünf Prozent.“ Die Ölnachfrage Chinas werde trotzdem weiter steigen, weil der Pro-Kopf-Verbrauch noch so niedrig sei. Weil die Amerikaner sich militärstrategisch in Südostasien einmischen würden, sei eine Eskalation der Spannungen dort schon vorprogrammiert, so Faber.

Geld erfülle wegen negativer Leitzinsen seine Funktion als Wertspeicher nicht mehr. Geld sei insgesamt nicht mehr sicher. „Wenn Sie sehr schlau sind, und ihre Kaufkraft erhalten wollen, dann können Sie ihr Geld aggressiv zwischen verschiedenen Märkten hin- und herbewegen. Ich bin nicht so schlau. Ich habe 25% in Immobilien, 25% in Anleihen, 25% in Aktien, 25% in Gold um 25% in Cash. Ich weiß, das geht nicht auf, aber ich habe jetzt die Bilanzierungsstandards der US-Regierung übernommen“, sagt Faber. Er setze auf Aktien, weil ich immer noch welche finde, die eine Rendite von sieben Prozent haben, und das sei im Vergleich zu US-Staatsanleihen, die nur mit einem Prozent rentieren, attraktiv. „In den USA haben 60% der Aktien eine höhere Rendite als die zehnjährigen Treasuries. Auf dieser Basis sind Aktien nicht besonders überbewertet“, sagt Faber, der sich besonders optimistisch für europäische Aktien ausspricht. „Die Aktienmärkte in Europa waren vor wenigen Monaten auf den Tiefs des Jahres 2009 angelangt. Das war ein wichtiges Tief.“ Die immer wieder entstehenden Spekulationsblasen würden irgendwann platzten. In Folge entstünden Crashs, wobei die Preise dabei den „natürlichen Wert“ unterschreiten. Das eröffne aktiven Anlegern attraktive Chancen, sagt Faber. So seien vor zwölf Monaten amerikanische Immobilien interessant gewesen, oder vor wenigen Monaten europäische Aktien. Bei den Rohstoffen ist Faber pessimistisch. „Ich glaube viele Rohstoffe außer Gold haben ihren Hochpunkt erreicht und werden fallen.“ Gold würde Faber aber kaufen, es aber nicht in den USA lagern. „Ich bin optimistischer, was Asien angeht. Wir hatten 1997/98 eine große Krise gehabt, wir reagierten mit Entschuldung und Sparmaßnahmen. Das führte dazu, dass wir danach eine starke Erholung hatten. Heute ist Asien sehr gut aufgestellt. In Europa und den USA wuchs nach der Krise die Verschuldung, und das liegt vor allem an dem unproduktiven Regierungssektor.“

Final, sagt Faber, werde es zu einem Zusammenbruch des Systems kommen, nur wann das sein wird, kann er nicht bestimmen: „Letzten Endes wird es zu einem kolossalen Kollaps des Systems kommen, und jeder wird sich glücklich schätzen, wenn er nur 50% verliert. Jede Inflation verwandelt sich am Ende in Deflation. Die Zeit zwischen heute und diesem Zeitpunkt ist aber unbekannt. Wird das geschehen, wenn der Dow bei 20.000, bei 100.000 oder bei einer Million passieren? Wenn man Geld druckt, kann man das eine lange Zeit durchhalten. Aber eines Tages wird es soweit sein. Wenn es geschieht, wird der Mittelstand und die Arbeiterklasse in die Verarmung abdriften und Länder müssen den Schuldigen finden, also ziehen sie in den Krieg. Mit diesen sehr optimistischen Anmerkungen bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.“

Autor: Jochen Stanzl, Rohstoffanalyst Limitup.de

Diskutieren Sie die Aussagen Marc Fabers in meinem Blog auf www.limitup.de!

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

Mehr über Jochen Stanzl
Mehr Experten