Kommentar
14:00 Uhr, 20.11.2007

Korrelationen wieder in den Schlagzeilen

Kann die Streuung auf möglichst viele verschiedene Investments die Anlagerisiken reduzieren? Während der Kreditkrise im vergangenen Sommer stieß dieser Ansatz an seine Grenzen. Doch wie haben sich die Korrelationen zwischen unterschiedlichen Anlageklassen langfristig entwickelt? Und welche Schlüsse können Anleger daraus ziehen?

In den Sommermonaten herrschte Ausverkaufsstimmung an den Finanzmärkten. So mancher Marktakteur sprach vom absoluten Ausnahmezustand. Darunter David Viniar, Finanzvorstand von Goldman Sachs, der die dramatischen Kursverluste eines hauseigenen Hedgefonds in der Sprache der Statistik so kommentierte: „Wir sehen hier Ereignisse, die eigentlich nur einmal alle 100.000 Jahre vorkommen sollten, und das gleich mehrere Tage hintereinander.“ Mit „Ereignis“ meinte er das Hochschnellen der Korrelationen zwischen den Anlageklassen, das am Höhepunkt der Kreditkrise zu beobachten war. Kursverluste wohin man auch schaute - selbst vermeintlich breit gestreute Anleger hatten damals das Nachsehen. Die Lehrbuchmeinung, dass Investoren durch die Kombination möglichst gering korrelierter Assetklassen ihr Anlagerisiko senken können, schien hinfällig.

Korrelation in der Theorie

Die so genannte Korrelation beschreibt das Wechselspiel zwischen zwei Anlagen. Je geringer der Gleichlauf zwischen zwei Investments, desto geringer die Korrelation. Eine negative Korrelation bedeutet, dass der Kursverlust einer Anlage mit einem Kursanstieg der anderen Anlage einhergeht. Liegt die Korrelation bei 1, so wird der Kursverlust oder -gewinn eines Investments komplett von dem anderen Investment nachvollzogen. Sobald die Korrelation unter 1 liegt, kann man das Risiko senken, indem man beide Anlagen kombiniert. Eine Korrelation von 0 zwischen zwei Anlageklassen bedeutet, dass diese sich völlig unabhängig voneinander entwickeln – der Idealfall im Sinne der Risikoreduzierung.

Korrelation in der Praxis

Die Korrelationen liegen für die meisten Anlageklassen in einem Bereich zwischen leicht negativ und nahe bei 1. Auf der Morningstar Investment Konferenz 2007 zeigte Peng Chen, Chefresearcher von Ibbotson Associates, wie sich die Korrelationen an den Finanzmärkten im Zeitraum von 1970-2007 entwickelt haben.

Zwischen verschiedenen regionalen Aktienmärkten bewegte sich die Korrelation im langfristigen Durchschnitt bei etwa 0,5, so z.B. zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Aktienmarkt (rollierende Korrelation über 60 Monate). Betrachtet man nur die letzten 10 Jahre, lag sie allerdings deutlich darüber. Die Vorteile durch regionale Streuung gingen zurück. Einiges spricht dafür, dass dies so bleiben wird, insbesondere die zunehmende Verflechtung zwischen verschiedenen Regionen/Ländern und ihren Kapitalmärkten.

Ein anderes Bild ergibt sich beim Vergleich zwischen Aktien und Anleihen. Hier war der der Gleichlauf im vergangenen Jahrzehnt rückläufig. Im gesamten Beobachtungszeitraum war die Korrelation leicht positiv. Über die letzten 10 Jahre waren Aktien und Anleihen jedoch sogar leicht negativ korreliert. Die Korrelation könnte zwar wieder leicht steigen, doch insgesamt bleibt festzuhalten: Anleihen ermöglichen im Zusammenspiel mit Aktien mehr Risikobegrenzung als wenn nur Aktien alleine betrachtet werden.

Korrelationen steigen unter extremen Marktbedingungen

Der Blick auf verschiedene Marktphasen zeigt zudem, dass Korrelationen in starken Korrekturbewegungen tendenziell zunehmen. D.h. gerade dann, wenn man die Risikoreduzierung am dringendsten bräuchte, hilft eine breite Vermögensstreuung kaum. Woran kann dies liegen? Als ein Grund gilt der zunehmende Einsatz von Derivaten, gekoppelt mit deren Hebelwirkung und den Schwierigkeiten bei ihrer Bewertung. Auch die Verbreitung von automatischen Handelssystemen dürfte zu mehr Herdenverhalten und damit einem stärkeren Gleichlauf der Assetklassen beigetragen haben. Letztendlich bewirken Liquiditätsengpässe auf den Märkten steigende Korrelationen.

Kein Wunder, dass Investoren daher nach Anlagen suchen, die sich möglichst unabhängig vom Aktienmarkt entwickeln. Als typische Kandidaten gelten Hedgefonds, Rohstoffe oder (börsennotierte) Immobilieninvestments.

Eine Ibbotson-Studie kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass Hedgefonds in der Vergangenheit etwa 50% ihrer Renditen aus dem Aktienmarkt gezogen haben (Betrachtungszeitraum 1995-2006). Vor diesem Hintergrund überrascht es wiederum nicht, dass sie relativ stark mit Aktien korrelieren und nur begrenzte Diversifizierungsvorteile aufweisen. Dies war bei Immobilienaktien ebenfalls zu beobachten – was sich natürlich auch aus deren Börsennotierung ergibt. Bessere Streuungsmöglichkeiten boten Rohstoffe (Direktinvestments, nicht über Rohstoffaktien).

Fazit

Welche Schlussfolgerungen können Anleger daraus für die Zusammenstellung ihres Depots ziehen? Wie können sie die Korrelationsfalle in Korrekturphasen umgehen? Im Grunde genommen sind die Ausweichmöglichkeiten beschränkt. Allerdings sollte man bedenken, dass krisenhafte Marktphasen in der Regel zeitlich begrenzt sind. Daher bleibt eine langfristig orientierte, disziplinierte Anlagestrategie weiterhin Trumpf. Im Vermögensmix sollten zur besseren Risikostreuung Anleihen und Rohstoffe nicht fehlen – das zumindest lehrt die historische Erfahrung.

Autorin: Natalia Wolfstetter, Fondsanalystin bei Morningstar Deutschland

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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