Kommentar
09:23 Uhr, 07.08.2015

Japan schon wieder vor der nächsten Rezession?

Die Aussichten für Japan haben sich wieder eingetrübt. Für das zweite Quartal wird inzwischen von einem negativen Wachstum ausgegangen. Das bereitet nicht nur der japanischen Regierung und Notenbank Kopfzerbrechen.

Im ersten Quartal 2015 sah es noch so aus, als würden die Abenomics tatsächlich zu wirken beginnen. Die Wirtschaft wuchs, der Handel blühte, die Reallöhne stiegen und die Arbeitslosigkeit sank auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren. Jetzt ist die Erfolgsgeschichte schon wieder fast am Ende.

Besonders der internationale Handel hat Analysten auf den Plan gerufen. Seit das Schreckgespenst einer Kontraktion des Welthandels draußen ist, wird überall nach Hinweisen gesucht, dass es wirklich so ist. Das Gespenst wurde übrigens in den Niederlanden zum Leben erweckt. Das dortige öffentliche Wirtschaftsforschungsinstitut hatte festgestellt, dass der Welthandel auf Monatsbasis schrumpft.

In Japan wird nach Bestätigung gesucht. Jeder will wissen, ob an der Story etwas dran ist. Bis zu einem gewissen Grad ist etwas dran, allerdings vor allem, weil die Rohstoffpreise kollabiert sind. Für Japan ist das eine gute Nachricht. Die Importe schrumpfen. Das ist ausnahmsweise einmal eine gute Nachricht, denn seit der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 musste Japan seinen Energiebedarf vor allem aus fossilen Brennstoffen decken. Diese mussten importiert werden.

Grafik 1 zeigt das Wachstum der Importe und Exporte jeweils im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Importe sinken, die Exporte steigen. Das ist letztlich genau das, was sich Japan wünscht. Sie wollen Wachstum über höhere Exporte erzielen. Im Jahresvergleich sieht der Plan gut aus, doch was Analysten derzeit irritiert ist ein Rückgang der Exporte auf Quartalsbasis. Im Vergleich zu Q1 2015 sind die Exporte in Q2 zurückgegangen.

Durch geringere Exporte im zweiten Quartal dürfte das Wirtschaftswachstum in den negativen Bereich sinken. Betrachtet man nicht nur dieses einzelne Quartal, dann scheint der Trend noch zu stimmen. Grafik 2 zeigt die Importe und Exporte auf rollierender 12-Monatsbasis (es werden immer die letzten 12 Monate zusammengezählt). Hier ist der generelle Aufwärtstrend bei den Exporten noch gut zu erkennen und nicht in akuter Gefahr.

Im langfristigen Vergleich ist das absolute Volumen der Exporte nach wie vor schwach. Seit 2007 wurde kein neues Hoch mehr erreicht. Sieht man von einigen europäischen Ländern ab, dann gibt es weltweit kaum Nationen, die so lange brauchten, um das Vorkrisenniveau wieder zu erreichen.
Die schleppende Erholung Japans gibt große Rätsel auf, denn bei den Geschützen, die die Regierung und Notenbank auffahren, sollte man eigentlich meinen, dass es für einen langanhaltenden Aufschwung reichen müsste. Das tut es offensichtlich nicht. Obwohl der Yen gegenüber den meisten Währungen massiv an Wert verlor, befinden sich die Exporte noch immer nicht wieder auf dem Vorkrisenniveau.
Mangelnden Willen kann man vor allem der Notenbank im Kampf gegen Deflation und wirtschaftliche Stagnation nicht vorwerfen. Grafik 3 zeigt die Ausweitung der Notenbankbilanz. Das Bild ist inzwischen gut bekannt. Die Notenbank kauft Staatsanleihen in ungehörigem Tempo auf. Das monatliche Volumen entspricht in etwa dem der Eurozone, allerdings ist Japans Wirtschaft deutlich kleiner. Würde die EZB gemessen an der Wirtschaftsleistung der Eurozone im gleichen Ausmaß Anleihen kaufen wie die Bank of Japan, dann läge das Volumen bei gut 150 Mrd. pro Monat.

Diese gewaltige Größenordnung übertrifft nicht nur das Anleihenkaufprogramm der EZB, sondern auch jenes der US Notenbank (gemessen an der Wirtschaftsleistung). Die Folge war eine Abwertung des Yen. Das sollte den Export beleben. Das hat es bis zu einem gewissen Grad getan. Die zweite Folge ist insbesondere für den Staat eine große Erleichterung. Inzwischen befindet sich ein Viertel aller Schulden in Besitz der Notenbank. Der Anteil auf dem freien Markt sinkt. Die Zinsen sind niedrige und die Zinsen, die der Staat zahlt, bekommt er größtenteils von der Notenbank zurück.
Das ist in Japan schon fast eine Notwendigkeit. Japanische Staatsanleihen kompensieren weder das hohe Risiko noch die ohnehin niedrige Inflation. Wer über Anleihen für das Alter vorsorgen will, ist auf verlorenem Posten. Pensionsfonds und Versicherungen werden aktiv aus dem Markt gedrängt und das Vermögen in den Aktienmarkt umgeleitet. Ob das langfristig wirklich besser ist, sei dahingestellt.

Japanische Haushalte haben einen immer höheren Anteil ihres Vermögens in Aktien, allerdings zu 97,3% (Grafik 5) in Assets, die in Yen gehandelt werden. Japaner sind damit so wenig diversifiziert wie kaum ein anderes Volk. Japanische Aktien steigen zwar dank der Notenbankpolitik, doch der Außenwert des Vermögens stagniert. Misst man die Entwicklung des Nikkei in USD, dann ist von einer Aufwärtsbewegung wenig zu sehen. Sollte die Politik der Notenbank doch noch irgendwann zu einer hohen Inflation führen, dann sind Japaner aufgeschmissen. Ein bisschen mehr internationale Diversifikation ist wirklich viel wert.
Persönlich will ich Japan noch nicht abschreiben, doch nach dem Hoffnungsschimmer im Frühjahr ist die Ernüchterung jetzt groß. Das liegt allerdings nicht daran, dass die Wirtschaft international zusammenbricht, sondern an Japan spezifischen Problemen.

Japans Wirtschaft hat jahrelang Reformen und Modernisierung verschlafen. Viele Unternehmen sind gut in sehr spezifischen High Tech Bereichen, doch das hilft der Gesamtwirtschaft wenig. Japan setzt mit seinem Exportmodell auf eine Erfolgsformel, die nicht mehr gültig ist. Etwas überspitzt formuliert: Fernseher, Computer und Smartphones kommen heute aus Südkorea und China und nicht mehr aus Japan. Trotzdem hält die ganze Nation an einem veralteten Anspruch fest. Solange Japan hier nicht umdenkt, wird das nichts. Man darf sich natürlich fragen, ob das noch rechtzeitig erkannt wird, wenn es schon die letzten 10 Jahre nicht erkannt wurde.

Japans Wirtschaft wird nach einem schlechten Quartal nicht gleich wieder in eine längere Rezession fallen. Die Stagnation in Japan geht jedoch weiter - Abenomics hin oder her. Die Hoffnung auf einen dynamischen Aufschwung muss man so langsam endgültig begraben.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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