Kommentar
09:06 Uhr, 23.06.2015

Kapitalflucht aus Griechenland - warum auch eine "Einigung" wenig bringt

Jeden Tag heben die Griechen mehrere Milliarden von ihren Konten ab. Es ist fraglich, ob dieses Geld so schnell wieder den Weg zurück in das Land bzw. Wirtschaftsleben findet

Als ich mich vor vier Jahren das erste Mal mit dem Thema ELA (Emergency Liquidity Assistance) beschäftigte, waren die "Notfallhilfen" eigentlich nur Insidern bekannt. Obwohl im Rahmen der Finanzkrise bereits rege von dem Instrument Gebrauch gemacht wurde, vor allem von Irland, welches damals in arge Turbulenzen kam (inzwischen aber schon wieder ein Musterschüler der EU ist!)

Damals spekulierte ich wie folgt:

“Aber was wäre z.B., wenn die griechische Zentralbank - unter Druck der eigenen Regierung, gedemütigt durch die EZB und andere Zentralbanken und womöglich sogar kurz vor dem Exit Griechenlands aus dem Euro zurück in die Drachme - einfach am Markt eigene Staatsanleihen aufkaufen würde? “

Nun, soweit ist es nicht gekommen. Dennoch sind wir beim Volumen der ELA mittlerweile bei knapp 90 Mrd. EUR angekommen. Das “Fluchtkapital” dürfte bei deutlich über 100 Mrd. EUR liegen. Dieses Geld lagert im Ausland und/oder unter den Kopfkissen besorgter Griechen.

Abgesehen davon, dass die aktuelle Regierung Tsipras/Varoufakis die Fluchtbewegung nach Kräften und wohl mit voller Absicht befördert hat, stellt sich die berechtigte Frage, wie diese immense Summe zurück ins Land fließen könnte, wo sie doch so dringend benötigt wird.

Auch wenn man Bestands-und Stromgrößen zu Recht nicht vergleichen sollte: Wir reden hier von einer Summe, die mehr als der Hälfte des nominalen BIP Griechenlands entspricht. Würde man einen entsprechenden Aderlass in Deutschland provozieren, müssten wir von rund 1,5 Bio. EUR ausgehen…

Dass dieser immense Kapital-Abfluss der ohnehin nicht gerade boomenden griechischen Wirtschaft kaum helfen kann, bedarf keiner weiteren Diskussion.

Aber wie kommt das Geld nun zurück? Vor allem wenn jeder jetzt ausgehandelte Kompromiss keine hohe Halbwertszeit haben kann.

Denn die Griechen wollen unbedingt einen hohen Schuldenerlass, während die Geberländer genau dies nicht wollen. Da bringt das Feilschen um ein paar 100 Mio. EUR bei den Sparmaßnahmen nicht viel. DAS ist der entscheidende Knackpunkt - nicht ein paar Punkte bei der Mehrwertsteuer oder den Renten.

Solange die Griechen keinen bedeutenden Schuldenerlass “ausgehandelt” haben, werden sie keine Ruhe geben. Und solange keine Ruhe einkehrt, wird das Fluchtgeld nicht zurückkehren - denn es ist weiterhin jederzeit mit dem Grexit zu rechnen.

Deswegen könnte der sofortige Austritt aus der Eurozone - trotz aller damit verbundenen Probleme - die bessere Alternative sein. Die Griechen, die ihr Geld in Sicherheit gebracht haben, könnten dann von der zu erwartenden massiven Abwertung der neuen Drachme profitieren. z.B. wäre ein neuer Immobilienboom, wie von Hans-Werner Sinn erwartet, durchaus realistisch.

Aber warum dann nicht gleich einen Schuldenschnitt? Der Grexit würde ja wahrscheinlich ebenso einen Schuldenerlass nötig machen.

Ja, aber der wäre dann praktisch erzwungen! Einen freiwilligen Schuldenerlass will keiner der Regierungschefs der Euroländer seinen Wählern erklären müssen. Und die Signalwirkung an andere Krisenstaaten ist noch wichtiger. Zumal in einigen Staaten (z.B. Spanien) bald Wahlen anstehen…

Der Euro ist und bleibt ein fragiles Gebilde. Würde man mit dem jetzigen Wissen erneut vor der Wahl stehen, käme sicherlich die Währungsunion erst am Ende des politischen Einigungsprozesses. Nun wird man sich wohl noch für viele Jahre irgendwie weiter durchwursteln müssen.

83 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Neuseeland hat was deutsches. Nicht meins. Australien ist wie der Hinterhof der USA, wenn man nicht mit Abos mit ner Flasche unter nem Baum rumhaengt. Ich hab da geilste Sachen erlebt. Mit den Landdieben hatte ich es weniger. Aber das kostet Uberwindung. Die Outbackers haben mich gehasst dafuer. Drei Tage im Busch in der Unterhose. Noch nie so nen Sonnenbrand gehabt. Ich dachte ich verrecke. Aber staendig pool mit Menschen von IQ Milchkuh .....nope , keinerlei Bock. Die Abos haben gestunken wie ein Ziegenbock, aber ich liebe sie. Sie sind Menschen! Was ich von den durchwegs freundlichen aber voellig verbloedenten Ausis nicht sagen koennte. Ausnahmen bestaetigen die Regel. Wer natuerlich Am Ayers Rock rumkriecht hat schon verlohren. Oder gar in Copper Pedi Plastik Steine kauft. . Was ein Dumpfvolk diese Touristen. Ich hab da lieber Bogenschiessen gelernt. Na egal. Nur mal so ein paar Gedanken dazu.

    17:05 Uhr, 24.06.2015
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Mit 65 faengt das Leben an.....ist laecherlich. Ich sehe in Thailand was dann laeuft. Endalkoholismus und Egoausbeutung durch geschulte Fachmaedels.. Bedauernswert, diese Leute. Da mach ich nen riesen Bogen drum, weils immer in Chaos oder im Verbrennungsofen endet. Arme Schweine die. Uber 60 gibts keine Anpassungsmoeglichkeit und keine Felxibilitaet mehr. Das ist SO. Soll Jeder machen was er will. Ich wuerde heute nach 3-4 Monaten Office aus dem Fenster springen. Locker und freiwillig. DAS ist KEIN Leben, wie ich heute weiss.

    16:55 Uhr, 24.06.2015
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Ich kann nur JEDE/M raten, der fett in Buchgewinnen steht, voellig zu liquidieren, alles in portables Weltgeld(Gold, Platin, Silber) zu tauschen und nach Asien umzuziehen. Am besten mit 2 Wohnsitzen in 2 Laendern. Finanzen nach HK verlegen und von den regelmaessig wechselnden Wohnorten am PC arbeiten. DANN ist man frei! 160 Tage z. B Thailand und 160 Tage Kambodscha, dazwischen feinen Urlaub irgendwo und es lebt sich voellig steuerfrei.

    11:03 Uhr, 24.06.2015
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    IFO kackt ab, durchweg schlechte Zahlen wo man auch hinsieht. Keine Besserung in Sicht, da kann der Dax ja nur explodieren

    . Meine Analyse dazu, die genau so gut oder schlecht ist wie jede andere. Interessant das man relevante schlechte Zahlen derweil einfach positiv umdeutet oder einfach ignoriert.

    10:53 Uhr, 24.06.2015
  • Marco Soda
    Marco Soda

    Gute Morgen Herr Kühn paßt nicht hier her aber fehlt noch die versprochene Email , DANKE

    ;-)))))

    07:27 Uhr, 24.06.2015
    1 Antwort anzeigen
  • AUMNGH
    AUMNGH

    Würd mich nicht wundern, wenn wir am 30.6. auch nicht schlauer sind als jetzt. Für morgen riechts erstmal nach triggern des Umkehrstab im Daily-Xetra-Dax. Dann sieht man wieder weiter, und kann überlegen, wo der Markt wohl ein potentielles höheres Tief zu entwickeln versucht. Da spielen sicherlich auch Natointeressen und militärisch/strategische Überlegungen ne Rolle. Deshalb halt ich auch die Mutmaßungen drumrum für relativ müßig-die lassen uns eh nicht wirklich in die Karten gucken

    20:44 Uhr, 23.06.2015
    1 Antwort anzeigen
  • markuss
    markuss

    An alle, denen diese Ereignisse und die Politik, die dahintersteht, nicht gefallen: Ihr könnt Euch bei der nächsten Wahl revanchieren und den Kurs in Deutschland korrigieren: Eine Alternative steht seit einiger Zeit zur Wahl ... es fehlt nur Euer Kreuzchen :)

    Meine Stimme bekommt keine der etablierten Parteien mehr! Diese Damen und Herren haben das letzte Vertrauen auf Jahre verspielt und kosten mich zu viel Geld!

    Danke dafür!

    20:35 Uhr, 23.06.2015
    1 Antwort anzeigen
  • markuss
    markuss

    Kriminelle Machenschaften gehören vor Gericht! Was die EZB mit den ELA-Krediten betreibt, ist von keinem Gesetz gedeckt und verstößt gg. europäisches und deutsches Gesetz --> kriminell!

    Das Ganze wird nur aufhören, wenn ein hoher Verantwortlicher der EZB vor Gericht gezerrt und verurteilt wird. Ich wäre für den Herrn Draghi, der die Krise auf jeder Ebene nur noch verschärft, anstatt an den Ursachen der Krise zu arbeiten.

    20:15 Uhr, 23.06.2015
  • Black-Scholes
    Black-Scholes

    Schade, daß man den Alexander Schalck-Golodkowski nicht mehr zur Griechenland Krise befragen kann, der hätte bestimmt eine Lösung gewußt, R.I.P.

    18:33 Uhr, 23.06.2015
  • moneymaker22
    moneymaker22

    Tsipras ist auch ein armes Schwein, letzte Woche haben sich noch alle aufgeregt das er nicht nachgibt, jetzt gibt er nach jetzt regen sich alle auf weil er seine Wähler belogen hat, was bei unseren Politikern an der Tagesordnung ist. Komische Welt

    17:20 Uhr, 23.06.2015

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

Mehr über Daniel Kühn
  • Anlagestrategien
  • Fundamentalanlyse
  • Value Investing und Momentum-Ansatz
Mehr Experten