Länderbericht Brasilien: Die Kornkammer der Welt
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„Brasil“ ist der Name rotfarbenen Palisanderholzes des Jacaranda-Baums. Es war für viele Jahrhunderte das Hauptexportgut eines Landes, das heute nach ihm benannt ist. Der Freiburger Kartograph Martin Waldseemüller war es, der das Land im Jahr 1507 erstmals unter dem Namen „Brasil“ auf der Landkarte verzeichnete. Seither hat sich in der bewegten Geschichte Brasiliens vieles verändert. Heute gilt Brasilien als die Kornkammer der Welt, obwohl das Land immer wieder seine Monopolstellung bei Rohstoffen einbüßte, da Länder wie Afrika oder Asien den Markt eroberten. Der Kautschukboom, der von Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts ganze Landstriche am tropischen Amazonas in florierende Wirtschaftszentren verwandelte, endete schlagartig, als die asiatische Billigkonkurrenz auf den Markt drängte. Der Kakaobaum, der wie der Kautschukbaum einst nur in Brasilien beheimatet war, brachte Brasilien viele Jahrzehnte das Kakaomonopol ein. Heute besitzt Brasilien bei Kautschuk wie auch bei Kakao keine nennenswerten Marktanteile mehr. Von beiden Rohstoffen zog sich Brasilien zurück, als der Anbau in den 90er Jahren angesichts Dauertiefstpreisen nicht mehr rentabel war. Die brasilianischen Geschäftsleute fanden jedoch schnell neue Wege, sich bei neuen Rohstoffen zu etablieren. Heute bündelt Brasilien hohe Marktanteile bei Getreideprodukten wie Mais auf sich und ist der größte Produzent von Zuckerrohr, Kaffee, Ethanol, Soja, Eisenerz und dem Tropenholz Mahagoni. Mit Öl versorgt sich das Land selbst. Immer wieder glänzt der Agrarstaat dabei mit intelligenter Absatzpolitik. Die brasilianischen Zuckerproduzenten beispielsweise verkaufen ihre Produkte mal an die Nahrungsmittelindustrie und mal an die Ethanolproduzenten, je nach Stand der Preise. Das gleiche gilt für Soja, hier wird wahlweise an die Nahrungsmittelindustrie oder an Biodieselhersteller aus dem Ausland verkauft.
Energie und Politik eng verwoben
Energie und Politik sind in Lateinamerika eng verwoben. Die Petrobras, die staatseigene Gas- und Ölgesellschaft Brasiliens, versorgt Brasilien nicht nur mit genügend Öl, dass es auf Importe nicht mehr angewiesen ist. Petrobras ist ein Symbol, die Gesellschaft gilt als Zeichen nationaler Souveränität. Noch viel mehr als in anderen Ländern der Erde haben nationale Symbole in Lateinamerika eine hohe Bedeutung. Nationale Symbole und Nationalismus im Allgemeinen sind in Lateinamerika eine wichtige Klammer, um die heterogenen Klassengemeinschaften zusammenzuhalten. Je größer der Unterschied zwischen Arm und reich, umso größer ist auch der Zwang zu Ersatzhandlungen, um das Land zusammenzuhalten. Rohstoffe, vor allem Öl und Gas, sind solche Symbole. Auf einem Kontinent, der Jahrhunderte lang von Konquistadoren und Monarchen ausgebeutet und versklavt wurde, ist der Wunsch, die eigenen unermesslichen Naturschätze zum eigenen Wohl zu nutzen, besonders hoch. Der Wunsch nach Verstaatlichung und Abschottung gegen ausländische Konzerne ist in Lateinamerika daher immer wieder zu finden. Mexiko verstaatlichte seine Ölunternehmen im Jahr 1939 und fasste sie unter der Pemex zusammen, die heutige staatliche und einzige Ölgesellschaft des Landes. Die Verstaatlichung hat Vor- und Nachteile. Zu den Vorteilen zählt, dass sie einem Land innen- und außenpolitische Spielräume verschaffen. Die Einnahmen der Rohstoffverkäufe fließen nicht ausländischen Konzernen, sondern den staatlichen Ölkonzernen zu und finanzieren so den Staat. Es gibt aber auch entscheidende Nachteile.
Der Fluch der Rohstoffe und der brasilianische Unterschied
Eigentlich sollte man denken, dass die Länder Lateinamerikas bei ihren immensen Naturschätzen zu den reichsten Regionen der Erde zählen. Doch wie wir wissen, ist das nicht der Fall. Der gewonnene Wohlstand wird unter der Oberschicht aufgeteilt, für den Großteil der Bevölkerung bleibt nur wenig oder nichts. Wer die Macht über Ölfelder oder Minen besitzt, hat sein Land in der Hand. Das verleiht wenigen unermessliche Reichtümer, während der Rest der Bevölkerung leer ausgeht. Es gibt eigentlich nur zwei Länder, denen der Spagat zwischen gleichmäßiger Einkommensverteilung einerseits und Verstaatlichung andererseits gelungen ist:
Wirtschaftswunder Brasilien?
Heute ist Brasilien ein riesiger Binnenmarkt mit 179 Millionen Einwohnern, eine gefestigte Demokratie zumal, die auch unter dem linken Präsidenten Luiz Inácio »Lula« da Silva eine stabilitätsorientierte Haushaltspolitik betreibt. Die brasilianische Regierung wittert Morgenluft. Gerade vor wenigen Wochen war eine Delegation angeführt von US Präsident Bush im Land, um über Möglichkeiten der Zusammenarbeit bei der Ethanolherstellung und im Maisanbau zu sprechen. Die Amerikaner brauchen mehr Mais und die brasilianischen Anbauflächen. Brasilien könnte tatsächlich vor einem neuen Wirtschaftswunder stehen. Der Internationale Währungsfonds hat das brasilianische Pro-Kopf-Einkommen zuletzt auf einen Gegenwert von 4239 Euro geschätzt, das ist fast dreimal so viel wie in China und gut siebenmal so viel wie in Indien. Die Wirtschaftsstruktur sieht fortschrittlich aus: Schaut man in die Statistiken eines typischen Entwicklungslandes, dann sieht man vor allem Landwirtschaft und Rohstoffe und wenig eigene Wertschöpfung. In Brasilien erlebt der Rohstoffsektor angesichts einer kräftig angezogenen Exportnachfrage einen Boom, und trotzdem erwirtschaftet die verarbeitende Industrie 30% des Sozialprodukts und der Dienstleistungssektor stolze 64%.
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Chefredakteur Rohstoff-Report - Jochen Stanzl
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