Kommentar
15:47 Uhr, 26.04.2007

Kerzencharts - Die charttechnische Lupe des Traders

Auf GodmodeTrader.de begehen wir eine Gratwanderung. Einerseits möchten wir der breiten Öffentlichkeit das Thema der charttechnischen Analyse näherbringen, andererseits sind wir an einer Weiterentwicklung charttechnischer Normen und Trends für professionelle Marktteilnehmer interessiert.

Anbei nun einige Ausführungen für Anfänger in Sachen charttechnischer Analyse, die sich für das Thema interessieren. Für den Anfänger ist es von großer Wichtigkeit, sich mit Themen wie Trendanalyse, Formationsanalyse und Kerzenchartanalyse auseinander zu setzen. Hier nun eine leicht verständliche Einführung in das Thema der Kerzenchartanalyse.

Einleitend als Übersicht der Linienchart vom DAX seit 29.11.2005.

Kerzenchart (Candlestick-Chart). Anbei sehen Sie eine Kerzenchartdarstellung exakt des Kursverlaufsabschnitts, den auch der eingangs eingeblendete Linienchart zeigt. Die Umstellung von einem Charttyp auf den anderen erfolgt im Charting-Programm mit einem Mausklick. Die Umstellung vom Linienchart auf den Kerzenchart ist vergleichbar mit einer Lupenfunktion. Im Kerzenchart ist der Kursverlauf durch eine Aneinanderreihung so genannter Kerzen (Candlesticks) dargestellt. Eine Tageskerze zeigt den Eröffnungs- und Schlußkurs, den Höchst- und Tiefskurs sowie die gesamte Handelsspanne des Tages an. Durch den Kerzenkörper und die Farbe desselben steht neben dem genannten Informationsgehalt die visuelle Darstellung der "Netto-Bewegung" des Tages im Vordergrund. Der Kerzenkörper zeigt den Abstand zwischen Eröffnungs- und Schlußkurs an. Der charttechnische Analyst kann also sehr schnell sehen, ob und in welchem Ausmaß beispielweise im Tages-Kerzenchart der Kurs am Tag gestiegen oder gefallen ist. Weltweit handelt es sich bei der Kerzenchartdarstellung um eine der gebräuchlichsten überhaupt. Auf GodmodeTrader.de nutzen wir für die charttechnische Analyse ebenfalls vornehmlich Kerzencharts. Entwickelt wurden sie in Japan, weshalb die einzelnen Figuren und Muster ursprünglich auch japanische Bezeichnungen tragen.

Anbei die schematisch Kerzendarstellung.

Oben wird eine Verlustkerze, darunter eine Gewinnkerze gezeigt.

  • Das untere Ende des dünnen Strichs zeigt den Tiefstkurs an, im Tages-Kerzenchart also den Tagestiefstkurs.
  • Das obere Ende des dünnen Strichs zeigt den Höchstkurs an, im Tages-Kerzenchart also den Tageshöchstkurs.
  • Die gesamte Länge (Höhe) des dünnen senkrechten Strichs zeigt im Tages-Kerzenchart die Schwankungsbreite des Tages an.
  • Der Kerzenkörper zeigt den Abstand zwischen Eröffnungs- und Schlußkurs an, demzufolge die eigentliche "Netto-Kursbewegung".
  • Bei einer Verlustkerze ist der Kerzenkörper schwarz (oder rot). Hier liegt der Schlußkurs unter dem Eröffnungskurs. Der Kurs ist in dem besagten Intervall also gefallen. Es ist eine schwache Kerze.
  • Bei einer Gewinnkerze ist der Kerzenkörper weiß (oder grün). Der Schlußkurs liegt hier über dem Eröffnungskurs. Der Kurs ist also gestiegen. Es ist eine starke Kerze.
  • Der dünne Strich über dem Kerzenkörper wird oberer Schatten (Docht) genannt. Beispielweise bei einer Tages-Verlustkerze heißt dies, dass der Kurs intraday über das Eröffnungskursniveau ansteigen konnte, das Tageshoch erreichte, anschließend aber wieder zurückfiel. Bei einer Tages-Gewinnkerze bedeutet dies, dass der Kurs intraday über das Schlußkursniveau ansteigen konnte, das Tageshoch ausbildete, dann aber wieder zurückfiel.
  • Der dünne Strich unter dem Kerzenkörper wird unterer Schatten (Lunte) genannt. Bei einer Tages-Verlustkerze heißt dies, dass der Kurs intraday unter das eigentliche Schlußkursniveau abfiel, das Tagestief erreichte, sich dann aber wieder erholen konnte. Bei einer Tages-Gewinnkerze bedeutet dies, dass der Kurs intraday unter das Eröffnungskursniveau abfiel, das Tagestief ausbildete, dann aber wieder deutlich ansteigen konnte.

Konkretes Anwendungsbeispiel - Wie interpretiere ich einen Kerzenchart?

Anbei eine dreiteilige Grafik. Oben ist der Kursverlauf vom S&P 500 Index von September 2001 bis November 2003 als Übersicht dargestellt, in der Mitte wird der blau markierte Ausschnitt des Kursverlaufs als Kerzenchart angezeigt und unten werden 4 Einzelkerzen aus dem mittleren Kerzenchart vergrößert eingeblendet. Wir zoomen uns also immer weiter in die Tiefe des Charts. Bei dem Kerzenchart in der Mitte handelt es sich um einen Tages-Kerzenchart. D.h., dass eine Kerze für einen Tag steht.

Im Folgenden wird genau erklärt, wie diese verschiedenen Einzelkerzen zu interpretieren sind.

Kerzenbeispiel A

Es handelt sich um eine Kerze mit einem kleinen weißen Körper, mit langem unteren Schatten und ohne oberen Schatten. Da es sich um einen Tages-Kerzenchart handelt, steht diese eine Kerze für den Kursverlauf eines Tages. Der Eröffnungskurs des Tages liegt in dem Schema bei Punkt 1.), anschließend fiel der Kurs im Tagesverlauf deutlich nach unten ab, was durch den langen unteren Schatten angezeigt wird. Der lange untere Schatten zeigt an, dass es an diesem Tag intraday einen regelrechten Sell Off gegeben hatte. Bei Punkt 2.) wurde im Tagesverlauf das Tagestief ausgebildet, woraufhin die Kurse sich wieder deutlich erholen konnten. Das Tagestief wurde intraday also von Marktteilnehmern zu massiven Käufen genutzt. Nachdem die Bären anfangs dominierten, übernahmen die Bullen im Tagesverlauf das Ruder. Und zwar so deutlich, dass die gesamten Intradayverluste aufgeholt werden konnten. Der weiße Kerzenkörper zeigt an, dass sogar das Eröffnungskursniveau überschritten werden konnte. Auf Tagesschlußkursnivau konnte der Index an dem Tag also ansteigen. Der fehlende obere Schatten sagt aus, dass der S&P 500 Index an diesem Tag auf Tageshoch schließen konnte. Im Fachjargon wird diese Kerze auch "Hammer" genannt. Es handelt sich um eine bullische Reversalkerze. Solche Hammerkerzen stehen oft am Ende einer Abwärtskursbewegung und leiten eine Aufwärtsbewegung ein.

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Kerzenbeispiel B

Die Kerze besteht aus einem langen weißen Kerzenkörper mit winzigem oberen Schatten. Weißer Kerzenkörper heißt, dass der Schlußkurs über dem Eröffnungskurs lag. Die Bullen bestimmten das Tagesergebnis ganz maßgeblich. Der lange Kerzenkörper zeigt den Abstand zwischen Eröffnungs- und Schlußkurs an. Der Index konnte also deutlich ansteigen. Der Eröffnungskurs liegt unten bei Punkt 1). Der fehlende untere Schatten weist darauf hin, dass der S&P 500 Index an diesem Tag direkt nach Eröffnung ansteigen konnte. Eröffnung und Tagestief sind identisch. Der Index konnte nahe Tageshoch schließen bei Punkt 2.) in dem Schema. Nahe Tageshoch deswegen, weil die Kerze einen kleinen oberen Schatten aufweist. D.h., dass das Tageshoch minimal oberhalb des eigentlichen Schlußkurs liegt. Im Fachjargon heißt diese Kerze "White Marubozu".

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Kerzenbeispiel C

Diese Kerze ist das Gegenstück zum "White Marubozu". Es handelt sich um einen "Black Marubozu". Der lange schwarze Kerzenkörper zeigt an, dass der Schlußkurs deutlich unter dem Eröffnungskurs dieses Tages lag. Der Index fiel also deutlich ab. In dem Kerzenschema oben bei Punkt 1.) liegt das Eröffnungsniveau. Der fehlende obere Schatten zeigt an, dass Eröffnungskurs und Tageshoch identisch sind. Demzufolge fielen die Kurse direkt nach Eröffnung. Der Tagesschlußkurs liegt nahe des Tagestiefs. Letzteres wird durch den kleinen unteren Schatten angezeigt.

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Kerzenbeispiel D

Zu sehen, ist eine Kerze mit einem langen oberen Schatten und kleinem weißen Kerzenkörper. Ein unterer Schatten fehlt. Im Fachjargon wird diese Kerze "Shooting Star" genannt. Im Zentrum dieser Kerze steht ganz klar der lange obere Schatten (Docht). Dieser lange obere Schatten besagt, dass der Index an diesem Tag intraday deutlich ansteigen, aber das hohe Niveau nicht bis zum Tagesschluß halten konnte. Es gab an diesem Tag also Marktteilnehmer, die den Intraday-Anstieg zum Verkauf nutzen. Während bei der eingangs erläuterten Hammerkerze intraday zuerst die Bären, dann die Bullen dominieren, ist es bei der Shooting Star Kerze genau umgekehrt. Zuerst steigt der Index durch die Kraft der Bullen, dann treten intraday aber die Bären auf den Plan, verkaufen und bestimmen damit das Ergebnis des Tages. Der kleine weiße Kerzenkörper zeigt an, dass der Schlußkurs leicht über dem Eröffnungskurs lag. D.h., dass der Index an diesem Tag doch noch leicht ansteigen konnte. Der Shooting Star steht am Ende einer Aufwärtskursbewegung und kann eine Abwärtsbewegung einleiten.

Herzlichst,

Ihr Harald Weygand - Head of Trading bei GodmodeTrader.de

Sie haben Fragen zur charttechnischen Analysemethode? Anbei finden Sie den Link zum Wissensbereich von GodmodeTrader mit dem Themenschwerpunkt "Chartanalyse und Trading" , in dem über Anfänger und Fortgeschrittene die Materie ausführlich erläutert wird: http://www.godmode-trader.de/wissen/chartlehrgang/

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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