Kommentar
10:25 Uhr, 02.12.2022

Ist eine Zinspause die Rettung, die sich alle wünschen?

Anleger fiebern dem Ende der Zinserhöhungen entgegen. Man muss vorsichtig mit dem sein, was man sich wünscht.

Noch ist von einer Zinspause keine Rede. In den kommenden Monaten geht es in den USA vor allem darum, dass Zinserhöhungen kleiner werden. Wann bzw. ob pausiert wird, steht noch nicht fest. Notenbanker haben dazu aber ihre eigene Meinung, die sie freudig kundtun.

James Bullard, Präsident der Notenbank von St. Louis, setzte ein hohes Ziel. Er legte eine Bandbreite für den Zielzinssatz fest, deren oberes Ende bei 7 % liegt. Das kam nicht nur bei Anlegern schlecht an, auch bei anderen Notenbankern. Gleich mehrere meldeten sich in den Tagen danach zu Wort und rammten den Pflock im Bereich von 4,75 %-5,25 % ein.

Die vorläufig letzte Zinserhöhung wird aller Voraussicht nach im März stattfinden. Eine Garantie gibt es nicht. Bis März kann noch viel geschehen und wichtige Inflationsberichte stehen bis dahin an. Anleger entscheiden nach Wahrscheinlichkeiten und die Wahrscheinlichkeit, dass ab März pausiert wird, ist groß.

Ein Ende der Zinserhöhungen ist nur noch etwas mehr als drei Monate entfernt. Da kann man aus lauter Vorfreude bei Aktien zugreifen. Diesen Anschein erweckt das Verhalten der Anleger. Das Problem: Eine Pause bei Zinserhöhungen ist alles andere als ein Garant für steigende Kurse.

Pausiert die Notenbank in einem Zinserhöhungszyklus, stehen Aktien sechs Monate nach Beginn der Pause durchschnittlich 2 % höher. Ein Jahr später sind es 5,9 % und zwei Jahre später 16,5 %. Das klingt auf den ersten Blick nicht schlecht. Der Teufel steckt allerdings im Detail.

Für die Performance ist nur eines entscheiden, die Wirtschaft. Folgt der Zinspause eine Rezession, sieht die Statistik weniger schön aus. Folgt eine Rezession, stehen Aktien sechs Monate später 3 % tiefer, ein Jahr später 4,4 % tiefer und zwei Jahre später 2 % tiefer als zu Beginn der Pause (siehe Grafik).

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Eine konsequent positive Performance ist nur zu erwarten, wenn eine Rezession ausbleibt. Der Konsens, dass 2023 eine Rezession kommt, ist groß. Inzwischen ist der Konsens sogar so groß, dass man fast daran zweifeln muss. Ein neuer Aufschwung, ob Rezession oder nicht, ist hingegen kaum zu erwarten.

Bei einem Leitzins von 5 %, Hypothekenzinsen im Bereich von 7 %, Renditen bei Unternehmensanleihen im 5 % bis 9 % Bereich und bei Staatsanleihen im Bereich von 4 % ist kein Wachstumswunder zu erwarten. Die Verschuldung ist in allen Wirtschaftsbereichen einfach zu hoch. Anstatt eines Kursfeuerwerks nach Beginn der Zinspause kommt es vermutlich eher zu einer Fortsetzung einer zähen Seitwärtsbewegung.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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