Fundamentale Nachricht
09:00 Uhr, 01.12.2015

Jede Renditequelle zählt

Ein moderates Wirtschaftswachstum wird die Kapitalmärkte nach Meinung von Jens Wilhelm, Vorstandsmitglied bei der Union Asset Management Holding AG, weiter stützen.

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Frankfurt (GodmodeTrader.de) – Die Suche nach Rendite bleibt auch 2016 anspruchsvoll. „Jede Renditequelle zählt“, meint Jens Wilhelm, im Vorstand der Union Asset Management Holding AG zuständig für Portfoliomanagement und Immobilien. „Leichter Rückenwind von der Weltkonjunktur wird auch 2016 an den Kapitalmärkten spürbar sein“, fasst der Anlagestratege die Aussichten zusammen. Kurzfristig könnten allerdings mehr Windwechsel auftreten als im laufenden Jahr. Für solche Schwankungen sollten sich Investoren breit aufstellen und die Volatilität durch eine aktive Asset Allocation für sich nutzen.

Eine wesentliche Stütze für die internationalen Börsen erkennt Wilhelm in der globalen Konjunktur. Zwar ist der Aufwärtstrend nach wie vor nur von moderater Stärke. „Die Weltwirtschaft bleibt aber im Wachstumsmodus, und das ist in Anbetracht der Dauer des Konjunkturzyklus keine Selbstverständlichkeit.“ Den wichtigsten Treiber sieht er in der starken US-Binnenwirtschaft. Arbeits- und Häusermarkt laufen in geregelten Bahnen und verleihen der größten Volkswirtschaft der Welt ein hohes Maß an Stabilität. „Wir rechnen mit einem Wachstum von 2,5 Prozent in den USA“, prognostiziert Wilhelm.

Optimistisch ist der Anlagestratege auch für die Eurozone: „Einige Reformen der vergangenen Jahre zahlen sich aus.“ Er erwartet für 2016 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,5 Prozent. Insbesondere die Peripheriestaaten dürften mit Wachstumsimpulsen aufwarten: „Italien entwickelt sich vom Sorgenkind zum Hoffnungsträger.“

Für den langjährigen Exportweltmeister Deutschland sieht Wilhelm hingegen erste Wolken am Horizont heraufziehen: „Die deutschen Ausfuhren sind weniger regional anfällig als sektoral.“ Herausfordernd wird es, sobald die Nachfrage für eine heimische Schlüsselindustrie wie den Automobilsektor bröckelt: „Der VW-Skandal ist sicherlich nicht hilfreich für das Ansehen unserer Industrie. Darüber hinaus wird in Deutschland zu wenig investiert“, sagt Wilhelm. Demgegenüber gibt es ähnlich wie in den USA positive Nachrichten vom Konsum: „Nach Jahren der Flaute kommt wieder Bewegung in die Binnenkonjunktur. Damit erhält das deutsche Wachstum das lange vermisste zweite Standbein.“ In der Summe rechnet Wilhelm mit einem Plus von 1,8 Prozent beim BIP.

Zu den größten Unwägbarkeiten für die weltweiten Kapitalmärkte zählt er die Schwellenländer, insbesondere China. „Die Regierung in Peking hat die Wende zu einem veränderten Wachstumsmodell eingeleitet – weniger Investitionen, mehr Konsum. Das ist der richtige Schritt“, urteilt Wilhelm. „Allerdings verläuft der Umbau holprig.“ Für 2016 erwartet er eine Wachstumsabschwächung, aber keinen Einbruch der chinesischen Wirtschaftsleistung. „Die geringere wirtschaftliche Dynamik in China wird die Weltkonjunktur nicht aus der Bahn werfen“, ist der Stratege überzeugt.

Bedingt durch die unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten in den verschiedenen Währungsräumen rechnet Wilhelm mit einer zunehmend gegenläufigen Geldpolitik der wichtigsten Notenbanken. In den USA sieht er die Federal Reserve (Fed) im Dezember oder spätestens im Frühjahr 2016 auf einen moderaten Zinserhöhungskurs einschwenken. „Fast zehn Jahre nach der letzten Leitzinsanhebung scheint die Fed fest entschlossen, einige geldpolitische Segel einzuholen. Wir werden aber eine eher sanfte Wende erleben.“

Im Gegensatz dazu steht die Eurozone sogar noch vor einer Ausweitung der Lockerung. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat im Herbst eindeutig den Willen zur Bekämpfung niedriger Teuerungsraten bekräftigt. Wilhelm erwartet daher noch in diesem Jahr weitere expansive Maßnahmen von der EZB: „Von einer Verlängerung oder Erhöhung des Ankaufprogramms über eine Ausdehnung auf weitere Anleihen bis zu höheren Strafzinsen auf Einlagen ist alles möglich.“

Für Investoren sieht er darin Chancen, aber auch Risiken. „Die internationalen Kapitalströme reagieren sensibler auf Zentralbankentscheidungen als früher“, erläutert er. Das Jahr 2015 hat dafür einige Kostproben geliefert, erinnert sei nur an Aktionen der Zentralbanken der Schweiz und Chinas. Wilhelm erwartet daher verstärkt geldpolitisches Störfeuer. „Die nachhaltigen Treiber bleiben jedoch die wirtschaftlichen Fundamentaldaten – für Notenbanken und Börsen gleichermaßen.“

Im Hinblick auf die Inflation haben sich die Finanzmärkte in den letzten Jahren an niedrige Teuerungsraten gewöhnt. „Aus rein statistischen Gründen wird dieser Trend im Laufe des Jahres nun unterbrochen und kann zu Irritationen führen,“ gibt Wilhelm zu bedenken. Konkret könnten Basiseffekte – etwa beim Ölpreis – einen plötzlichen Anstieg der offiziellen Inflationszahlen verursachen. Eigentlich sollte das Anleger nicht überraschen, die Erfahrung zeigt aber, dass die Märkte darauf trotzdem mit heftigen Preisbewegungen reagieren können. „Die fundamentalen Voraussetzungen für weiterhin niedrige Inflation sind aber unverändert, und wir sehen auf längere Sicht keinen substantiellen Druck aufkommen.“

Das zukünftige Kapitalmarktumfeld ist gekennzeichnet durch anhaltend langsames Wachstum der Weltwirtschaft, globale Überersparnis und weiterhin geringes Inflationsniveau. Auch die lockere Notenbankpolitik bleibt – trotz der sanften Wende der Fed – ein prägendes Merkmal: „Aus dem Niedrigzins- wird ein strukturelles Niedrigrenditeumfeld, dessen Ende nicht absehbar ist. Dafür müssen sich Anleger richtig positionieren“, sagt Wilhelm.

Zudem weist der Anlagestratege auf die gewachsene Komplexität an den Kapitalmärkten hin: „Komplexe wirtschaftliche und geldpolitische Abhängigkeiten haben das Investieren deutlich anspruchsvoller gemacht. Wenn Menschen dann das Gefühl haben, die Kapitalmärkte würden immer undurchsichtiger, ist das nicht verwunderlich“, analysiert Wilhelm. „Als Antwort darauf ist es im Fondsmanagement heute entscheidend, sich über alle Anlageklassen hinweg zu vernetzen und das Expertenwissen bestmöglich zu verzahnen.“

Aktien hält Wilhelm auch im Jahr 2016 für die aussichtsreichste Anlageklasse. „Ohne Aktien geht es nicht“, ist er sich sicher. Union Investment prognostiziert für die Unternehmensgewinne ein Wachstum im hohen einstelligen Prozentbereich. „Auch eine Ausweitung der Bewertungen dürfte die Kurse unterstützen.“ Gleichwohl hält Wilhelm die Chancen in einigen Segmenten bereits für ausgereizt: „Das Umfeld wird selektiver, einfach breit in den Aktienmarkt zu investieren ist immer weniger Erfolg versprechend. Das aktive Management, die Identifizierung der langfristig erfolgreichen Geschäftsmodelle, gewinnt noch mehr an Bedeutung.“

Investitionen in Unternehmensanleihen – bislang ein beliebtes Ausweichmanöver gegen das niedrige Zinsniveau – sind ebenfalls kein Selbstläufer mehr. Strengere Regulierung, abnehmende Handelsliquidität und sich verschlechternde Kreditprofile mancher Konzerne dürften die Risikoaufschläge ansteigen lassen. Auch hier kommt es also mehr denn je auf gezielte Titelselektion an.

Bei den Renditen sicherer Staatsanleihen erwartet Wilhelm eine Seitwärtsbewegung. Demnach sollten zehnjährige Bundesanleihen im Jahresverlauf weiter unterhalb von einem Prozent notieren. In den USA, wo die Wirtschaft stärker wächst und die Zentralbank die Zinswende einleiten will, werden die Renditeniveaus weiter deutlich höher als im Euroraum liegen. Allerdings rechnet Wilhelm auch hier nicht mit Werten oberhalb von 2,6 Prozent zum Jahresende 2016. Genug jedenfalls, um Investoren zu raten: „Internationalisieren Sie Ihre Kapitalanlage – das ist selbst nach Wechselkurssicherung noch attraktiv.“

Nach Einschätzung des Anlagestrategen steigt die Notwendigkeit für eine breite Streuung und eine aktive Asset Allocation. „Die einfachen Mittel gegen die Renditelosigkeit helfen nicht mehr“, resümiert er. „Gerade bei einer Flaute, nur schwachem Rücken- oder sogar Gegenwind an den Märkten kommt es auf jedes Stück Segel an. Und wenn man schnell und beherzt navigiert, können an den Börsen auch plötzliche Windwechsel Chancen bieten.“ Moderne Multi-Asset- oder Absolute-Return-Lösungen sind laut Wilhelm für dieses Umfeld besonders geeignet.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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