Kommentar
11:32 Uhr, 09.12.2022

Ist die Bärenmarktpause vorbei?

Der Rücksetzer der letzten Tage ist eine gewisse Erleichterung. Nach zwei Monaten Bärenmarktrally musste man sich fragen, ob das Tief und die große Chance auf den günstigen Einstieg verpasst wurde.

Manche trauen sich, die Rally bis Anfang Dezember zu nutzen, um einen neuen Bullenmarkt auszurufen. Andere sprachen noch von einer Bärenmarktrally. Mit jedem Tag, den der Markt stieg, erschien es unwahrscheinlicher, dass es sich noch um eine Bärenmarktrally handelte. An dieser Stelle lohnt es sich, die Erinnerung aufzufrischen, denn die nächste Bärenmarktrally, die Zweifel schürt, kommt bestimmt.

Die letzte Bärenmarktrally dauerte von Mitte Juni bis Mitte August. Es waren zwei lange Monate, in denen Anleger am Bärenmarkt zweifelten. Als der Markt dann endlich wieder fiel, war es für all jene eine Erleichterung, die auf tiefere Tiefs warteten.

Absolute Sicherheit darüber, was als nächstes geschieht, gibt es am Aktienmarkt nicht. Das macht ihn so faszinierend. Manche empfinden die ständige Unsicherheit als Ärgernis. Wie auch immer man empfindet, bei Bärenmärkten gilt eine einfache Regel: Die Ursache des Problems ist auch die Lösung.

Der jetzige Bärenmarkt wurde von der Geldpolitik ausgelöst. Ob Wertpapierkäufe der Notenbank oder Zinsanhebungen, sie haben Anleger verunsichert und zu Verkäufen getrieben. Folglich ist ein Ende der straffen Geldpolitik auch die Lösung. Genau das beobachten wir derzeit. Anleger sehen Licht am Ende des Tunnels. Zinsanhebungen werden verlangsamt und vermutlich im März beendet.

Grundsätzlich lässt sich daher sagen, dass die Ursache behoben ist. Persönlich halte ich mich mit Käufen dennoch zurück. Das Problem, die Geldpolitik, ist kurzfristig kein Stolperstein mehr. Mittelfristig zweifle ich daran, dass Marktteilnehmer verstanden haben, wie lange die Zinsen hoch bleiben werden. Das Problem dürfte ein Comeback erleben. Einen Vorgeschmack darauf gab es in den letzten Tagen.

Ob ein Bärenmarkt von der Geldpolitik oder aus anderen Gründen entstanden ist, sobald der auslösende Faktor verschwindet oder dessen Verschwinden absehbar ist, wird ein neuer Bullenmarkt geboren. Am schwierigsten sind strukturelle Bärenmärkte wie zur Jahrtausendwende oder 2007-2009. Es gibt große Ungleichgewichte, deren Beseitigung Jahre dauert. Es sind die längsten Bärenmärkte mit den größten Verlusten.

Hohe Verluste, aber dafür von kurzer Dauer, sind ereignisgetriebene Bärenmärkte. Dazu gehörte März 2020 mit den Lockdowns oder kurzfristige Panik, die 1987 zum Crash führte. Derzeit befinden wir uns in einem monetären Bärenmarkt, also (vereinfacht) allein auf die Geldpolitik zurückzuführen.

Das Minimum an Kursverlusten und Dauer hat der Markt abgearbeitet (siehe Grafik). Im besten Fall ist der Bärenmarkt tatsächlich vorbei. Persönlich halte ich folgendes Szenario für immer wahrscheinlicher: Der Bärenmarkt ist vorbei, es gibt aber keinen neuen Bullenmarkt. In diesem Fall werden keine neuen Tiefs mehr erreicht, der Markt erreicht aber auch keine neuen Hochs mehr. Dafür ist der Markt einfach zu hoch bewertet. Aktien konsolidieren für längere Zeit in großer Bandbreite.

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Schon Anfang des Jahres hatte ich darauf hingewiesen, dass ein verlorenes Jahrzehnt droht. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass es nicht so kommt.

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2 Kommentare

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  • goletitout
    goletitout

    Wobei, Bär ist der falsche Ausdruck. Sie sind eher ein "Nicht-Bulle". Aber ja: lieber etwas pessimistischer sein im Zweifel, und sich dann positiv überraschen lassen. Das ist besser als verfrühter Optimismus, der dann wieder enttäuscht wird.

    15:48 Uhr, 09.12.2022
  • goletitout
    goletitout

    "Schon Anfang des Jahres hatte ich darauf hingewiesen, dass ein verlorenes Jahrzehnt droht. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass es nicht so kommt." Och Herr Schmale, Sie alter Bär :). Nein ernsthaft: das Szenario "Bullenmarkt vorbei, aber (erstmal) kein neuer Bärenmarkt" halte ich auch für wahrscheinlich. Allerdings, dass dieser Seitwärtstrend zwischen (ich rede jetzt mal vom S&P 500) 3.500 und 4.800 Punkten wirklich bis zum Ende des Jahrzents oder gar länger andauern wird, also weitere mindestens 7(!) Jahre, da bin ich mir nicht sicher bzw. ich bin optimistisch, dass es früher neue Höchststände geben könnte. Wir werden sehen, wie sich Inflation und Geldpolitik weiter entwickeln. In jedem Fall wieder: Stockpicking ist angesagt, weniger Index-Investment.

    15:41 Uhr, 09.12.2022

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Über den Experten

Clemens Schmale
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Finanzmarktanalyst
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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