Kommentar
08:45 Uhr, 09.10.2015

Kommen jetzt weltweite Kapitalverkehrskontrollen?

Nach panikartigen Zuständen in den Emerging Markets sollte auf Sicht von Wochen und Monaten eine Verschnaufpause möglich sein. Längerfristig ist das noch kein Signal für eine Trendwende. Die Probleme sind dafür zu groß und die globalen Makrotrends arbeiten nach wie vor gegen Schwellenländer.

Begonnen hat die Misere mit sinkenden Rohstoffpreisen. Erschwerend kommt die US Zinswende hinzu. Gleichzeitig sind die Finanzmärkte vieler Schwellenländer in den vergangenen Jahren schnell geöffnet worden. Was in den Jahren 2002 bis 2011 für hohes Wachstum gesorgt hat, droht nun den Finanzsektor zu gefährden.

Grundsätzlich ist ein freier Kapitalmarkt gut. Frei konvertierbare Währungen lassen Anpassungen zu. Befindet sich eine Wirtschaft im Abschwung, dann kann die Währung abwerten. Das macht die Wirtschaft wettbewerbsfähiger und kann mit steigenden Exporten die Wirtschaft stützen.

Die Kehrseite freier Wechselkurse und freien Kapitalverkehrs sind in guten Zeiten zu stark aufwertende Währungen und die Versuchung, sich im Ausland zu verschulden. Im Abschwung droht ein Schuldenkollaps und Hyperinflation, weil Währungen überproportional abwerten.

Diese Probleme haben vor allem Schwellenländer. Die meisten westlichen Länder haben sehr viel geringere Probleme mit hohen Wechselkursschwankungen. Das liegt schon allein an der Größe des Kapitalmarktes, aber auch an der geringen Abhängigkeit von Rohstoffexporten.

Ein fester Wechselkurs gegenüber anderen Währungen, z.B. dem Dollar, ist nicht zu empfehlen. Das ging in den 80er und 90er Jahren gehörig schief und brachte unter anderem die Südamerikakrise (80er) und Asienkrise (90er) mit sich. Anstatt den Wechselkurs zu koppeln kann der Kapitalverkehr eingeschränkt werden. Das erschwert Kapitalflucht und dadurch den Abwertungsdruck der Währungen.

Die Zinswende in den USA sorgt dafür, dass weniger Kapital in Schwellenländer fließt. Viele Investoren ziehen ihre Gelder sogar ab. Dieser Kapitalfluss ist jedoch das geringste Problem. Viel problematischer ist die Kapitalflucht von Inländern. Grafik 1 zeigt den Kapitalzustrom aus dem Ausland in Schwellenländer und die Kapitalflucht von Inländern ins Ausland.

Der freie Kapitalmarkt ermöglicht es Inländern ihr Geld in Sicherheit zu bringen. Das ist für diejenigen, die überhaupt etwas in Sicherheit bringen können, positiv. Gesamtwirtschaftlich ist es gefährlich, da die Kapitalflucht die Währungen kollabieren lässt.

All jene, die Geld in Sicherheit bringen können tun dies. Der Rest der Bevölkerung ist hingegen mit immer schneller steigender Inflation und hohen Zinsen konfrontiert. Die Kaufkraft sinkt und Schulden lasten zunehmend auf der Bevölkerung und auf Unternehmen.

Laut einer neuen Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) erreichten die Schuldenberge der Unternehmen in Schwellenländern im vergangenen Jahr die Marke von 18 Billionen US Dollar. In diesem Jahr dürften noch einmal eine Billionen Dollar hinzukommen. Diese Schuldenlast übersteigt den freien Marktwert der Unternehmen (gemessen an der Marktkapitalisierung) fast schon um den Faktor 2.
Die Schuldenberge sind ein großes Problem. Die Schulden der Unternehmen erreichen in diesem Jahr knapp 80% der Wirtschaftsleistung. Der Schuldendienst ist entsprechend groß und dürfte zwischen 6 und 8% der jährlichen Wirtschaftsleistung beanspruchen.

Obwohl die meisten Schwellenländer in den vergangenen Jahren noch hohe Wachstumszahlen ausweisen konnten sind die Schulden im Vergleich zur Wirtschaftsleistung weiter gestiegen. China belegt den Spitzenplatz mit einem Zuwachs von 27% der Wirtschaftsleistung seit 2007. In Brasilien betrug der Zuwachs ungefähr 15%.
Ein Großteil der Schulden wird heute im Gegensatz zu den 80er und 90er Jahren in lokaler Währung gehalten. Doch auch der Prozentsatz, der in Fremdwährungen gehalten wird (ca. 20%) ist nicht zu unterschätzen. Wertet die lokale Währung ab, dann explodiert die Schuldenlast in Fremdwährungen.

Kritisch ist auch die Art der Verschuldung. Anleihenmärkte sind in den meisten Ländern nicht sonderlich weit entwickelt. Ca. 80% der Schulden wurden in Form von Krediten und Darlehen aufgenommen. Kommt es zu einer Verschärfung der Situation – und davon ist angesichts der niedrigen Rohstoffpreise auszugehen – dann drohen viele Unternehmen unter ihrer Schuldenlast zusammenzubrechen. Die Folge: sie bedienen ihre Kredite nicht mehr. Das kann im schlimmsten Fall für eine Finanzkrise sorgen, weil die Banken nicht ausreichend Eigenkapital haben, um die Verluste auffangen zu können.

Es droht eine erneute Schuldenkrise. Banken dürften sich nicht über den Finanzmarkt rekapitalisieren können, da Investoren fehlen. Diese haben ihr Geld abgezogen und sind wohl kaum versucht ihr Geld für Kapitalerhöhungen der Banken zurückzubringen. Was bleibt ist die Rekapitalisierung über den Staat. Einige Länder können dies tun, anderen dürfte es schwer fallen. Brasiliens Kreditwürdigkeit wurde bereits mehrfach abgestuft. Müsste der Staat Banken rekapitalisieren, dann würde der Staat selbst in arge Bedrängnis geraten.

Schwellenländer steuern auf eine ernsthafte Krise zu. Sie ist anders als in den 80er und 90er Jahren, doch die Folgen sind ähnlich: Es droht ein verlorenes Jahrzehnt. Die Situation kann eigentlich nur entschärft werden, indem strikte Kapitalverkehrskontrollen eingeführt werden. Sinnvoll ist dies für alle vom Rohstoffexport abhängigen Länder. Davon gibt es derzeit über 40 weltweit.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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