Jackson Hole: Und so sprach Yellen
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Arbeitsmarkt noch immer schwach
Der Arbeitsmarkt ist und bleibt die wichtigste Baustelle, obwohl in den USA mehr Menschen arbeiten als jemals zuvor. Vor der Großen Rezession lag die Anzahl an Beschäftigten bei 138,365 Mio. Dieser Wert ist seit drei Monaten überschritten und steht aktuell bei 139 Mio. Trotzdem sieht die Fed vollkommen zu Recht noch eine große Herausforderung vor sich.
Seit 2008 ist die Bevölkerung gewachsen. Die USA zählen heute fast 15 Mio. Menschen mehr als 2008. Der Beschäftigungsgrad ist also noch lange nicht dort, wo er einmal war. Vor der Krise lag der Beschäftigungsgrad (alle nicht in der Landwirtschaft tätigen Arbeitnehmer) bei 46,8%. Aktuell steht er bei 43,6% und liegt damit noch unter dem Rezessionstief nach 9/11. Vor allem diese Zahlen hat die Fed im Blick, wenn sie noch immer mit einer gewissen Sorge auf den Arbeitsmarkt blickt.
Die Wirtschaft hat inzwischen wieder mehr Stellen geschaffen als während der Krise abgebaut wurden. Um allerdings den gleichen Beschäftigungsgrad wieder zu erreichen, müssten weitere 10 Mio. Jobs entstehen. Beim aktuellen monatlichen Tempo von 200.000 neuen Stellen, kann man sich leicht ausrechnen, wie lange es noch dauert, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht ist. Beim aktuellen Tempo ist das keine Sache von Jahren, sondern von einer Generation.
Die Fed gibt inzwischen allerdings auch offen zu, dass es strukturelle Änderungen auf dem Arbeitsmarkt gab. Nicht zuletzt sind die Baby Boomer zu nennen, die so langsam in Rente gehen. Das senkt den Beschäftigungsgrad natürlich von Natur aus und hat wenig mit der Krise zu tun. Ebenso dürften einige nach der Krise gar nicht mehr den Wunsch haben auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren, weil sie z.B. ohnehin nur noch 2 Jahre zu arbeiten gehabt hätten. Das sind sicherlich nicht viele, die das betrifft, aber es trägt zweifellos bei.
Yellen gesteht ebenso ein, dass die Fed die strukturellen Änderungen nicht optimal beurteilen kann. Sie erahnen eher, dass es mehr Potential gibt. Wie viel genau, das weiß die Fed nicht. Persönlich gehe ich ebenfalls von noch unausgeschöpftem Potential aus, es gibt aber gleichzeitig auch Hinweise für einen äußerst gesunden Arbeitsmarkt. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten steigen die Reallöhne wieder. Löhne sind letztlich von Angebot und Nachfrage abhängig. Wenn Löhne steigen, dann kann die Nachfrage nicht so schwach und das Angebot nicht allzu viel größer als die Nachfrage sein. Der Anstieg des realen Medianeinkommens ist ein ermunterndes Signal.
Datenlage ist unklar
Trotz der vielen Signale und Daten ist die Fed noch unschlüssig. Vor allem ist der Zusammenhang von Arbeitsmarkt und Inflation nicht ganz klar. Grundsätzlich steigert hohe Beschäftigung die Inflation, weil mehr nachgefragt wird. Der Zusammenhang ist allerdings weder linear noch ist die Korrelation instantan (sprich die Effekte steigender Beschäftigung können dramatisch verzögert sein). Wegen dieser Unsicherheiten hat sich die Fed auch dazu entschlossen, die Forward Guidance von einem starren regelbasierten System zu verändern. Die Fed will damit den sich verändernden Rahmenbedingungen Rechnung tragen. Konkret heißt das, dass sich die Fed vorbehält, die Definition von Vollbeschäftigung und angemessener Inflation anzupassen. Einerseits muss sich die Fed sicherlich auf neue Begebenheiten einstellen. Anderseits öffnet es auch die Tür zu tun, was man will, ohne sich groß rechtfertigen zu müssen.
Die Fed wird in Zukunft bestimmt nicht unberechenbar. Yellen geht viel mehr auf die zahlreichen Faktoren ein, die es schwer machen, die aktuelle Lage zu beurteilen.
Der Rückgang des Beschäftigungsgrads ist von demographischen Faktoren bestimmt (Baby Boomers). Das ist strukturell und kann nicht wirklich geändert werden. Die Fed interessiert sich viel mehr für zyklische Faktoren. Dazu gehören mehr Studierende (mehr Menschen studieren, weil sie aktuell noch keine Arbeit finden) bzw. wird länger studiert. Ebenso gehören Frühpensionierungen dazu.
Das ist noch einigermaßen simpel. Sorge bereitet die hohe Anzahl an Teilzeitbeschäftigten. Es könnte zyklisch sein, also direkt vom Abschwung verursacht. Es könnte aber auch strukturell sein. Yellen begründet das auch. Die Wirtschaft entwickelt sich weiterhin weg von der Produktion in den Servicessektor. Hier gibt es mehr Teilzeitstellen als in der Industrie. Ebenso fallen immer mehr Jobs für geringer Qualifiziert weg. Ein Teil fällt nicht komplett weg, sondern wird durch Teilzeit ersetzt. Das sind strukturelle Gründe, nicht zyklische. Hier kann die Fed noch so viele Anleihen kaufen. Es wird sich trotzdem nicht ändern.
Den strukturellen und zyklischen Problemen stehen starke Signale gegenüber. Die Zahl der freiwilligen Kündigungen steigt wieder deutlich an. Das ist gut, denn für gewöhnlich kündigt nur jemand freiwillig, der Aussicht auf einen neuen Job hat. Auf der anderen Seite wachsen die Löhne noch langsamer als die Produktivität. Das ist vor allem für die Beurteilung der zukünftigen Inflation wichtig. Es kann mehr für weniger Geld produziert werden. Entsprechend sollte die Nachfrage das Angebot nicht übersteigen und so zu Inflation führen.
Ist Inflation der Schlüssel?
Yellen beschreibt eine sehr spannende Meinung, die es innerhalb des FOMC gibt. Über die oben beschriebenen Faktoren kann man einen guten Zusammenhang von Arbeitsmarkt und Inflation herstellen. Solange die Arbeitslosigkeit aus zyklischen Gründen über Vollbeschäftigung liegt, gibt es keine erhöhte Inflation. Man könnte daher die Arbeitsmarktdaten komplett ignorieren und sich die ewige Debatte über strukturelle und zyklische Gründe sparen. Die Sache wäre dann sehr einfach. Per Definition ist das Beschäftigungspotential erreicht, wenn die Inflation über 2% steigt. Die Fed müsste dann nur auf die Inflation schauen und könnte aktuell theoretisch QE weiterlaufen lassen.
Der Zusammenhang ist praktisch natürlich nicht so einfach, weil Inflation erst verspätet ansteigt. Insofern muss die Fed durchaus vorausschauend agieren und also auch weiter kräftig an Daten interpretieren.
Unterm Strich hat Yellen nicht viele neue Erkenntnisse mitgebracht. Sie hat ihre Standardsätze etwas anders verpackt. Inhaltlich blieb es unaufgeregt. Die Rede klang allerdings wie eine Diskussion der Argumente von Tauben (für QE) und Falken (gegen QE). Yellen hat um sich eine ganze Reihe von überzeugten Tauben und Falken. Die Rede wirkte fast so als wollte sie öffentlich die Argumente gegenüberstellen, um letztlich festzustellen, dass weder das eine noch das andere ganz richtig ist. Das ist ihr auf jeden Fall gelungen. Die einen Analysten halten die Rede für falkisch, die anderen sehen klare Singale für weiterhin sehr akkommodative Politik. Persönlich denke ich, dass die Rede weder dem einen noch dem anderen den Vorzug gab. Sie hat lediglich die Standardargumente von Tauben und Falken etwas auseinandergenommen und entkräftet.
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