Fundamentale Nachricht
16:55 Uhr, 27.09.2017

Kurs auf Jamaika

Das Weiterregieren dürfte sich der Deutschen Asset Management (Deutsche AM) für Merkel schwieriger gestalten als die Wiederwahl selbst. Für Anleger ändere sich wenig.

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Frankfurt (GodmodeTrader.de) – Anfang des Jahres haben wir davor gewarnt, einzelnen nationalen Wahlen zu viel Bedeutung im internationalen Kontext beizumessen. Die Bundestagswahl bestätigt diese Ansicht. Denn man kann das Votum der Wähler aus zwei sehr unterschiedlichen Perspektiven sehen, wie die Deutsche Asset Management (Deutsche AM) im aktuellen „CIO View Spezial zur Bundestagswahl“ schreibt.

Aus deutscher Sicht wirke die Wahl zunächst wie eine tektonische Verschiebung. Merkels CDU habe eine herbe Niederlage einstecken müssen; der Schwesterpartei CSU sei es sogar noch schlechter ergangen. Zusammen kämen die Unionsparteien nur noch auf 33 Prozent auf Bundesebene. Der bisherige Koalitionspartner SPD erreiche nicht einmal 21 Prozent. So schlecht habe sie zuletzt in der Endphase der Weimarer Republik 1932 abgeschnitten. Mit fast 13 Prozent ziehe die AfD überraschend stark in den Bundestag ein. Damit ist erstmals in der Nachkriegsgeschichte eine nationalpopulistische Partei im Bundestag vertreten, was den besorgten Ton vieler Kommentatoren erklären dürfte, heißt es weiter.

„Aus europäischer Perspektive könnte man das Ergebnis jedoch beinah als beruhigend werten. Der kombinierte Stimmenanteil der radikalen Parteien, Linke und AfD, beträgt nur etwas mehr als 20 Prozent. Dies ist deutlich weniger, als allein die rechtspopulistischen Parteien in Nachbarländern wie etwa Österreich, Schweiz oder Frankreich erzielen“, so die Deutsche AM.

Nach jetzigem Stand scheine eine Kanzlerschaft Merkels in einer Koalition der Unionsparteien mit der FDP und den Grünen als das wahrscheinlichste Szenario. Die Liberalen seien die zweiten großen Gewinner am Sonntag, sie hätten ihr Ergebnis auf fast elf Prozent verdoppelt. Die Koalitionsverhandlungen dürften sich hinziehen, und ihr Erfolg sei nicht garantiert. In Schleswig-Holstein sei eine solche Jamaika-Koalition auf Landesebene bereits seit Juni dieses Jahres im Amt. Auf Bundesebene stehe der Beweis noch aus, wie effizient solch eine Koalition regieren könne. Heißt es weiter.

„Dass eine Jamaika-Koalition als wahrscheinlichste Option gilt, hängt auch mit dem Verhalten der SPD zusammen. Kaum waren die ersten Prognosen veröffentlicht, erklärte der Parteivorsitzende und Spitzenkandidat der SPD, Martin Schulz, dass seine Partei für keine weitere Regierungsbeteiligung zur Verfügung stehe. Sollten die Sondierungsgespräche für Jamaika scheitern, bleibt abzuwarten, ob die SPD-Parteispitze sich an diese Vorgabe wird halten können. In den kommenden Tagen wird das Zustandekommen des Wahlergebnisses eingehend diskutiert werden, insbesondere die Stärke der AfD. Ihre Führungsspitze hat sich während des Wahlkampfs erneut so viele Provokationen erlaubt, dass sich selbst die Bundesvorsitzende Frauke Petry von Teilen ihrer Partei distanzierte. Dies führte am Montagmorgen sogar soweit, dass sie verkündete, der Bundestagsfraktion der AfD nicht angehören zu wollen“, so die Deutsche AM.

Schenke man den Wahltagsbefragungen Glauben, so spiegele das starke Abschneiden der AfD vor allem die Unzufriedenheit mit dem restlichen politischen System wider. Zu den wichtigsten Treibern zählten die Themen innere Sicherheit, Flüchtlinge und Terrorismus, mit welchen die AfD einen aggressiven Wahlkampf führte. Die europäische Integration habe dagegen eine untergeordnete Rolle gespielt, sowohl im Wahlkampf als auch in den Wahltagsbefragungen. Dies stehe in scharfem Kontrast zu den Bundestagswahlen von 2013, als die AfD in erster Linie als Euro-Gegnerin angetreten sei – und knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sei, heißt es weiter.

„Insgesamt halten wir radikale Kurswechsel weiter für unwahrscheinlich. Dieser Wahlausgang könnte es allerdings erschweren, den Weg hin zu einer Fiskalintegration im Euroraum so schnell zu gehen, wie es manch ein Markteilnehmer wohl erhofft haben dürfte. Dies könnte dem US-Dollar neuen Aufwind gegenüber dem Euro geben. Spekulationen über wachsende Unsicherheit könnten auch die Bundesanleihen etwas unterstützen. Für Aktien sollte dieses Wahlergebnis weitestgehend neutral sein“, so die Deutsche AM.

Langfristig falle Zweierlei auf. Einerseits werde sich Deutschlands beruhigend langweiliger Wahlkampf wohl auch in der künftigen Regierungspolitik widerspiegeln, der sich eher in Kontinuität als in radikalen Kurswechseln ausdrücken dürfte, heißt es weiter. „Andererseits zeigen die starken Ergebnisse von den Linken und der AfD in Ostdeutschland, wie nachhaltig die regionalen Unterschiede im Wahlverhalten auch ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung geblieben sind. Dieses Land über die kommende Legislaturperiode zu regieren, wird alles andere als langweilig werden“, so die Deutsche AM.

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1 Kommentar

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  • Zwei_Kerzer
    Zwei_Kerzer

    "....wird alles andere als langweilig werden“: Diese Quintessenz ist nicht sonderlich substanziell. Ich frage mich, ob man immer noch an der Oberfläche bleiben will - die österreichische Zeitung "Der Standard" hat es in ihrem Kommentar zum deutschen Wahlergebnis auf den Punkt gebracht: "Wer jetzt noch glaubt, er könne weitermachen wie bisher, dem ist nicht mehr zu helfen. Das gilt für alle Parteien." Aber vor allem doch für die eindeutigen Verlierer, oder? Wenn die deutsche AM auf eine "Kontinuität" setzt, dann haben diese Vermögensverwalter politische Prozesse nicht begriffen --> siehe aktuell das, was in der CSU gärt!

    17:23 Uhr, 27.09.2017

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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