Kommentar
10:39 Uhr, 16.08.2012

Letzter Ausweg Aktienmarkt?

Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) liefert mit seinen jüngsten Umfragen zur Zahl der Aktionäre in Deutschland einen höchst erstaunlichen Wert: Die Zahl der Aktionäre und Besitzer von Aktienfonds in Deutschland soll im ersten Halbjahr um 1,5 Millionen auf 10,2 Millionen gestiegen sein. Das wäre der stärkste Anstieg seit den guten alten Zeiten des Neuen Marktes im Jahr 2000 und die höchste absolute Zahl an Aktiensparern seit 2007. Haben die Deutschen auf einmal ihre Liebe zu Aktien entdeckt? Flüchten sie aus Furcht vor Inflation in den Sachwert Aktie?

In meiner Tätigkeit als Börsenjournalist kann ich kaum Tendenzen erkennen, die diesen plötzlichen und massiven Aufwärtstrend stützen. Die Umsätze an den Börsen sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich rückläufig. Die Auflagen von Börsenmagazinen und ähnlichen Tippdiensten stagnieren bestenfalls. Selbst die Zugriffszahlen bei den wichtigsten Börsen-Webseiten liegen häufig unter den Werten des Vorjahrs. Und die Tatsache, dass der DAX seit Jahresanfang rund 1000 Punkte zugelegt hat, dürfte eher daran liegen, dass viele große internationale Investoren Deutschland als eine Art sicheren Hafen innerhalb Europas sehen, denn an einer Stampede der Kleinanleger.

Der vielleicht wichtigste Indikator, der gegen eine neu entfachte Aktieneuphorie in Deutschland spricht, kommt vom Fondsverband BVI. Im ersten Halbjahr, so heißt es dort, hätten Aktienfonds so stark verloren wie keine andere Anlageklasse. 5,2 Mrd. EUR haben die Anleger aus dieser Kategorie abgezogen. Dagegen haben Rentenfonds trotz der mickrigen Zinsen massiv an Volumen gewonnen. Selbst die kränkelnden offenen Immobilienfonds haben Mittelzuflüsse verzeichnet.

Wie also passt das angeblich so starke Wachstum der Aktionäre ins Bild? Vermutlich gar nicht. Selbst beim Deutschen Aktieninstitut wundert man sich über den starken Anstieg und zeigt sich ziemlich ratlos. Es könne ja sein, so heißt es beim DAI, dass Anleger vergessen (oder verdrängt?) hätten, dass sie noch ein paar Aktien oder Aktienfonds im Depot haben und sich nun im Zuge der Eurokrise wieder daran erinnern. Überzeugend klingt anders.

Obwohl das DAI versichert, keine Veränderungen bei der Art der Erhebung vorgenommen zu haben, spricht einiges dafür, dass es sich um einen statistischen Ausreißer handelt. Die mit viel Presse-Echo begleitete Wiederentdeckung der Aktie könnte sich bei der nächsten Erhebung in einem halben Jahr als Phantom erweisen. Einstweilen sieht es eher danach aus, als habe die Fluchtbewegung deutscher Anleger eine andere Zielrichtung als den Aktienmarkt. Sie geht eher in Immobilien in Top-Lagen deutscher Großstädte. In den gefragten Vierteln von Hamburg, München, Düsseldorf und Frankfurt gibt es tatsächlich mittlerweile Anzeichen einer Milchmädchen-Hausse. Aktien könnten als nächstes an der Reihe sein.

Über den Autor:

Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist aktiver Investor. Für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC berichtete er von der Frankfurter Börse. In seinem Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“ analysiert er die Schuldenkrise und liefert konkrete Ratschläge, wie man sich vor den entstehenden Risiken schützen kann. Sie erreichen Ihn unter www.wirtschaftliche-selbstverteidigung.de

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