Lowflation in der Eurozone
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New York (GodmodeTrader.de) - Der Aufschwung im Euroraum ist zwar verhalten, kommt aber voran. Die Produktionslücke dürfte sich in diesem Jahr schließen und trotz expansiver Aktivitäten ist der Inflationsdruck nach wie vor gering. Entsprechend sind unsere inflations- und geldpolitischen Aussichten eher moderat, zumindest verglichen zum allgemeinen Konsens und der EZB, wie Andrew Wilson, CEO für EMEA und Co-Head des Global Fixed Income und Liquidity Management Teams bei Goldman Sachs Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.
Der wirtschaftliche Aufschwung im Euroraum kühle sich ab, nachdem das Wachstum im vergangenen Jahr noch auf dem höchsten Niveau seit der europäischen Staatsschuldenkrise gelegen habe. Die Arbeitslosigkeit sei um einen Prozentpunkt auf 8,6 Prozent gesunken, den niedrigsten Stand seit 2008. Zudem habe der Einkaufsmanagerindex (PMI) der Eurozone Ende letzten Jahres mit 60,6 ein Allzeithoch erreicht. Die Unternehmenstätigkeit habe die Inflation, die nach wie vor hinterherhinke, nicht ankurbeln können. Die jährliche Gesamt- und Kerninflation habe in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt bei nur 1,4 Prozent bzw. 1,2 Prozent gelegen, heißt es weiter.
„Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend zur Lowflation (‚Tief-Inflation‘) aufgrund von drei zyklischen und strukturellen Faktoren fortsetzen wird. Sie werden die EZB nur allmählich zu einer Normalisierung ihrer Politik veranlassen“, so Wilson. Der erste Punkt sei die anhaltende Flaute auf dem Arbeitsmarkt, heißt es weiter.
„Mehrere Indikatoren deuten auf einen schwächelnden Arbeitsmarkt hin. Arbeitslosigkeit und Arbeitszeiten liegen über bzw. unter dem Vorkrisenniveau. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in mehreren Peripherie-Ländern bei über 30 Prozent und der Anteil der Teilzeitbeschäftigten in der Eurozone bei über 22 Prozent. Aus Sicht der Arbeitgeber spricht das eher nicht dafür, dass die Löhne steigen. Eine gemäßigte wirtschaftliche Aktivität könnte zusammen mit der Währungsstärke des vergangenen Jahres die ohnehin schon schwache Lohn- und Preisinflation weiter begünstigen“, so Wilson.
Hinzu komme die steigende Arbeitsmigration. Selbst wenn die Arbeitslosigkeit sinke, seien Lohnzuwächse, die wiederum den Preisdruck durch mehr Inlandsnachfrage vergrößerten, kein Selbstläufer. Abgesehen von einem kurzen Zeitraum von fünf Monaten während der globalen Finanzkrise befinde sich beispielsweise die deutsche Arbeitslosenquote seit 2005 auf einem anhaltenden Abwärtstrend. Dies sei auf Arbeitsmigration aus Nachbarländern zurückzuführen, in denen die Löhne niedriger seien als in Deutschland. Indem Arbeitgeber Mitarbeiter aus diesen Ländern einstellten, könnten sie ihre Belegschaft und Produktion ausweiten, ohne die Löhne anzuheben. Die angestellten Arbeitnehmer akzeptierten moderate Lohnzuwächse zugunsten eines sicheren Arbeitsplatzes. Die demografische Entwicklung, die prinzipiell für Arbeitsmigration spreche, könnte diese Dynamik noch einige Zeit stützen, heißt es weiter.
Der dritte Punkt sei die technologische Disruption. „Der technologische Fortschritt macht sich nicht nur im Euroraum disinflationär bemerkbar. Da auch andere Märkte diesbezüglich hinterherhinken, könnten sich nach wie vor Auswirkungen auf die Inflation zeigen. So beträgt der e-Commerce-Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz in Italien nur 3,2 Prozent gegenüber neun Prozent in den USA und 19 Prozent im Vereinigten Königreich. Da immer mehr Transaktionen über das Internet abgewickelt werden und der e-Commerce-Sektor zulegt, wird dies die zugrunde liegende Inflationsdynamik branchenübergreifend verändern. Gleichzeitig dürfte die zunehmende Automatisierung die Löhne in bestimmten Sektoren unter Druck setzen“, so Wilson.
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