„Kleine Banken sind glaubwürdiger“
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Karin Baur, Finanztest-Expertin bei der Stiftung Warentest in Berlin, spricht im Interview
über Grüne Geldanlagen.
Können Verbraucher mittlerweile ihre kompletten Finanzgeschäfte auf eine ökologisch/ethisch/sozial sinnvolle Grundlage stellen?
Ja, das können sie. Es gibt ethisch-ökologische Banken, die vom Girokonto über den Kredit bis hin zur Geldanlage sämtliche Bankgeschäfte anbieten, die ein privater Kunde üblicherweise braucht. Um einige Beispiele zu nennen – die GLS Bank, die Ethikbank und die KD Bank bieten Girokonten und Geldanlagen an, die Umweltbank und Triodosbank bislang nur Geldanlagen. Außerdem gibt es zahlreiche breit streuende Aktienfonds und einige sichere Rentenfonds, die nachhaltig investieren.
Profitieren alternative Banken weiterhin vom Imagegewinn der erneuerbaren Energien?
Die Banken haben schon seit Ausbruch der Finanzkrise großen Zulauf. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass zahlreiche Banken im großen Stil Zockerpapiere gekauft hatten, nur damit der Gewinn noch größer und noch größer wird, haben viele Kunden ihnen den Rücken gekehrt. Mit Kasinokapitalismus, wie sie es nannten, wollten sie nicht zu tun haben. Jetzt, nach der Atomkatastrophe in Japan, wenden sich einige Leute von herkömmlichen Banken ab, weil sie nichts mehr mit der Atomindustrie zu tun haben wollen. Wir haben aber keine Erkenntnisse darüber, wie viele Leute das sind. Dafür sind die Ereignisse noch
zu frisch.
Graben die Big Player der Bankbranche mit grünen Produkten den Kleinen das Wasser ab?
Die kleinen Anbieter sind in den Augen der ethisch-ökologisch interessierten Anleger glaubwürdiger. Klar, wenn eine große Bank jahrzehntelang ethisch-ökologische Aspekte nicht oben auf der Prioritätenliste stehen hatte und jetzt auf einmal schon, dann fragt man sich, warum. Könnte ja auch nur ein Marketinggag sein. Andererseits ist natürlich viel mehr bewirkt, wenn große Anbieter bestimmten Unternehmen kein Geld mehr geben. Die DWS, die Fondstochter der Deutschen Bank, hat zum Beispiel vergangenes Jahr im Oktober verkündet, dass sie nicht mehr in Hersteller von Streumunition investiert. Das gilt zwar nicht für die Deutsche Bank, aber auch die DWS alleine verwaltet Milliarden.
Sind die ökologischen Produkte der Kleinen identisch mit denen der Großen? Welche wesentliche Unterschiede gibt es?
Ethisch-ökologische Banken sind kleine Banken, da gibt es gar keine großen. Investmentfonds dagegen werden von kleinen und großen Gesellschaften angeboten. Wenn man die Fonds zum Beispiel danach unterscheidet, welche Branchen oder Geschäftspraktiken sie von einem Investment ausschließen, dann gibt es strenge Fonds sowohl bei den kleineren als auch bei den größeren Anbietern. Letztere kommen vor allem aus Österreich und der Schweiz. Allerdings kann man auf keinen Fall von identischen Produkten sprechen. Jeder Anbieter kocht gewissermaßen sein eigenes Süppchen, sprich: jeder legt eigene Anlagekriterien fest. Da sich aber viele Anbieter das Nachhaltigkeitsresearch einkaufen, beispielsweise von Agenturen wie oekom research in München oder imug in Hannover, lassen sich oft gewissen Ähnlichkeiten feststellen.
Worauf müssen Anleger beim Kauf von grünen Fonds achten?
Sie sollten sich anschauen, welche Kriterien ein Fonds berücksichtigt. Oft sind Anleger enttäuscht. Sie kaufen einen vermeintlich grünen Fonds und stellen dann fest, dass da Aktien von Unternehmen drin sind, die sie gar nicht als grün bezeichnen würden, beispielsweise Atomkonzerne oder Ölmultis. Dann heißt es schnell: Alles Etikettenschwindel. Das Etikett ist aber gar nicht falsch. Die Anbieter sagen offen, welche Geschäfte sie als nachhaltig und deshalb investierenswert ansehen und welche nicht. Unter www.test.de/saubere-fonds können sie sich einen Überblick über die Anlagekriterien der Fonds verschaffen.
Sollten Anleger ihr Portfolio aufgrund der guten Aussichten für die Erneuerbaren Energien ausschließlich nach ökologisch/ethisch/sozial sinnvollen Kriterien ausrichten?
Investments in Erneuerbare Energien sind Brancheninvestments und sind nicht unbedingt gleichbedeutend mit nachhaltigen Investments. Ein Depot sollte immer ausgewogen aufgestellt sein: Ein Teil breit streuende Aktienfonds, ein Teil sichere Rentenfonds. Die Mischung bestimmt jeder selbst nach seiner Anlagedauer und seiner Risikobereitschaft. Wir empfehlen für den Aktienanteil weltweit anlegende Aktienfonds und Schwellenländerfonds. Wer möchte, kann dabei nur nachhaltige Fonds verwenden. Erneuerbare Energien sind ein Brancheninvestment und daher nur zur Beimischung geeignet.
Sollten sich Anleger von der Stimmung nach dem Atom-GAU in Japan leiten lassen? Oder ist weiterhin immer auch uneingeschränkt auf die Fundamentaldaten der einzelnen grünen Unternehmen zu achten?
Kurzfristige Trends sind nicht dafür geeignet, sein gesamtes Depot umzuschmeißen. Börse wird zwar von Stimmungen beeinflusst, aber nicht nur. Abgesehen davon ist es immer wichtig, dass ein Unternehmen langfristig Geld verdient. Auch als die Solarbranche als ganzes vor wenigen Jahren so geboomt hat, war ja nicht jedes Unternehmen mit von der Partie.
Dieser Artikel ist in unserer Sonderpublikation Zertifikate erschienen. Weitere spannende Themen können Sie nach einer kurzen kostenfreien Anmeldung hier herunterladen.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.