Fundamentale Nachricht
10:09 Uhr, 13.04.2023

Könnte sich das Blatt für Asien-Kredite wenden?

Nach dem chinesischen Kalender befinden wir uns im Jahr des Hasen, der für Besonnenheit und Gelassenheit steht. Werden sich diese Eigenschaften nach dem herausfordernden Jahr 2022 in der Performance der asiatischen Kredite widerspiegeln? Portfoliomanager Mel Siew bei bei Muzinich & Co. erörtert seine Aussichten.

Wie sind die Aussichten für das Wirtschaftswachstum in der asiatisch-pazifischen Region im Vergleich zu anderen Teilen der Welt einzuschätzen?

In den USA und Europa gibt es Gegenwind für das Wachstum, und einige der negativen Prognosen gehen von einer Rezession in diesen Regionen aus. Im asiatisch-pazifischen Raum sind die Aussichten dagegen positiv, da die Wiedereröffnung Chinas überraschend schnell eintrat und ein starkes Momentum beinhaltet. Auch außerhalb Chinas sind die Aussichten für 2023 in der gesamten Region robuster. Die Konsensprognose für Indien liegt bei 6-7 %, für Indonesien bei 5 % und für Malaysia, für die Philippinen sowie Thailand bei einer ähnlichen Spanne1. Das liegt nicht nur daran, dass sie von der Wiedereröffnung Chinas profitieren, sondern auch an der Tatsache, dass sie bereits ein starkes binnenwirtschaftliches Fundament haben.

Wie ist nach einem turbulenten Jahr 2022 die aktuelle Situation auf dem asiatischen Kreditmarkt zu beurteilen?

Das vergangene Jahr war für alle Finanzmärkte schwierig, und die asiatischen Kreditmärkte bildeten da keine Ausnahme. Dennoch gab es einige besondere Gründe für die Performance, wie z.B. die Turbulenzen im chinesischen Immobiliensektor, der unter dem Druck der Regulierungsbehörden litt. Das führte zu einer großen Belastung und erhöhten Zahlungsausfällen. Hinzu kamen die Spannungen zwischen den USA und China, die strenge chinesische Null-Covid-Politik und nachteilige Regulierungen im Technologiesektor.

Mit Blick auf das Jahr 2023 sind viele dieser Hindernisse verschwunden. China hat seinen Kurs bei der Null-Covid-Politik umgedreht, und das harte Vorgehen gegen den Technologiesektor scheint sich dem Ende zuzuneigen. Das Jahr begann mit Renditen, wie wir sie seit der Großen Finanzkrise 2008 nicht mehr gesehen haben. Die Renditen für Investment-Grade-Anleihen liegen bei fast 6 %, während sie in den Jahren 2020 und 2021 noch bei etwa 2 % lagen. Sie bieten Investoren die Möglichkeit, auf solide, hochwertige Kredite zuzugreifen und gleichzeitig von sehr hohen Renditen zu profitieren2. Der ICE BofA Asian Dollar Index (ADOL) setzt sich zu 90 % aus Investment-Grade- und zu 10 % aus High-Yield-Anleihen zusammen und weist dennoch eine durchschnittliche Rendite von 6 % auf3.

Das Tempo der Wiedereröffnung Chinas und die Reaktion des Marktes haben viele überrascht. Ist dies nachhaltig?

Wir haben einen extrem starken Start erlebt. Ich bin der Ansicht, dass die Dynamik anhalten wird. Wir haben auch in anderen Teilen der Welt das Konzept des „Revenge Shopping“ gesehen, bei dem Menschen mit angehäuften Ersparnissen auf Aktivitäten aus waren, denen sie lange Zeit nicht nachgehen konnten, wie etwa Reisen, Essen gehen und Einkaufen.

Dies war in China häufig der Fall; beispielsweise erlebten wir einen enormen Anstieg der Inlandsreisen zum chinesischen Neujahrsfest. Der Flugverkehr erreichte knapp über 70 % der Zahlen vor Covid, und der Straßenverkehr stieg um 114 %4, was auf die Zurückhaltung bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zurückzuführen ist. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Aufschwung fortsetzen wird, wenn man die Entwicklung der Covid-Situation und den Trend der Wiedereröffnungen betrachtet.

Was bedeutet das für den Markt? Ab November 2022 erlebten wir eine enorme Rallye, die wohl nicht nur durch Chinas Umkehr bei der Null-Covid-Politik angeheizt wurde, sondern auch durch die Erwartung eines möglichen Kurswechsels der US-Notenbank in Bezug auf den erwarteten Höchststand der Zinssätze. In jüngster Zeit haben wir angesichts der starken US-Wirtschaftsdaten gewisse Zweifel und Korrekturen an diesen Aussichten festgestellt, was wohl zu einem gewissen Rückschlag am Markt beigetragen hat.

Im Januar erzielte der asiatische Kreditmarkt eine Rendite von 3 %5, was nicht für das gesamte verbleibende Jahr anhalten dürfte. Manche betrachten das Jahr 2023 als ein Jahr des „Coupon Clipping“ (Halten einer Anleihe und die Einnahme regelmäßiger Zinszahlungen), in dem Investoren den Carry (Gesamtertrag) als Ausgleich für das unsichere makroökonomische Umfeld erhalten werden. Als Vorhersage für das Jahr 2023 ist diese Einschätzung richtig, jedoch könnten sich die Dinge im weiteren Verlauf ändern.

Wir sind der Meinung, dass Asien und insbesondere China in den letzten Jahren und vor allem in den letzten Monaten in den globalen Portfolios untergewichtet waren. Investoren wurden wahrscheinlich von der drastischen Umkehrung Null-Covid-Politik Chinas und der schnellen Wiedereröffnung überrascht. Während Investoren diese Untergewichtung abbauen, kann es durchaus zu einem weiteren Rückenwind kommen, wenn das Engagement in einem steigenden Markt erhöht wird, da die Investoren nach hohen Renditen streben.

Eine zweite Auswirkung der Wiedereröffnung Chinas ist der Verbleib chinesischer Touristen in der Region, was die regionale Wirtschaft ankurbeln wird. Dies wird jedoch erst im Laufe des Jahres erwartet, da es an Feiertagen mangelt und die Bevölkerung aufgrund von Covid weiterhin zurückhaltend ist. Zu den Ländern und Sektoren, die von der Wiederbelebung des chinesischen Tourismus profitieren, gehören Glücksspielunternehmen in Regionen wie Macao, Malaysia und Singapur sowie der Bankensektor in Thailand, der in erheblichem Umfang mit Unternehmen zu tun hat, die auf den Tourismus angewiesen sind.

Was ist mit Japan und Australien?

Auf der Suche nach Alternativen zu China schauen Investoren verstärkt auf Länder außerhalb der Benchmark, wie beispielsweise Japan und Australien, die über einen großen Bestand an US-Dollar-Schulden verfügen. Für unser Dafürhalten sind einige japanische Finanztitel im Vergleich zu chinesischen Finanztiteln interessant, wenn man die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen vergleicht und sich ansieht, wie restriktiv chinesische Finanztitel traditionell gehandelt wurden.

Der Großteil des asiatischen Marktes verwendet den J.P. Morgan Asia Credit Index (JACI) als Indexanbieter. Derzeit wird über eine Erweiterung des Index um Japan, Australien, Neuseeland und Papua-Neuguinea diskutiert. Japan und Australien würden als zweit- und drittgrößte Indexgewichtung in den Index aufgenommen und die Gewichtung Chinas6 reduziert. Dies gibt Investoren die Möglichkeit, die Gewichtung Chinas in ihrem Referenzindex zu senken und die Bandbreite ihres Anlageuniversums zu erweitern, die sich aufgrund der geringen Emissionstätigkeit verringert hat. Innerhalb unserer Portfolios können wir jedoch von der Benchmark abweichen und haben bereits ein gewisses Engagement in diesen Regionen.

Abgesehen von China, wo sind sonst noch Chancen zu beobachten?

Im vergangenen Jahr profitierten natürlich auch andere große Länder mit hohen US-Dollar-Schuldenbeständen wie Indien, Indonesien und Korea davon, dass Investoren China mieden. Wir bildeten da keine Ausnahme und diversifizierten unsere Portfolios in Indien, das aufgrund seiner ehrgeizigen Pläne für die Einführung erneuerbarer Energien (Solar- und Windenergie) eine langfristige Perspektive bietet. In diesem Sektor wird ein erhebliches Wachstum erwartet. Wir glauben, dass dieses Anlagethema mit dem Wachstum von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren und grünen Anleihefonds ein Schwerpunkt bleiben wird, da es eine entsprechende Käuferschicht gibt. Interessanterweise sind diese Anleihen 144A- und REGS-registriert, so dass sie bei der Emission für den Verkauf in den USA zugelassen sind. Daher sollte es auch eine unterstützende US-Käuferbasis für indische nachhaltige Anleihen geben.

Indonesien ist eine weitere starke Wachstumsstory. Der Markt für Hochzinsanleihen ist leicht geschrumpft, aber die lokalen Banken vergeben Kredite an Unternehmen, was ironischerweise dazu geführt hat, dass der US-Dollar-Markt für Emittenten nicht mehr attraktiv ist. Unter dem Gesichtspunkt der Emissionstätigkeit ist dies nicht gut, aber mit Blick auf die Finanzierungskanäle können Unternehmen auf alternative Finanzierungsquellen zugreifen und so das Refinanzierungsrisiko effektiv verringern.

Wir haben dieses Thema in ganz Asien beobachtet, wo die Unterstützung durch die lokalen Banken die Refinanzierung trotz des hohen Zinsniveaus erheblich erleichtert. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass in diesem Jahr nicht mit einer sehr starken Emissionstätigkeit zu rechnen ist und Prognosen von null oder sogar einem negativen Nettoemissionsvolumen ausgehen. Das kann sich jedoch schnell ändern, wenn Investoren das Gefühl haben, dass die Zinsen ihren Höchststand erreicht haben und die Mittel wieder in asiatische Kredite fließen. Wenn sich die Kreditspreads zu verengen beginnen, könnten die Emittenten das Vertrauen entwickeln, auf den Markt zurückzukehren. Wir glauben jedoch nicht, dass wir uns diesem Szenario derzeit nähern.

Insgesamt sind wir angesichts der Wachstumsprognosen für Asien, einschließlich der starken Wiedereröffnung in China, relativ optimistisch für den asiatischen Kreditmarkt in diesem Jahr. Allerdings bleibt das Risiko bestehen, und wir setzen daher auf aktives Management und Kreditqualität in unseren Portfolios.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen