Kommentar
09:45 Uhr, 19.05.2016

JAPAN - damit hätte niemand gerechnet!

Zur Wochenmitte hält Japan eine große Überraschung parat und diese wirft Fragen auf.

Japan veröffentlichte am Mittwoch Zahlen zum Wirtschaftswachstum im ersten Quartal 2016. Erwartet wurde ein Wachstum von 0,1 % gegenüber dem vierten Quartal 2015 und gegenüber dem Vorjahresquartal von 0,2 %. Tatsächlich wuchs die Wirtschaft gegenüber dem Vorquartal um 0,4 % und gegenüber dem Vorjahr um 1,7 %.

Das ist eine riesige Überraschung. Viele hatten Japan bereits wieder in der Rezession gesehen (dazu zähle ich mich). Die Stimmung der letzten Wochen war sehr pessimistisch. Dabei ging es nicht nur darum, dass Japan erneut in die Rezession abdriftet, sondern auch wieder in die Deflation abrutscht. Während man letzteres noch nicht von der Hand weisen kann, ist zumindest klar, dass Japan einer Rezession vorläufig entkommt.

Die Lage scheint nun weitaus weniger dramatisch zu sein als viele dachten. Auch die Notenbanker und die Politiker waren so überzeugt vom Abschwung, dass sie verbal schwere Geschütze auffuhren. Das Finanzministerium kündigte mehrfach Interventionen auf dem Devisenmarkt an, um die Yenaufwertung zu stoppen.

Der Yen ist immer noch stark, doch die Aufwertung der letzten Monate hat nicht zum Einbruch des Wirtschaftswachstums geführt. Das ist eine Tatsache, die niemand erwartet hatte. Es wirft auch Fragen auf, ob Japan den Yen nun wirklich durch Interventionen schwächen muss.

Der US-Finanzminister Jacob Lew warnte Japan noch vor einer Woche indirekt davor, auf dem Devisenmarkt zu intervenieren. Er malte ein düsteres Bild an die Wand, denn direkte Interventionen könnten einen Währungskrieg auslösen. Bisher haben die meisten Staaten auf Interventionen verzichtet und über die Geldpolitik die Währungskurse gesteuert.

In Japan funktionierte das Währungsmanagement über die Geldpolitik zuletzt nicht mehr. Obwohl die Zinsen weiter gesenkt wurden, wertete der Yen überraschend stark auf. Wenn Geldpolitik nicht mehr funktioniert, dann müssen es Interventionen richten. Mit den starken Wachstumsdaten fehlt Japan nun ein Argument, diesen Weg zu beschreiten. Wäre die Wirtschaft erneut in eine Rezession abgedriftet, dann hätten Interventionen zumindest gerechtfertigt werden können. Das geht nun nicht mehr so einfach.

Für Japan muss das gar nicht so schlecht sein. Interventionen sind keine nachhaltige Politik. Eine Währung durch Interventionen langfristig auf einem tieferen Niveau zu halten ist so gut wie unmöglich. Zumindest hat es bisher weltweit noch nie funktioniert.

Will Japan den Yen weiter schwächen, muss es sich auf die Geldpolitik verlassen. Zuletzt schien das nicht mehr zu funktionieren und der Markt kam zu der Überzeugung, dass es der Notenbank inzwischen an Möglichkeiten fehlt, die Geldpolitik weiter zu lockern. Das ist nicht der Fall. Japan kann, wenn es nur will, noch viel bewegen.

Die Einlagenzinsen, die die Bank of Japan (BoJ) derzeit auf Teile der Bankeinlagen verlangt, liegen bei -0,1 %. In der Eurozone und in der Schweiz sieht man, dass eine weitere Senkung um 0,3-0,6 % durchaus machbar wäre. Eine Senkung des Einlagensatzes kann wahre Wunder bewirken.

Grafik 1 zeigt die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen sowie den Einlagensatz und die Inflation. Die Renditen werden durch die von der BoJ festgelegten Zinsen sowie der Inflation bestimmt. Alle drei Zeitreihen laufen parallel. Eine weitere Zinssenkung kann die Renditen weiter senken.

Je tiefer die Zinsen und die Renditen für Staatsanleihen sinken, desto unattraktiver wird der Yen. Was eine Währung ganz besonders unattraktiv macht ist eine sehr flache Zinskurve. Erhalten Anleger für langfristige Anleihen kaum noch einen Aufschlag auf kurzfristige, dann kann man sicher sein, dass Investoren andere Anlageformen suchen.

Die Zinsdifferenz zwischen kurz- und langlaufenden Anleihen ist die Term-Premium, also der Zins, den Anleger verlangen, damit sie langlaufende Anleihen kaufen und nicht kurzfristige. Anleger haben die Wahl in kurzfristige Anleihen zu investieren und wenn sie auslaufen einfach wieder in kurzfristige Papiere zu investieren. Alternativ kann ein Anleger auch eine langlaufende Anleihe kaufen.

Je länger die Laufzeit einer Anleihe, desto größer wird das Risiko für den Anleger. Er trägt das Risiko, dass die Inflation ansteigt und sich der Preis der Anleihen verändert. Er trägt auch das Risiko, die Anleihe vor Fälligkeit verkaufen und so Verluste realisieren zu müssen. Je länger Anleihen laufen, desto höher ist für gewöhnlich ihre Rendite.

Notenbanken haben versucht die Term-Premium zu senken, indem sie langlaufende Anleihen in ihren QE-Programmen erworben haben. Das senkt nicht nur den Zinsaufschlag, sondern verfestigt auch die Erwartungshaltung von Investoren. Sie können sich sicher sein, dass die langfristigen Zinsen nicht plötzlich und stark ansteigen werden.

Grafik 2 zeigt die Zinsdifferenz von kurz- und langfristigen Anleihen. Das QE-Programm der Notenbank hat die Differenz verkleinert, doch so richtig wirksam war erst die Zinssenkung zu Jahresbeginn. Selbst für Anleihen mit 40 Jahren Laufzeit wird kaum noch ein Aufschlag verlangt.

Die BoJ kann durch nochmalige Zinssenkung die Zinsdifferenz weiter verkleinern. Sie könnte vermutlich sogar die gesamte Zinskurve in den negativen Bereich drücken, wenn sie entschlossen genug vorgeht. Der Yen dürfte unter diesen Umständen wieder abwerten. Bekommen Investoren keine Zinsen mehr bzw. müssen welche zahlen und wird das Risiko für langlaufende Staatsanleihen gar nicht mehr kompensiert, dann dürfte eine „natürliche“ Kapitalflucht einsetzen und der Yen in Folge fallen.

Die Geldpolitik ist noch nicht am Ende. Zinssenkungen sind nach wie vor möglich und entfalten eine Wirkung, die im Vergleich zu QE effektiver zu sein scheint. Nachdem sich die wirtschaftliche Lage wider Erwarten nicht eingetrübt hat, muss sich allerdings erst noch zeigen, ob die Notenbank wirklich weiter lockern will.

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15 Kommentare

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  • bembes
    bembes

    Alles Betrug und Manipunlation !!!!!!!!!!!!!!!!

    15:40 Uhr, 19.05. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    So lange die Haendler die Augen vor der Realitaet verschliessen, wird der Wahnsinnn noch etwas weitergehen.

    15:37 Uhr, 19.05. 2016
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Glaubt das Jemand? Ploetzlich ist die Welt in Ordnung? Lachhaft ist das

    15:31 Uhr, 19.05. 2016
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Kuroda & Abe versuchen doch seit Wochen verzweifelt die Märkte zu besprechen, aber die Märkte zeigen den Herren den ausgestreckten Mittelfinger.

    In der Not frisst der Teufel Fliegen und vielleicht erfindet er in der Not einfach auch das passende Wirtschaftswachstum, es kann ja im Nachhinein leicht korrigiert werden, z.B. nach dem in Japan das G7 Treffen vorbei ist, denn dort werden die Abepaniker wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, keinen Gesichtsverlust riskieren.

    Na ja, wenn es ganz dicke kommen sollte, können sich die Herren immer noch für einen ehrenvollen Abgang im traditionellen japanischen Stil entscheiden, ob sie dafür die Courage besitzen, ist allerdings eine ganz andere Frage

    13:28 Uhr, 19.05. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Silberpapst
    Silberpapst

    Wäre wirklich mal interessant zu wissen, ob das wirklich so ist, daß man die Art der Errechnung des BIP`s geändert hat.

    10:37 Uhr, 19.05. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Vielleicht ist man in Japan ja auf die gleiche glorreiche Idee gekommen wie in Europa. Seitdem hier die Umsätze aus Waffenhandel, Drogenschmuggel und Prostitution zum BIP hinzuaddiert werden, wächst die Wirtschaft wieder.

    Und das Beste dabei: Da man diese Zahlen nur schätzen kann, können die so genannten "Wachstumsraten" beliebig angepasst werden: Je nachdem, welche BIP-Zuwächse man gerade benötigt, werden eben mehr oder weniger Drogen geschmuggelt.

    10:13 Uhr, 19.05. 2016
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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