Kommentar
15:02 Uhr, 03.02.2016

Kann man dieser Zentralbank noch glauben?

Wenn Politiker etwas sagen, dann weiß man, dass es nicht immer so kommen muss wie angekündigt. Von Notenbanken erwartet man das eigentlich nicht. Trotzdem sind Notenbanker inzwischen Politikern dicht auf den Versen.

Die Schweizer Nationalbank (SNB) sorgte im Januar 2015für eine große Überraschung. Mitte des Monats wurde der Mindestkurs zum Euro von 1,20 aufgegeben. Tage zuvor wurde noch geschworen, dass es nicht dazu kommen würde. Gerechtfertigt wurde diese vorsätzliche Markttäuschung damit, dass man es nicht hätte anders machen können.

Hätte die SNB angekündigt den Mindestkurs zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzugeben, dann wäre der Markt sofort auf diesen Zug aufgesprungen. Der Druck, den Kurs noch zu halten, wäre enorm gewesen. Die SNB hätte mit hohen Volumina intervenieren müssen, um den Mindestkurs noch aufrechtzuerhalten. Insofern ist der plötzliche Politikwechsel ohne Vorankündigung verständlich.

Gestritten wird noch darüber, ob die Markttäuschung wirklich notwendig war. Das kann jeder deuten wie er will, doch eine so offensichtlich falsche Behauptung wirft kein gutes Licht auf die Notenbanker. Doch es soll in diesem Artikel nicht darum gehen, ob das Verhalten ungeschickt war. Vielmehr soll eruiert werden, was aus dem Vorhaben der Notenbank geworden ist.

Die Gründe für die Freigabe des Wechselkurses sind vielfältig. Der Mindestkurs war letztlich nichts anderes als ein fixer Wechselkursmechanismus. Ist eine Währung an eine andere gebunden, dann gibt die Notenbank einen Teil ihrer Souveränität auf. Unter einem fixen Wechselkursregime kann die Notenbank ihre Geldpolitik nicht frei bestimmen. Dazu ein hypothetisches Beispiel: der Mindestkurs zum Euro bestand seit 2011. Hypothetisch hätte die Schweizer Wirtschaft entgegen des Trends in Europa stark wachsen können. Das hätte vermutlich zu einer hohen Inflationsrate geführt. Im Normalfall hebt die Notenbank die Zinsen an, um die Inflation zu begrenzen. Höhere Zinsen machen die Währung jedoch attraktiver. Es wäre noch mehr Geld in den Frankenraum geströmt, was die Notwendigkeit für Interventionen noch verschärft hätte.

Das Beispiel ist rein hypothetisch. Jeder weiß, dass die Schweiz nicht gerade unter hoher Inflation leidet. Dennoch hatte die Wechselkursbindung und letztlich auf die Freigabe enorme Konsequenzen. Die Zinsen sind in der Schweiz historisch niedrig. Mit einem Einlagensatz von -0,75 % ging die SNB soweit wie kaum ein anderes Land. Sehr niedrige Zinsen haben viele Privatpersonen dazu motiviert Immobilien zu kaufen. Die Preise sind nicht so schnell gestiegen, dass man von einer Blase der Immobilienpreise sprechen muss, doch viele sind nun durch hohe Verschuldung belastet. Steigen die Zinsen irgendwann wieder, dann kann das zu einem großen Problem werden, insbesondere, wenn die Zinsbindung auf Langfristkredite ausläuft. Um die Verschuldung für den Kauf von Immobilien in Grenzen zu halten müssten die Zinsen eigentlich höher stehen.

Wenn die Geldpolitik nicht mehr eigenständig sein kann, dann führt dies unter Umständen zu Fehlallokation von Kapital im Markt. Die SNB hat sich durch den Mindestkurs an die Geldpolitik der EZB gebunden. Die Geldpolitik der EZB muss nun aber nicht notwendigerweise die richtige Geldpolitik für die Schweiz sein. Das ist das Hauptproblem eines fixen Wechselkursmechanismus.

Der SNB war auch die Höhe ihrer eigenen Bilanzsumme nicht mehr geheuer. Diese stieg von 46 Mrd. vor der Finanzkrise auf 510 Mrd. kurz vor der Aufhebung des Mindestkurses. Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Devisenreserven, die durch die Interventionen angehäuft wurden und die Entwicklung des EUR/CHF Kurses.

Bereits vor der Festlegung auf den Mindestkurs intervenierte die Notenbank kräftig. Der Franken gewann zwischen 2008 und Ende 2010 ein Viertel an Wert. Diese Aufwertung setzte die Industrie erheblich unter Druck. Zwischen 2009 und Juni 2010 fand der Großteil der Interventionen statt. Diese wurden im Juni 2010 zunächst ausgesetzt. Ein Jahr lang reduzierte die SNB ihre Reserven. Im gleichen Zeitraum gewann der Franken 20 %.

Mit der erneuten Zuspitzung der Eurokrise gab es einen regelrechten Run auf den Franken. Der Mindestkurs wurde eingeführt und mit einer Intervention von 117 Mrd. innerhalb von 2 Monaten durchgesetzt. Der Markt stemmte sich einige Monate nicht gegen diesen Mindestkurs. Die Reserven konnten sogar um knapp 60 Mrd. reduziert werden. Die Eurokrise ließ jedoch nicht nach. Der Aufwertungsdruck stieg.

2012 kam es dann zu der größten Serie an Interventionen. Bevor Mario Draghi den Euro verbal verteidigte, indem er sagte „der Euro ist unumkehrbar“ und „wir werden alles tun, was notwendig ist“ flohen Anleger aus dem Euro. Die Notenbank musste mit über 160 Mrd. gegensteuern.

Bis zur Aufhebung des Mindestkurses waren weitere Interventionen notwendig, aber bei weitem nicht in dem Ausmaß wie zuvor. Draghis Ankündigung zeigte Wirkung. Ende 2014 trat dann ein anderes Problem auf. Es war nicht mehr die Befürchtung, dass der Euro kollabieren würde, sondern die Erwartung eines Anleihenkaufprogramms der EZB, der neuen Aufwertungsdruck erzeugte. Im Dezember 2014 mussten 35 Mrd. aufgewendet werden, um den Kurs stabil zu halten. Das war zu viel.

Ohne Aufgabe des Mindestkurses hätte die SNB einen Anstieg der Reserven gesehen wie es 2012 der Fall war. Die Bilanzsumme wäre innerhalb eines Jahres Richtung 650 Mrd. marschiert. Die Aufgabe des Mindestkurses schüttelte viele Spekulanten aus dem Markt. Doch der Preis der Mindestkursaufgabe war hoch.

Die Wirtschaft leidet unter dem starken Franken. Viele Unternehmen diskutieren sehr offen darüber, dass die Schweiz aus Kostengründen als Standort nicht mehr zu halten ist. Vermutlich liegt es daran, dass die SNB letztlich weiterhin fröhlich interveniert. Eigentlich sollte die Aufhebung der Eurokopplung dazu beitragen das Bilanzsummenwachstum im Zaum zu halten. Davon ist nichts zu bemerken. Die Reserven stehen per Ende 2015 bei knapp 600 Mrd. Zugegeben, das ist weniger als die 650 Mrd. ohne Mindestkursaufgabe, doch man kann nicht bestreiten, dass die Bilanz noch immer sehr schnell wächst.

Die Notenbank wollte durch die Aufhebung der Eurobindung eine unkontrollierte Ausweitung der Bilanz verhindern und ihre Souveränität zurückgewinnen. Ist ihr das gelungen? Dazu muss man ganz klar sagen: Nein. Die SNB koppelt ihre Geldpolitik nach wie vor an jene der EZB. Von Souveränität und geringeren Bilanzrisiken ist weit und breit keine Spur. Gleichzeitig leidet die Wirtschaft. Was hat die Aufhebung also gebracht? – Nichts.

Die SNB hat sich durch den Mindestkurs schon vor vielen Jahren in eine Sackgasse manövriert. Ist die Bilanz erst einmal sehr groß, dann kann man die Geldpolitik nicht einfach entkoppeln. Eine Freigabe des Wechselkurses würde zu so hohen Verlusten führen, dass die SNB ihre Reserven und ihr Eigenkapital komplett aufbrauchen würde. Das negative Eigenkapital könnte bei vollkommener Liberalisierung 100 Mrd. erreichen. Irgendjemand muss dieses Defizit finanzieren...

Das Bilanzrisiko ist zu groß, um tatsächlich von einer Wechselkursbindung abzusehen. Das erklärt vermutlich auch, weshalb die Bilanz noch immer mit 90 Mrd. pro Jahr wächst. Ebenso ist der Druck hoch den Franken nicht zu stark aufwerten zu lassen. Ein Wirtschaftsabschwung wird direkt der Notenbank angelastet und ihre Legitimität und Unabhängigkeit infrage gestellt.
Persönlich bin ich der Meinung, dass die SNB aus der Situation nicht mehr herauskommt. Sie kann ihre Politik des Wechselkursmanagements nicht aufgeben. Das wird erst möglich, wenn der Euro aus wirtschaftlicher Stärke der Eurozone heraus wieder aufwertet. Das kann lange dauern...

Ich finde es richtig, dass die SNB den Wechselkurs nicht sich selbst überlässt. Die Schweiz wäre ohne die Interventionen der Notenbank wahrscheinlich schon in einer tiefen wirtschaftlichen Depression ohne eigenes Verschulden. Die Depression wäre von der Geldpolitik anderer Notenbanken verursacht gewesen und hätte nichts mit der gelpolitischen und wirtschaftlichen Realität zu tun gehabt.

Während ich das Wechselkursmanagement für alternativlos halte, muss man sich schon fragen wie die Handlungen der Notenbank mit ihren Aussagen übereinstimmt. Übereinstimmung gibt es nicht und die Begründung für die Aufgabe des Mindestkurses kommt einem vor allem im Nachhinein wie ein Scherz vor – wie ein schlechter Scherz, denn weder ist der Wechselkurs fei, noch werden die Bilanzrisiken verkleinert.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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