Kommentar
16:30 Uhr, 29.06.2021

Kryptos werden Dollar und Euro nicht verdrängen

Seit längerem wird Kryptos zugetraut, zumindest auf lange Sicht Papiergeld zu verdrängen. Das ist unwahrscheinlich.

Einige Regulatoren und Notenbanken warnen immer wieder davor, dass Kryptos kein Geld sind und der Wert auf Null fallen kann. Genau das ist in einem Fall Mitte Juni geschehen. Das Ereignis zeigt auch ein größeres Problem auf und weshalb es auf absehbare Zeit unwahrscheinlich ist, dass Dollar oder Euro verdrängt werden. Dass Kryptos wie Bitcoin oder Dogecoin volatil sind, ist nichts Neues. Es gibt aber auch Stablecoins, deren Wert stabil sein soll. Das gelingt Stablecoins mehr oder weniger gut. Ein bisher recht stabiler Stablecoin ist USDC. Der Wert liegt bei einem Dollar und weicht selbst in Zeiten hoher Marktvolatilität von einem Dollar kaum ab. Einem anderen Stablecoin, Iron, ging es anders...

Iron ist nur zum Teil gedeckt. 75 % sind durch USDC gedeckt, 25 % durch Titan. USDC (Stablecoin von Coinbase) wiederum verspricht, dass es durch Dollar auf Bankkonten gedeckt ist. USDC wird zugetraut, dass man tatsächlich jederzeit seine USD Coins in Dollar wechseln kann.

Das Problem von Iron waren die übrigen 25 %. Titan gewann schnell an Wert und erreichte zeitweise einen Preis von mehr als 60 Dollar. Dann begann der Preis wie ein Stein zu fallen. Innerhalb eines Tages erreichte der Wert fast null. Hinter dem Komma nach der Null kommen noch weitere sieben Nullen. Titan ist wertlos. Die Prophezeiung, dass Kryptos wertlos werden können, ist eingetroffen.

Da Titan nichts mehr wert ist, konnte auch Iron nicht mehr einen Dollar wert sein. Was bleibt, sind die 75 %, die durch USDC besichert sind. Theoretisch sollte Irons Wert also bei 0,75 Dollar stehen. Derzeit weicht der Preis davon immer wieder erheblich ab.

Iron ist nicht der einzige Stablecoin, dem es schwerfällt, seinen Wert bei einem Dollar zu halten. Terra ging es Ende 2020 ähnlich. Der Kurs hat sich aber wieder stabilisiert (Grafik 2). Die Probleme, einen stabilen Kurs zu halten, zeigen tieferliegende Probleme.


Stablecoins sind auf die eine oder andere Art gedeckt, sei es durch Dollar auf einem Konto oder andere Versprechen. Die Stablecoins haben selbst keinen Wert. Der Wert bemisst sich an der zugrundeliegenden Deckung, in den meisten Fällen Dollar. Man fragt sich, weshalb es Stablecoins überhaupt braucht, wenn sie einfach nur den Dollar widerspiegeln.

Zugegeben, solange es keinen digitalen Dollar gibt, haben Stablecoins ihre Berechtigung. Selbst wenn ein digitaler Dollar kommt, können Stablecoins attraktiv sein, wenn sie weniger Transparent als Banküberweisungen sind. Das ändert jedoch nichts daran, dass Stablecoins derzeit und wohl auch zukünftig einfach nur traditionelle Papierwährungen abbilden.

Die Emittenten dieser Stablecoins halten im Hintergrund Dollar bzw. kurzfristige Dollaranlagen. Sie funktionieren damit ähnlich wie Geldmarktfonds. Geldmarktfonds sind praktisch Cash und werfen eine kleine Rendite ab. Geldmarktfonds erhalten Geld von Anlegern und investieren es z.B. in Commercial Paper (Schuldverschreibungen von Unternehmen mit sehr kurzer Laufzeit).


Diese Fonds gelten als sehr sicher. 2008 fand das ein Ende. Es fanden nicht nur Bank Runs, sondern auch Geldmarktfonds Runs statt. Der stabile Wert von einem Dollar wurde bei einigen Fonds gerissen. Es folgte Panik.

Bank Runs können auch bei Stablecoins vorkommen. Das hat Iron gezeigt. Die Transparenz ist bei Stablecoins jedoch meist deutlich geringer als bei Geldmarktfonds. Man weiß nicht, ob wirklich alles durch Dollar gedeckt ist. Kommt es erst zu einem Bank Run auf Stablecoins (oder einer beliebigen anderen Anlageklasse), hilft alles nichts. Hohe Verluste sind vorprogrammiert.

Hält man hingegen Dollar, gibt es am Ende der Kette wenigstens die Notenbank. Diesen Backstop gibt es bei Stablecoins nicht. Ein Bank Run auf jeden beliebigen Stablecoin ist nur eine Frage der Zeit.

In Sachen Sicherheit im Sinne der Stabilität können Stablecoins Papiergeld nicht das Wasser reichen. Echte Kryptowährungen können es noch weniger, angefangen bei der Stabilität bis hin zur Geschwindigkeit oder den Transaktionskosten. Es sind sehr viele Probleme aus dem Weg zu räumen, bis eine Kryptowährung tatsächlich die Funktion einer Papierwährung übernehmen kann. Mit immer näher kommendem digitalen Zentralbankgeld, wird der Durchbruch möglicherweise nie kommen.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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