Kommentar
18:59 Uhr, 21.11.2018

Ist die Jahresendrally nur ein Mythos?

Es gab schon bessere Jahresausklänge als 2018. Man soll natürlich den Tag nicht vor dem Abend loben, doch irgendwie scheint die Jahresendrally in diesem Jahr nicht stattzufinden.

Jeder weiß, dass die letzten Wochen des Jahres für Aktien positiv sein sollten. In diesem Jahr ist davon noch nicht viel erkennbar. Dabei bleibt bis Jahresende nun wirklich nicht mehr viel Zeit. Wenn es eine Jahresendrally geben soll, dann ist jetzt so langsam der Zeitpunkt gekommen. Trotzdem tut sich wenig. In solchen Momenten fragt man sich, ob die Jahresendrally überhaupt wirklich existiert. Das ist wiederum Definitionssache. Es gibt keine offizielle Definition der Jahresendrally. Alle wissen, was gemeint ist (steigende Kurse gegen Jahresende), aber im Detail weiß es niemand.

Es gibt da ein paar ganz praktische Fragen, zum Beispiel: Wann beginnt die Jahresendrally eigentlich? Manche legen den Beginn der Jahresendrally mit Thanksgiving zusammen. Andere wiederum zählen nur den Dezember als Jahresendrallymonat. Wieder andere berechnen sie vom Monatstief Oktober, da es im Oktober normalerweise eine Korrektur gibt.

Es gibt keine Einigkeit darüber, wann die Rally startet. Man kann sie daher auch schlecht messen. Wenn jeder einen anderen Startpunkt festlegt, kommt auch jeder zu anderen Ergebnissen und wenn man lange genug an den Eckpunkten schraubt, kommt irgendwann das heraus, was man haben will.

Aus diesem Grund betrachte ich ganz simpel die Performance der letzten zwei Monate. Für US-Indizes ergibt sich dabei ein recht erfreuliches Bild (Grafik 1). Gegen Jahresende gibt es zumindest seit dem Zweiten Weltkrieg relativ häufig eine Jahresendrally.

Im Durchschnitt können Indizes 3 % gewinnen. Das ist jetzt kein Gigantismus, aber immerhin. Im Durchschnitt aller Monate gewinnen Indizes deutlich weniger. Anstatt 1,5 % pro Monat zu gewinnen, sind es gerade einmal 0,7 %. Im November und Dezember verdoppelt sich die Performance also. Das sieht in Deutschland nicht anders aus. Die Jahresendrally bringt im Schnitt 3,3 %. Der Durchschnitt aller Monate liegt mit 0,8 % darunter.

Die Performance ist gegen Jahresende tatsächlich besser als in den übrigen 10 Monaten. Idiotensicher ist das trotzdem nicht. In einem von vier Jahren fällt die Jahresendrallye aus. Die Trefferquote liegt also bei 75 %. Das ist nur unwesentlich über der Trefferquote für alle Monate (2/3).

Man kann also sagen, dass die Wahrscheinlichkeit einer positiven Performance gegen Jahresende nur unwesentlich höher ist als sonst. Wenn aber eine Jahresendrally stattfindet, dann richtig. Die Performance ist dann besonders überdurchschnittlich gut.

Was die Börse in diesem Jahr für uns bereithält, bleibt eine Überraschung. Gemessen an der Trefferquote könnte man eigentlich sagen, dass es keine Jahresendrally gibt. Da die Performance (so sie denn stattfindet) dann besonders gut ist, ist das Phänomen trotzdem nicht zu unterschätzen. Wer systematisch auf die Saisonalität zu Jahresende setzt, gewinnt langfristig überproportional.

In einzelnen Jahren, wie eventuell auch 2018, mag das anders sein. Wer sich davon entmutigen lässt und die 3 aus 4 guten Jahre ignoriert, ist selbst schuld. Kurz gesagt: ob es die Rallye überhaupt gibt, darüber lässt sich ewig streiten. Währenddessen kann man damit aber Geld verdienen. Muss man pragmatisch sehen.

Autor: Clemens Schmale

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