Kommentar
11:10 Uhr, 20.10.2021

Jetzt noch von vorübergehender Inflation zu sprechen ist unseriös

Viele Notenbanker halten am Mantra fest, dass die Inflation nur vorübergehend ist. So langsam wird es unseriös.

Eine klare Definition von dem, was „vorübergehend“ bedeutet, gibt es nicht. Einen gewissen Interpretationsspielraum muss man zugestehen. Nach und nach zeigt sich ein immer klarerer Trend in dem, was Notenbanken kommunizieren. Erst hieß es, dass die große Inflation nicht kommt und wenn, dann handelt es sich um einen zeitlich sehr begrenzten Effekt. Der Inflationsschub kam und war deutlich stärker als von vielen erwartet. Die Kommunikation wurde angepasst. Das Offensichtliche (hohe Inflation) konnte man nicht mehr verneinen. Also wird zugestanden, dass die Inflation hoch ist, aber das sei alles eben nur vorübergehend. Aktuell heißt es bei der US-Notenbank, dass die Inflation unangenehm hoch ist, sprich, sie ist zu hoch. Trotzdem sei alles nur vorübergehend, "transitory". In wenigen Monaten, wenn die Inflation immer noch hoch ist, wird sich die Kommunikation wieder ändern. Einige Notenbanker äußern bereits den Verdacht, dass das Phänomen nicht so vorübergehend ist, wie man behauptet hat.

Man kann es sich auch nicht mehr schönrechnen. Notenbanken haben über die Jahre viele verschiedene Messmethoden für Inflation entwickelt. Neben dem traditionellen Verbraucherpreisindex und Kernraten gibt es in den USA z.B. einen Index, der extreme Preisschwankungen einfach ausschließt (Trimmed Mean Inflation). Man kann auch einfach die Medianinflation messen oder den von der Fed bevorzugten Index zur Bewertung heranziehen (Kern PCE Inflation, Grafik 1).


Alle diese Inflationsraten, die zu niedrigeren Werten als der Headline Index tendieren, sind inzwischen hoch. Ein Ende des Preisauftriebs ist nicht erkennbar. Das liegt zum Teil daran, dass die Preiskomponenten, die als vorübergehende Treiber identifiziert wurden, eben nicht vorübergehend sind.

Vor wenigen Monaten schob die Fed die hohe Inflation noch auf den Preisanstieg bei Gebrauchtwagen, der in einzelnen Monaten fast 10 % erreichte. Aktuell sinken diese Preise, doch der Preisindex für Gebrauchtwagen (Manheim Index) zeigt schon wieder nach oben. Dieser Index läuft dem Verbraucherpreisindex für Gebrauchtwagen um zwei Monate voraus. Ein neuer Preisschub ist absehbar (Grafik 2).


Neuwagen verteuern sich derzeit mit 2,5 % pro Monat! Derzeit nimmt die Güterknappheit nicht ab, sondern zu. Mit viel Glück sind die Engpässe im Sommer 2022 beseitigt. Hoffen darf man ja.

Selbst wenn Lieferengpässe behoben sind, ist eine tiefere Inflationsrate nicht garantiert. Der Arbeitskräftemangel nimmt in den USA historische Ausmaße an. Seit Beginn der Datenerhebung in den 80er Jahren fanden es kleinere und mittlere Betriebe nicht so schwer neues Personal zu finden (Grafik 3).


Personalknappheit ist ein Vorlaufindikator für Löhne und Inflation. Der Vorlauf beträgt ca. 10 Monate. Vor August 2022 ist nicht damit zu rechnen, dass der Preisdruck nachlässt. Das bedeutet nicht, dass der Preisauftrieb in einzelnen Monaten auch einmal niedriger ausfallen kann. Man denke da nur an den jüngsten und extremen Anstieg der Energiepreise. Diese werden früher oder später auch wieder fallen. In einzelnen Monaten kann die Inflationsrate dadurch auch einmal niedriger ausfallen.

Tendenziell erscheint es jedoch illusorisch, dass die Inflationsrate vor allem in den USA schnell wieder Richtung 2 % sinkt. Die meisten Notenbanker haben das inzwischen erkannt. Sie bleiben aber ihrer Linie vorerst treu. Sie wollen den Markt nicht verschrecken. Es ist allerdings ein Wettlauf gegen die Zeit. Irgendwann lässt sich die Story von vorübergehend hoher Inflation beim besten Willen nicht mehr glauben.

Clemens Schmale


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3 Kommentare

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  • Zukunft21
    Zukunft21

    Und im Moment muss man kein Genie sein um an den Börsen Geld zu verdienen was es braucht ist einfach nur Geld dass man investieren kann ! Die Kurse werden aus Inflationsgründen weiter steigen nur ob man dann was gewonnen hat ist eine andere Frage die sich stellt bei hoher Inflation steigen die Kurse aber dass Geld ist weniger wert !

    11:27 Uhr, 20.10.2021
  • Zukunft21
    Zukunft21

    wer auf dieses Geschwätz der Notenbänker noch einen Pfifferling gibt der ist selbst schuld einfach mal selbst eins uns eins zusammen zählen dann stimmt das Ergebnis !

    11:24 Uhr, 20.10.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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