Kommentar
10:10 Uhr, 23.06.2020

Kleinanleger sind auch diesmal nicht die besseren Anleger

Kleinanleger erhielten zuletzt von der Finanzpresse viel Lob. Sie machen es diesmal angeblich besser als früher und besser als die Profis. Wenn es nur so wäre.

Derzeit läuft eine Konsolidierung. In dieser Konsolidierung werden vor allem Aktien von Unternehmen verkauft, die von der Coronakrise schwer getroffen werden. Dazu gehören Kreuzfahrtunternehmen ebenso wie Airlines. Genau diese Sektoren verhalten Kleinanlegern zu Ruhm. Kleinanleger hatten sich mit diesen Aktien bis unters Dach vollgestopft. Als diese Aktien dann plötzlich innerhalb von Tagen 50 % oder sogar 100 % zulegten, waren alle begeistert. Die Story ist schön. Endlich haben Kleinanleger den Profis gezeigt wie es geht. Die Realität ist aber eine andere. Kaum eine Plattform steht für Kleinanleger wie Robinhood und es ist bekannt wie viele Anleger wo investieren. Anleger begannen früh bei Aktien zuzugreifen. Bereits im Februar, als der Kursrutsch bei Airlines begann, griffen Anleger zu. Viele stiegen bei American Airlines noch zu Kursen im Bereich von 25 Dollar ein. Und sie kaufen immer noch...

Keiner weiß, wo der durchschnittliche Einstiegskurs für jeden einzelnen Anleger liegt, geschweige denn für die Summe aller Anleger auf der Plattform. Da viele früh im Abwärtstrend kauften und in die Schwäche der letzten Tage wieder hineingekauft wurde, nachdem der Kurs erst deutlich stieg, ist es sehr wahrscheinlich, dass viele Anleger auf Kursverlusten sitzen.

Das funktionierte nicht nur bei Airlines, sondern auch bei Kreuzfahrtunternehmen (Grafik 2). Die Anzahl an Kleinaktionären auf der Plattform stieg von weniger als 5.000 auf über 450.000. Anleger konnten vor allem den Aktien nicht widerstehen, die besonders fragil sind.

Es zeigen sich noch andere Verhaltensweisen. Sinken die Kurse weiter, nachdem gekauft wurde, wird einfach nachgekauft (Grafik 3).

Das gilt z.B. für Aktien aus dem Ölsektor. Dieses Verhalten lässt sich verallgemeinern. Man findet es immer wieder, so auch beim Cannabis-Sektor (Grafik 4).


Die Kurse befanden sich in einer Blase. Man konnte so oft darauf hinweisen wie man wollte, es wurde trotzdem immer weiter gekauft. Es ist unwahrscheinlich, dass sich der Sektor in absehbarer Zeit wieder zu den alten Hochs aufschwingt. Anleger müssen hier vermutlich mehr als 10 Jahre warten.

Bis das Ergebnis endgültig feststeht, muss nicht immer 10 Jahre dauern. So fanden Anleger die Aktie von Hertz – dem Autovermieter, der bereits Insolvenz angemeldet hat – sehr attraktiv (Grafik 5). Die Aktie wurde beherzt gekauft, obwohl bei einem Insolvenzantrag klar ist, dass die Aktien eigentlich wertlos sind.

Auch das ist eine Verhaltenseise, die man immer wieder findet. Luckin Coffee, die Abkupferung von Starbucks, fand nach dem Kurssturz und Bilanzierungsskandal den Weg in viele Depots (Grafik 6). Ob sich das jemals lohnen wird, ist fraglich.

Kleinanleger haben nicht alles falsch gemacht. Sie halten auch Börsenlieblinge wie Apple und Microsoft. Dennoch zeigt sich auch in dieser Zeit wieder einmal, dass Kleinanleger gewissen Dingen nicht widerstehen können. Crashs in Einzelwerten werden als Gelegenheiten wahrgenommen. Das ist der rote Faden, der sich durch alle Fehlentscheidungen zieht.

Crashs haben einen Grund. Sie kommen nicht vor, weil es dem Unternehmen blendend geht. In den meisten Fällen kommt der erhoffte Rebound nie. Die Verlockung ist groß. In den meisten Fällen folgt dem Crash ein weiterer. Man denke auch an Wirecard. Ein Kursverlust von 60 % an Tag 1 hat bereits viele in die Aktie gelockt. An Tag 2 halbierte sich die Aktie noch einmal. So schwer es auch fallen mag, solche Crashs sind keine einmalige Gelegenheit. Sie sind in 90 % der Fälle vielmehr eine Versuchung, die zu großen Verlusten führt.

Clemens Schmale


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2 Kommentare

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  • Tüskendör
    Tüskendör

    Gute Analyse - wie ich meine. Wirecard gehört natürlich zu den verbleibenden 10%, bitte....

    😎

    11:53 Uhr, 23.06.2020
  • Aus meiner Sicht
    Aus meiner Sicht

    Gute Analyse.

    11:12 Uhr, 23.06.2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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