Fundamentale Nachricht
13:00 Uhr, 18.07.2019

Kreditmärkte im Spannungsfeld

Das Verhalten in späten Kreditzyklen erfordert nach Meinung von Michael McEachern, Head of Public Markets bei Muzinich & Co, eine stärkere Konzentration auf die Fundamentaldaten.

New York (GodmodeTrader.de) - Die Kreditmärkte befinden sich derzeit in einem Spannungsfeld zweier gegensätzlicher Kräfte. Anzeichen einer globalen Konjunkturabschwächung im zweiten Quartal sind insbesondere an bislang relativ isolierten Standorten oder Sektoren stärker zu spüren, wie Michael McEachern, Head of Public Markets bei Muzinich & Co, in einem Marktkommentar schreibt.

„In den USA erwarten wir ein bescheideneres Wirtschaftswachstum als im ersten Quartal. Die Daten für den Dienstleistungssektor (PMI) blieben im Mai hinter den Erwartungen zurück und näherten sich den niedrigen Werten des verarbeitenden Gewerbes an. Auch die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Lohnwachstum verlangsamten sich deutlich“, so McEachern.

Andererseits übermittelten die Zentralbanken eine zurückhaltende Botschaft, die darauf hinweise, dass sie auf Anzeichen einer weiteren Verschlechterung reagieren würden. Der Markt rechne derzeit mit Senkungen des Zinssatzes (Federal Funds Rate) um fast 100 Basispunkte in den kommenden zwölf Monaten. Die Fed habe diesen Erwartungen nichts entgegengestellt und damit den Bullenmarkt für Staatsanleihen untermauert, heißt es weiter.

„In der Zwischenzeit hat der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, eine Verlängerung seinen Prognosen zu möglichen Zinserhöhungen (Forward Guidance) bis Mitte 2020 angekündigt. Damit hat er die Tür für mehrere mögliche Maßnahmen offengelassen, die die EZB bei Bedarf ergreifen könnte – einschließlich der Wiederaufnahme des Anleihen-Kaufprogramms, das Anfang dieses Jahres unterbrochen wurde“, so McEachern.

Das makroökonomische Umfeld befinde sich in einer späten Phase des Kreditzyklus und sei unsicher. Dies lasse den Anlegern wenig Spielraum für Nachlässigkeit bei Unternehmen mit Bilanzvolatilität. Die Tail-Risiken seien nach wie vor hoch. In dieser Situation sollten insbesondere Unternehmen mit Investment Grade-Ratings, die den Verschuldungsgrad in den letzten Jahren deutlich gesteigert hätten, künftig konservativer vorgehen, heißt es weiter.

„Dieser Ansatz sollte die anhaltende Unterstützung durch die Investoren sicherstellen und ambitioniertere Bewertungen rechtfertigen. Wir haben keinen Zweifel daran, dass es viele Hebel gibt, um das Vertrauen der Anleger zu wahren. In so unsicheren Zeiten werden die Märkte aber wahrscheinlich jede Abweichung von Plänen zum Schuldenabbau hinterfragen“, so McEachern.

Aus technischer Sicht seien die Kreditmärkte nicht mehr unterversorgt. Die Bruttoemissionen seien in den letzten Wochen gestiegen und lägen nicht mehr unter dem Vorjahresniveau. Die Mittelzuflüsse in die Kreditmärkte seien im vergangenen Monat teilweise gestoppt worden. Und obwohl es inzwischen wieder Zuflüsse gebe, zeige sich, wie empfindlich die Nachfrage auf konjunkturelle Volatilität reagiere, heißt es weiter.

„Unseres Erachtens erreichten die Bewertungen im Mai ein attraktives Niveau, das viele Anleger zum Einstieg nutzten. Im Zuge dessen investierten sie einen Teil ihrer Cash-Positionen, die während des Ausverkaufs Ende 2018 aufgelaufenen waren. Die Streuung auf den Kreditmärkten ist jedoch nach wie vor spürbar und zeigt, wie selektiv Anleger beim Kauf niedrigerer Bewertungen vorgehen. Dies unterstreicht die Bedeutung der Auswahl einzelner Titel“, so McEachern.

Die Rally Anfang Juni hebe die Notwendigkeit hervor, Portfolios so zu investieren, dass Risikoprämien vereinnahmt und mögliche Kursanstiege nach Marktrücksetzern mitgenommen werden könnten. Gleichzeitig sollten Portfolios jedoch weiterhin Emittenten mit soliden Cashflows und robusten Bilanzen bevorzugen, die vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen in volatilen Zeiten einen gewissen Schutz bieten dürften, heißt es weiter.

„Dies ermutigt uns, Kreditengagements mit einer gewissen Vorsicht zwischen Investment rade- und Hochzinssegment auszubalancieren und gleichzeitig die Zinsduration durch hochwertige Kredite und liquide Instrumente aktiv zu steuern“, so McEachern.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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