Konjunktur: Schwung lässt nach
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Märkte verlagern ihren Fokus auf Nachhaltigkeit des Aufschwungs
In den vergangenen Wochen hat sich der Fokus an den Finanzmärkten von der Staatsschuldenkrise auf das nachlassende Weltwirtschaftswachstum verlagert. Ausgelöst wurde dieser Wandel vor allem durch enttäuschende Konjunkturdaten in den USA und eine Verlangsamung des Wachstumstempos in China. In gewisser Weise ist die eine Entwicklung aus der anderen hervorgegangen: Die Frage nach der Tragfähigkeit der Staatsfinanzen beeinflusst, inwieweit das Finanzsystem als solide wahrgenommen wird und damit zwangsläufig die Perspektiven für Kreditvergabe und Finanzierung. Hinzu kommt, dass die USA in dieser Hinsicht sehr viel stärker betroffen sind als Europa. Grund ist der Höhenflug des US-Dollar gegenüber dem Euro seit Oktober 2009.
Bessere Konjunkturdaten in Europa als in den USA
Es fällt auf, dass die europäischen Konjunkturdaten alles in allem positiver sind als die der USA. Auch aus diesem Grund schneiden die europäischen Aktienmärkte derzeit besser als ihre US-amerikanischen Pendants ab. In den letzten Wochen hat der Euro gegenüber dem US-Dollar zudem wieder an Boden gewonnen.
Die Wirtschaftszahlen sind in Europa und den USA u. a. auch deshalb so unterschiedlich ausgefallen, weil die Erwartungen in Europa im Zuge der Staatsschuldenkrise bereits deutlich nach unten korrigiert worden waren. Ein weiterer Grund ist die Tatsache, dass der Aufschwung in Europa weitaus bescheidener verlaufen ist, da Binnennachfrage und Bestandsaufstockungen hier sehr viel weniger zur Wachstumsdynamik beigetragen haben als in den USA. Überdies hatten europäische Unternehmen während der Kreditkrise sehr viel weniger gekürzt, so dass sie beim unerwarteten Aufschwung auch sehr viel weniger wettzumachen hatten. Und schließlich sind die europäischen Zahlen besser als erwartet, weil die exportorientierte deutsche Wirtschaft (auf die ca. 30 % des BIP der Eurozone entfällt) erheblich vom kräftigen Weltwirtschaftswachstum in den ersten sechs Monaten dieses Jahres profitieren konnte. Das zeigt sich u.a. auch an soliden Export- und Produktionszahlen.
Lagerauffüllung und Konjunkturmaßnahmen enden
Ein deutlicher Trend der vergangenen Monate war die Ausweitung des Aufschwungs vom industriellen auf den Dienstleistungssektor. Das zeigte sich an den PMI-Indizes, die die Tätigkeit in diesen Sektoren abbilden. In letzter Zeit war indes ein Rückgang dieser Indizes in den USA und Europa und damit eine Verlangsamung des Wachstumstempos zu beobachten. Vor allem die Indizes des produzierenden Gewerbes fallen, zum Teil dadurch bedingt, dass der Prozess der Lagerauffüllung sich stabilisiert hat (Bestandsaufstockung war einer der wichtigsten Antriebsfaktoren für die Erholung der Weltwirtschaft). Daneben waren es die staatlichen Konjunkturmaßnahmen, die für Schwung sorgten. Mittlerweile müssen die Staaten aber sparen, insofern ist eher mit wachstumshemmenden Maßnahmen zu rechnen. In der Konsequenz müssen Auslandsnachfrage und die Nachfrage aus dem Privatsektor stärker zum Wachstum beitragen.
Privatsektor kann stärker zum Wachstum beitragen
Staatliche Sparmaßnahmen mögen sich negativ auf die Zuversicht bei Verbrauchern und Wirtschaft sowie das Wachstum auswirken. Dennoch könnten Konsumausgaben und Investitionen durchaus einen höheren Beitrag leisten.
Vor allem in den USA ist die Phase der drastischen Kostensenkungen bereits vorüber. Der Anteil der Ausgaben für Gebrauchsgüter am verfügbaren Einkommen befindet sich auf dem tiefsten Stand aller Zeiten. Insofern haben Wirtschaft und Verbraucher kaum Spielraum, um ihre diskretionären Ausgaben zu erhöhen. Der Nachfragestau nach Gebrauchsgütern könnte die Nachfrage bei diesen Gruppen kräftig ankurbeln. Zudem dürften die Leitzinsen noch eine Weile niedrig bleiben. Und schließlich kommt es auch entscheidend auf die Entwicklung am Arbeitsmarkt an, da steigender Konsum in erster Linie über steigende Einkommen finanziert werden muss. In den USA liegt der Gewinn pro Arbeitnehmer über dem Langzeitdurchschnitt, Indiz für eine wachsende Nachfrage nach Arbeitskräften.
Chinesische Volkswirtschaft kühlt leicht ab
Die Befürchtung, die chinesische Volkswirtschaft könne überhitzen, hat sich in den letzten Wochen praktisch verflüchtigt. Positiv wurde die Abkopplung des Yuan vom USDollar aufgenommen, da dies nicht nur die Kaufkraft der chinesischen Verbraucher steigert, sondern auch die Binnennachfrage und das Land somit weniger exportabhängig ist. Auch der Inflationsdruck hat nachgelassen. Im Juni stiegen die Verbraucherpreise in China um 2,9 % gegenüber dem Vorjahr (im Mai betrug der Anstieg noch 3,1 %). Angabegemäß ist die chinesische Wirtschaft in Q2 2010 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 10,3 % gewachsen (verglichen mit einem Zuwachs von 11,9 % in Q1). Industrieproduktion und Einzelhandelszahlen legten im Juni ebenfalls weniger deutlich zu als in den Vormonaten. Auch das Kreditwachstum lässt weiter nach und entspricht nunmehr dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Und schließlich scheinen Chinas Maßnahmen zur Eindämmung der explosionsartigen Preisentwicklung an den Immobilienmärkten einiger Regionen bereits Wirkung zu zeigen: Im Juni fielen die Immobilienpreise um 0,1 % gegenüber dem Vormonat. Außerdem sind die Mieten leicht gestiegen, was darauf hindeutet, dass sich das Interesse von Kauf auf Miete verlagert.
Quelle: ING Investment Management
ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.
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