Kommentar
15:18 Uhr, 03.09.2010

Konjunktur: Vertrauen ist entscheidend

Privater Sektor muss in den USA nunmehr die Erholung stützen
Die Wachstumsaussichten für die USA sind weiterhin unsicher. In den ersten sechs Monaten des Jahres leistete der Wiederaufbau der Lagerbestände einen wichtigen Beitrag zur Konjunkturerholung. In der zweiten Jahreshälfte dürfte der Beitrag der Lagerbestände zum Wachstum jedoch mehr oder weniger neutral sein. Impulse von Seiten einer expansiven Fiskalpolitik sind ebenfalls nicht mehr zu erwarten. Der staatliche Sektor dürfte das Wachstum in den kommenden sechs Quartalen sogar um 1 – 1,5 % pro Quartal dämpfen.

Die Fortsetzung der Erholung hängt daher vom privaten Sektor ab. Angesichts der hohen Unternehmensgewinne können die Unternehmen mehr Stellen schaffen. Und aufgrund der beträchtlichen Einkommenszuwächse in den ersten sechs Monaten des Jahres sind die Verbraucher besser dazu in der Lage, Geld auszugeben. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Unternehmen und die Verbraucher ihre Konsumkraft nutzen und der Konsum und die Investitionen tatsächlich zulegen.

Alle warten ab
Das Verbraucher- und das Geschäftsvertrauen liegen in den USA derzeit unter dem langfristigen Durchschnitt. Dies wirkt sich ungünstig auf den Arbeitsmarkt aus, der sich in den vergangenen drei Monaten insgesamt seitwärts bewegt hat und sich nicht weiter verbessert. Die Käufe von dauerhaften Gebrauchsgütern legen zwar zu, aber es gibt kaum Anzeichen für eine Erholung im Dienstleistungssektor.

Die Verbraucher scheinen ihre Ausgaben erst dann steigern zu wollen, wenn sie mehr Zutrauen in einen fortgesetzten Einkommenszuwachs hegen und sicherer sind, dass ihre Stellen erhalten bleiben. Und die Unternehmen scheinen erst dann mehr Personal einstellen zu wollen, wenn sie mehr Vertrauen in die Nachfrageentwicklung haben. Wenn sowohl die Unternehmen als auch die Verbraucher erst einmal abwarten, kann nur eine dritte Partei – d.h. die Regierung – die Lage verbessern. Am 10. August kündigte die Federal Reserve Käufe von langfristigen Staatsanleihen in moderatem Umfang an. Eine expansive Fiskalpolitik wäre wirksamer. Neue fiskalpolitische Impulse werden jedoch vom Kongress nicht unterstützt. Diese politische Tatsache verschärft die Unsicherheit über die Konjunkturentwicklung.

Europa schneidet sehr viel besser als erwartet ab
Nachdem die Staatsanleihenkrise vom Mai kaum vorüber ist, sind die Konjunkturindikatoren für Europa bemerkenswert robust. So stieg der Klimaindikator der EU-Kommission überraschend deutlich um 2,3 Punkte auf 101,3 Punkte an und liegt damit über seinem langfristigen Durchschnitt. Dies ist vor allem auf eine merkliche Verbesserung des Verbrauchervertrauens zurückzuführen. Ein Grund dafür ist, dass die Angst vor Arbeitslosigkeit abklingt. Dies ist eine gute Nachricht.

Die Lage ist allerdings je nach Land sehr unterschiedlich. Die positiven Überraschungen sind großenteils auf die Entwicklung in Deutschland zurückzuführen. So profitieren die deutschen Exportunternehmen am stärksten vom kräftigen Wachstum in den Emerging Markets.

Bisher haben die Peripherieländer insgesamt etwas besser als erwartet abgeschnitten. Dies ist angesichts der jüngsten Probleme an ihren Staatsanleihemärkten sicherlich positiv.

Binnenkonjunktur in Deutschland belebt sich ebenfalls
Es gibt zunehmend Anzeichen dafür, dass die exportgetragene Erholung in Deutschland auf die Binnenwirtschaft übergreift. Dies ist deutlich am deutschen Arbeitsmarkt zu erkennen; die Arbeitslosenzahlen sind seit Mitte 2009 in jedem Monat gesunken. Die Beschäftigung liegt inzwischen wieder in etwa auf dem vor der Rezession verzeichneten Niveau. Die Zahl der freien Stellen und der Arbeitsstunden steigt ebenfalls an. Da die deutschen Verbraucher außerdem keine hohe Schuldenlast tragen müssen, besteht eine solide Grundlage für einen Anstieg der Konsumausgaben. Selbst am deutschen Häusermarkt zeigen sich aufgrund der niedrigen Zinsen wieder Anzeichen für eine Belebung. Bei einer hohen überschüssigen Ersparnis trägt ein Anstieg der inländischen Ausgaben in Deutschland in begrüßenswerter Weise zu einem Abbau der weltweiten wirtschaftlichen Ungleichgewichte bei.

Geringere Besorgnis über Chinas Konjunktur
Die wirtschaftlichen Risiken sind nicht nur in Europa, sondern auch in China abgeklungen. Die Maßnahmen der chinesischen Regierung zur Abkühlung des Wohnungsmarkts haben offensichtlich funktioniert. Die jüngsten Zahlen zur Aktivität im industriellen Sektor gingen um knapp einen Punkt auf 51,2 Punkte zurück, was weiterhin auf Wachstum hindeutet. Das Exportwachstum schwächte sich im Juli auf 38,1 % im Vergleich zum Juni 2009 ab (Juni: +43,9 %). Damit ist es weiterhin hoch. Der Index für die Aktivität im Dienstleistungssektor stieg von 57 auf 60 Punkte an. Dies belegt die hohe Konsumnachfrage. Die Wachstumsabschwächung setzt sich daher fort, es sind jedoch keine Anzeichen für eine allzu radikale Verlangsamung zu erkennen. Neue Maßnahmen zur Dämpfung des Wirtschaftswachstums sind wahrscheinlich auszuschließen. Für monetäre Impulse ist es jedoch noch zu früh.

Allgemeiner Abwärtstrend der Inflation trotz höherer Weizenpreise
In den Industrieländern besteht kein Grund zu der Befürchtung, dass die Entwicklung der Weizenpreise (+60 % seit Anfang Juni) auf die Kerninflation durchschlagen könnte. Die weltweiten Lagerbestände an Weizen sind hoch. Und die Defizite in Russland und Kanada werden durch Überschüsse in den USA, Argentinien und Australien kompensiert.

Die US-Inflationsprognosen werden nach unten korrigiert. Die Federal Reserve wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um eine Deflation oder strukturelle Preisrückgänge zu verhindern. Mit Ausnahme Indiens und Indonesiens besteht auch in den Emerging Markets Abwärtsdruck auf die Inflationsraten.

Quelle: ING IM

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.

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