Kommentar
10:06 Uhr, 16.07.2021

Konjunkturhilfen: Es geht auch zu viel!

Über das gerade laufende geldpolitische Experiment wird viel diskutiert, über das zweite historische Experiment überhaupt nicht.

Das eine Experiment lässt sich von dem zweiten nicht vollkommen trennen. Das erste, das gelpolitische Experiment, verläuft ähnlich wie nach der Finanzkrise. Notenbanken fluten den Markt mit Geld. Sie kaufen alle Staatsanleihen, die Banken und Investoren nicht verstecken konnten. Je nach Region kaufen die Notenbanken sämtliche neuen Staatsschulden auf, die im Zuge der Coronakrise ausgegeben wurden. Darin besteht der Zusammenhang zum zweiten Experiment, dem fiskalischen. Notenbanken kaufen nicht nur einfach Staatsschulden, sie kaufen sie explizit, um die Krisenmaßnahmen zu finanzieren. Das hat etwas ermöglicht, das nach der Finanzkrise nicht möglich war. In den USA erreichen die Konjunkturhilfen ein Viertel der Wirtschaftsleistung. Das sind mehr als 5 Billionen Dollar. Die USA sind damit Spitzenreiter, aber auch andere Länder müssen sich nicht verstecken. In Japan wurden direkte Hilfen (Mehrausgaben) im Umfang von 15 % der Wirtschaftsleistung beschlossen. In Italien waren es immerhin noch knapp 8 %.

In Nordamerika, Europa, Australien und Neuseeland wurden Konjunkturpakete in der Höhe von durchschnittlich 14 % der Wirtschaftsleistung aufgelegt. Während der Finanzkrise erreichten die meisten Länder nicht einmal ein Drittel davon. Zusätzlich legten Regierungen große Kredit- und Garantieprogramme auf. Für viele Unternehmen war das ein wichtiger Rettungsanker. Wie viele dieser Kredite ausfallen, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.

Notenbanken und Staat haben nach einem Motto gehandelt: lieber zu viel als zu wenig. Das führt in vielen Ländern dazu, dass Haushalte mehr als sonst üblich sparen können. Zum Teil sparen sie mehr als vor der Krise, weil sie mehr Geld erhalten. Zum Teil wurde gespart, weil einfach nicht konsumiert werden konnte. Teile der Wirtschaft waren immer wieder geschlossen. Es blieb nichts anderes übrig, als zu sparen.

Der Sparüberschuss ist enorm. Der Sparüberschuss wird bestimmt, indem die Sparquoten vor der Krise mit denen während der Krise verglichen wird. Die Differenz ist der Überschuss. Dieser erreicht in den USA bereits 13 % der Wirtschaftsleistung. Auch in Großbritannien und Australien sind es zweistellige Prozentsätze (siehe Grafik).


Der Überschuss ist ungleich verteilt. In einigen Ländern gibt es keinen Überschuss. Das gilt vor allem für Entwicklungsländer, die nur geringe Mehrausgaben geleistet haben. Je höher die Konjunkturhilfen waren, desto höher ist auch der Überschuss. Global liegt dieser bei 6,5 % der Wirtschaftsleistung. Das entspricht fast 6 Billionen Dollar, die Haushalten heute zusätzlich für Konsum zur Verfügung stehen.

Keiner weiß, was damit geschehen wird. Wir haben keinen historischen Vergleich. Es ist ein großes wirtschaftliches Experiment. Der Ausgang ist ungewiss und so positiv zusätzlich Erspartes klingt, es kann zu einer Überhitzung der Wirtschaft und ungewollten Konsequenzen führen.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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