Kommentar
08:25 Uhr, 12.01.2016

Krisenherd Saudi-Arabien: Wie lange noch?

Saudi-Arabien geht es schlecht. Das ist bekannt, doch wie schlecht es dem Land wirklich geht, können die wenigsten richtig einschätzen. Selbst der Internationale Währungsfonds scheint die Lage nicht zu begreifen.

Alle Welt schaut gebannt auf die Entwicklung in China. Das ist gut und richtig, denn China ist immerhin die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Wenn Chinas Wirtschaft Probleme hat, dann merkt das die ganze Welt. Nicht viel anders verhält es sich mit Saudi-Arabien, nur realisiert es kaum jemand.

Wenn es um China geht, dann ist vor allem eine Sache von Bedeutung: die Währung. Die Währung bereitet den Chinesen und der ganzen Welt Kopfzerbrechen. Für Saudi-Arabien gilt genau das gleiche, denn scheitert die Währung, dann scheitert vermutlich das ganze Land.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht bisher kein Problem. Saudi-Arabien hat hohe Währungsreserven. Diese beliefen sich nach den aktuellsten Daten auf 635 Mrd. USD. Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Reserven und deren Zusammensetzung. Kurz bevor der Ölpreisverfall begann erreichten die Reserven ein Rekordhoch von 745 Mrd. Seitdem geht es bergab.

Im November 2015 erreichten die Reserven den tiefsten Stand seit 2012 mit einer Gesamtsumme von 635 Mrd. Das ist immer noch viel, zeigt aber, wie schnell Reserven aufgebraucht werden können. Bei dem derzeitigen Bedarf von 100 Mrd. pro Jahr sind die Reserven bis Ende des Jahrzehnts fast verschwunden.

Die Nutzung der Reserven ist teuer. Saudi-Arabien hatte lange Zeit über 70 % seiner Reserven in Wertpapieren angelegt. Diese Bestände müssen nun nach und nach aufgelöst werden. Die genaue Zusammensetzung der Wertpapiere kennt niemand, wobei ein erheblicher Teil in US Staatsanleihen stecken dürfte. Die US Notenbank weist Saudi-Arabien nicht explizit aus. Sie zeigt lediglich eine Gesamtsumme von 291 Mrd. für eine Gruppe von Ölexporteuren. Dazu gehören neben Saudi-Arabien die Emirate, Algerien, Gabon, Libyen, Ecuador, Venezuela, Indonesien, Bahrain, Iran, Irak, Oman und Katar. Die Hälfte der US Anlagen könnten auf Saudi-Arabien entfallen.

Der Rest steckt in Anleihen anderer Länder und Aktien. Vor allem Aktien scheint die SAMA (Saudi-Arabia Monetary Authority) derzeit zu verkaufen. Der Ausstiegszeitpunkt ist sicherlich nicht schlecht gewählt. Aktien sind in den vergangenen Jahren gut gelaufen, doch viele Wertpapiere wurden erst in den Jahren 2011 bis 2014 erworben. Inzwischen dürften teilweise Verluste mit den Verkäufen eingefahren werden.

Saudi-Arabien hat derzeit keine andere Wahl als Wertpapiere zu verkaufen, denn es braucht liquide Mittel, um die Währung zu stützen. Diese ist an den Dollar gekoppelt. Diese Kopplung existiert im Prinzip seit Einführung der Währung 1952. Grafik 2 zeigt den Dollar/Riyal Wechselkurs. Offiziell wurde die Kopplung erst vor gut einem Jahrzehnt. Zuvor wurde die Bindung nie offiziell kommuniziert. Wer den Chart betrachtet brauchte für die Bestätigung einer Anbindung jedoch kein offizielles Statement.


Saudi-Arabiens modernes Geldsystem: eine Falle

Das moderne Papiergeld wurde eingeführt, da das bis dahin gültige Geld – aus Silber und Goldmünzen bestehend – „unpraktisch“ wurde. Die Verbindung zum Gold ist trotz der Umstellung auf Papiergeld nicht ganz verloren gegangen. Laut Währungsgesetz entspricht ein Riyal 0,197482 Gramm Feingold. Derzeit entspricht diese Menge einem Gegenwert von ungefähr 7 Dollar. Der Riyal ist somit drastisch unterbewertet, wenn es nach dem Gesetzt geht.

An die Umrechnung, wie sie im Gesetzt steht, scheint kaum jemand zu glauben. Die Goldreserven belaufen sich auf lediglich 11 Mrd. Dollar. Die Geldmenge M0 (Noten und Münzen im Umlauf) beträgt knapp 80 Mrd. Dollar. Je nachdem, wie weit man die Geldmenge fasst, ist die Unterdeckung noch erheblicher. Die Geldmenge M1 beträgt 320 Mrd., die Geldmenge M2 430 Mrd. und M3 480 Mrd. USD.

Saudi-Arabien muss durch diese Unterdeckung sein eigenes Gesetz, erlassen durch königliches Dekret, nicht unbedingt brechen. Artikel 6 des Geldgesetzes spezifiziert die Deckung durch Gold. Dabei muss die Geldmenge nicht notwendigerweise durch physisches Gold gedeckt sein. Es ist ausreichend, wenn das Land Währungsreserven besitzt, mit denen es ausreichend Gold kaufen könnte, um der Deckung gerecht zu werden.

Obwohl nicht 100 % des Geldes durch physisches Gold gedeckt sein muss, muss das Land in der Lage sein den Riyal in andere Währung zu tauschen, die dem vorgegebenen Kurs (in Gramm Gold) entspricht. Keiner weiß, welche Geldmenge Saudi-Arabien wirklich decken muss. Man kann nur mit Sicherheit sagen, dass es mehr als 80 Mrd. (Menge der Banknoten und Münzen im Umlauf) sein werden. Man kann ja dem Urgroßvater im Ernstfall schlecht sagen, dass er das Geld auf dem Sparbuch nicht bekommen kann.

Durch das Gesetz ist Saudi-Arabien in einer prekären Lage. Die Währung muss zu 100 % mit Reserven unterlegt sein. Geht man nun von der großzügigsten Definition aus, dann muss das Land 480 Mrd. an Reserven vorhalten. Andernfalls verletzt der Staat sein eigenes Geldgesetz. Mit Reserven von 635 Mrd. ist Saudi-Arabien nur noch 155 Mrd. von dieser Grenze, ab der eine Unterdeckung eintritt, entfernt. So schnell, wie das Land Reserven verbraucht, sind es nur noch 12 bis 15 Monate, bis eine Unterdeckung beginnt. Wenn der IWF also sagt, dass die Reserven des Königreichs noch viele Jahre lang halten, dann darf man das bezweifeln.

In Saudi-Arabien sind Riyal und Dollar praktisch die gleiche Währung. Wer ein Konto eröffnet, kann es entweder in Riyal oder in Dollar eröffnen. Die beiden Währungen sind komplett austauschbar. Es ist fast so, als ob das Königreich keine eigene Währung hätte. Das ist ein großes Problem, denn durch diese enge Verflechtung kann der König nicht einfach das Gesetz ändern.

Ändert der König das Gesetz, dann dürfte eine große Kapitalflucht beginnen. Die Panik wäre umgehend da. Bürger würden sofort zur Bank rennen und sich ihr Geld in Dollar auszahlen lassen. Ein Bank Run ist nicht zu vermeiden. Das Gesetz kann also nicht geändert werden, zumindest nicht, wenn man keinen Volksaufstand verursachen möchte. Theoretisch könnte die Regierung einfach Kapitalverkehrskontrollen und eine begrenzte Dollarausgabe veranlassen. Doch nur, weil sich das Gesetz rein technisch ändern lässt, bedeutet das nicht, dass man es gesellschaftlich durchsetzen kann.

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3 Kommentare

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  • tschak
    tschak

    Saudi Arabien kann innerhalb der nächsten 6 Monate entscheiden, ob sie die Öl-Förderung drosseln oder gleich hoch halten. Dies hat implizit und explizit logischerweise auf das besagte "Gesetz und logische Konsequenzen". Eine intelligente Politik wird möglichem "totalen Chaos" zuvorkommen....

    13:15 Uhr, 16.03. 2016
  • Mattko
    Mattko

    ...dem kann ich nur zustimmen!

    Dann siehts ja bei den Saudi´s doch net soo rosig aus, wobei sie bestimmt noch Mittel und Wege finden werden, um die Probleme zu verschieben/vertuschen.

    Und so lange die westl. Notenbanken alles aufkaufen kann kein Druck auf die Börse entstehen; da können die Araber noch so viel Positionen auflösen. Oder vielleicht doch?

    11:52 Uhr, 12.01. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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