Kommentar
14:31 Uhr, 22.10.2021

Jeder Bullenmarkt geht einmal zu Ende

Der Bullenmarkt bei Aktien ist noch jung. Für andere Anlageklassen gilt das nicht. Hier könnte ein sehr langanhaltender Trend drehen.

Wer lang genug ein Ereignis vorhersagt, bekommt vermutlich irgendwann Recht. So geht es etwa den Crashpropheten. Wer etwa einen Beitrag von US-Ökonomen Nouriel Roubini liest, möchte am liebsten sofort alles verkaufen. Die Welt steht bei Roubini immer am Abgrund. Irgendwann wird seine große Zeit wieder kommen, denn der Markt wird irgendwann auch wieder in sich zusammenbrechen. Das kann theoretisch morgen sein, aber auch erst in 10 oder 20 Jahren. So mancher Crash lässt nämlich ganz schön lange auf sich warten. Dazu gehört auch der Beginn des Bärenmarktes bei Anleihen. Die Zinsen sinken (=Anleihen steigen) unter Schwankungen seit 40 Jahren. Diesem Trend wurde schon mehrfach das Ende vorhergesagt. Seit mindestens 10 Jahren lassen sich solche Prognosen in regelmäßigen Abständen finden. Bisher trat keine einzige von ihnen ein. Persönlich bin ich nicht überrascht. Höhere Zinsen kann es nur geben, wenn auch das Wachstum höher ist. Man kann keinen Leitzins von 4 % erwarten, wenn die Wirtschaft lediglich um 2 % wachsen kann.

Genau bei diesem potentiellen Wachstum haperte es in den vergangenen Jahren. Das potentielle Wachstum beschreibt, was grundsätzlich erreichbar ist. Hier haben einige Sonderfaktoren eine Rolle gespielt, z.B. der demographische Wandel.

Die Gesellschaft wird auch zukünftig im Durchschnitt immer älter. Auch hier gibt es allerdings gewisse Schwankungen. Ein großes Problem war die Pensionierungswelle der Baby Boomer Generation. Das Schlimmste liegt hier aus ökonomischer Sicht nun hinter uns.

Die Pandemie hat zudem bestimmte Voraussetzungen grundlegend verändert. Staaten haben zwar hohe Schulden aufgenommen, doch dafür wurde so viel Geld unter die Leute gebracht wie lange nicht bzw. wie noch nie. Die Bilanzen der Privathaushalte sind so solide wie seit Jahrzehnten nicht.

Dadurch ist der Konsum und das Wachstum zunächst gut unterstützt. Auch die Generation der Millennials trägt zu höherem Wachstum bei. Ein Großteil der Generation kommt gerade in die konsumstärksten Jahre.

Nicht zuletzt deswegen erhöht sich das potentielle Wirtschaftswachstum gerade wieder. Ein Modell, welches dieses Wachstum beschreibt, zeigt die höchsten Werte seit den 90er Jahren an (Grafik 1).


Mit höherem Wachstum sind auch höhere Zinsen denkbar. Der neutrale Zinssatz steigt auf das höchste Niveau seit 2004, also vor der Finanzkrise (Grafik 2). Der neutrale Zinssatz ist jener Zinssatz, bei dem ein Gleichgewicht herrscht. Bei hohem Beschäftigungsgrad wird bei diesem Zinssatz Preisstabilität (2 % Inflation) erreicht.

Nach 40 Jahren Bullenmarkt bei Anleihen bzw. einem 40-jährigen Bärenmarkt bei Zinsen ist ein Trendwechsel schwer vorstellbar (Grafik 3).

Das Umfeld ermöglicht es jedoch. Fehlende Vorstellungskraft schließt nicht aus, dass es trotzdem so kommt. Es wäre ein Regimewechsel, den viele Anleger nicht auf dem Radar haben und schlichtweg für unmöglich halten. Persönlich habe ich mich noch nicht festgelegt. In den kommenden Jahren ist es aber zumindest möglich, dass die Prognose eines Trendwechsels eintritt und jene Recht bekommen, die es schon immer wussten…

Clemens Schmale


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  • Dr. Bull
    Dr. Bull

    Für mich ist der Bullenmarkt bei Aktien nicht jung! Er dauert, für meine Begriffe, schon über 12 Jahre.

    15:19 Uhr, 22.10.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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