Kommentar
12:17 Uhr, 12.11.2013

Leitzins in der Eurozone: Kursziel 0 ?

Mit ihrer jüngsten Zinssenkung schlägt die EZB einen gefährlichen Pfad ein. Das Fundament für eine neue Finanzkrise könnte gerade vor unseren Augen geschaffen werden.

Die Europäische Zentralbank versucht, die US-amerikanische Fed nachzuahmen, obwohl sie weder über deren umfassende Möglichkeiten noch über ein vergleichbares Mandat verfügt.

Während die Fed nämlich auch für die Unterstützung des Wirtschaftswachstums zuständig ist, sollte die EZB eigentlich im Wesentlichen nur die Wahrung der Geldwertstabilität im Auge haben.

Bei knapp 2% Inflation liegt die Wohlfühlzone der Notenbanker. Die letzten Zahlen wiesen 0,7% Preissteigerungsrate aus. Für Sie und mich ist das sicher kein Problem, ganz im Gegenteil. Aber Mario Draghi und seine Kollegen im EZB-Rat fabulieren gleich von Deflationsgefahren. Und so wird doch tatsächlich, trotz eines Rekordtiefs des Leitzinses bei 0,25%, sogar eine weitere Zinssenkung in Aussicht gestellt. Und weitere kreative Maßnahmen.

Ich frage Sie: was bitte ist das Problem mit 0,7% Inflation? Ist es so schlimm, wenn unser sauer verdientes Geld sich „nur“ mit knapp 1% im Jahr entwertet?

In Wirklichkeit ist das natürlich nur ein Vorwand, denn es geht darum, dass die EZB in vielfacher Weise manipulierend in den Markt eingreifen will. Da das Mandat sich aber nur auf die Geldwertstabilität bezieht, wird eben so getan, als sei diese bei 0,7% Inflation nicht gewährleistet. Da schüttelt nicht nur die einkaufende Hausfrau den Kopf, die sicherlich auch die Zahl 0,7% in Frage stellen wird.

In einigen Ländern der Eurozone sind die Preise tatsächlich auf dem Rückmarsch. Das ist ganz einfach Ausdruck eines Anpassungsprozesses. Die EZB hat weder die Pflicht noch das Recht, in diesen wirtschaftlich sinnvollen und gebotenen Ablauf einzugreifen.

Seit Mario Draghi das Ruder übernommen hat, ist die Mutation der Zentralbank zur wichtigsten europäischen Institution unübersehbar. Manch einer sagt, es sei sogar die einzige wirklich handlungsfähige und –willige Einrichtung. Sicher hat das entschlossene Handeln der EZB im Verlauf der Eurokrise dazu beigetragen, dass die Währungsunion 2011/12 nicht auseinandergeflogen ist. Aber inzwischen sind wir durch die extrem lasche Geldpolitik und die Aussicht auf weitere Lockerungen auf dem besten Weg, neue Blasen an den Kapitalmärkten entstehen zu lassen. Die Immobilienpreise in vielen Ländern steigen schon wieder massiv an, von den Aktienmärkten ganz zu schweigen. Geschichte wiederholt sich – aber nicht, weil wir prinzipiell aus der Geschichte nichts lernen. Sondern weil die wichtigsten Entscheidungsträger die Lehren aus der Geschichte schlicht ignorieren, da sie andere Interessen verfolgen.

Ihr

Daniel Kühn

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

Mehr über Daniel Kühn
  • Anlagestrategien
  • Fundamentalanlyse
  • Value Investing und Momentum-Ansatz
Mehr Experten