Kommentar
08:41 Uhr, 27.11.2021

Ist Deutschland wieder der "kranke Mann" Europas?

Vor 20 Jahren galt Deutschland als kranker Mann Europas. Durch Reformen konnte das Land aufholen und sich an die Spitze setzen. Nun wiederholt sich die Geschichte.

Deutschland gilt seit Jahren als Exportweltmeister. Das war nicht immer so. Es ist noch nicht so lange her, da konnte von Exportweltmeister keine Rede sein. Bis 2002 war Deutschlands Leistungsbilanz tiefrot. Im europäischen Vergleich war die Inflationsrate tief, das Wirtschaftswachstum niedrig und die Arbeitslosenrate zweistellig.

Dann kamen Reformen. Die berühmte Agenda 2010 zusammen mit Steuersenkungen brachte die Trendwende. Die Bevölkerung leistete ihren Beitrag über niedrigere Sozialleistungen und eine Stagnation der Reallöhne über viele Jahre. Finanziell hat sich der Staat so saniert. Die Reformen halfen allerdings nicht nur dem Staat. Die Arbeitslosenrate gehört zu einer der niedrigsten in Europa und weltweit.

Auf Erfolg soll man sich nicht ausruhen. Deutschland hat jedoch genau das getan. Ein Bericht des Wirtschaftsprüfers KPMG stellt Deutschland schlechte Noten aus. Die Infrastruktur ist nicht mehr konkurrenzfähig. Insbesondere die digitale Infrastruktur gehört zu den schlechtesten in Europa.

Eine Schwachstelle muss noch kein Schicksalsschlag sein, solange es andere Stärken gibt. Das können z.B. Kostenvorteile sein. Auch hier schneidet Deutschland schlecht ab. Die Arbeitskosten sind hoch, die Steuern ebenfalls. Tatsächlich stiegen die Arbeitskosten in Deutschland so schnell wie sonst nirgends in der Eurozone (Grafik 1).


Löhne können steigen, wenn gleichzeitig die Produktivität steigt. Dafür braucht es eine gute Infrastruktur und Investitionen von Unternehmen. Letztere scheuen sich zunehmend, da immer mehr Nachteile gegenüber anderen Ländern auftreten. So ist es möglicherweise kein Zufall, dass die Industrieproduktion in Deutschland seit 2018 gegenüber anderen Ländern zurückfällt (Grafik 2).


Dass Deutschland bei der Produktion aktuell abgeschlagen ist, hängt mit Lieferengpässen in der Autoindustrie zusammen. Doch schon vor Beginn der Coronakrise wurde Deutschland zunehmend abgehängt. Heute stehen Frankreich, Spanien und Italien besser da.

Es sind die ersten Anzeichen dafür, dass sich Deutschland zu lange auf seinem Erfolg ausgeruht hat. Reformen und Modernisierung der Infrastruktur sind dringend notwendig. Bleibt alles so, wie es ist, ist Deutschland bald wieder der kranke Mann Europas. Der Trend hat bereits begonnen.

Das hat auch für Anleger Folgen. Der Dax Kursindex wird inzwischen vom französischen und italienischen Leitindex abgehängt (Grafik 2). Spätestens das sollte aufhorchen lassen. Nicht jedes frühere Eurokrisenland hängt Deutschland ab (Spanien schafft dies nicht), doch einige Länder haben ihre Hausaufgaben gemacht.


Seit Beginn der Eurokrise vor 10 Jahren stagniert das Land. Andere Staaten haben inzwischen viele Reformen umgesetzt und sind auch beim Investitionsprogramm Next Generation EU deutlich ambitionierter als Deutschland. Die Lücke wird tendenziell größer und nicht kleiner.

Anleger kaufen gerne das, was sie kennen, also im Heimatmarkt. Deutsche Aktien sind nicht schlecht, aber es gibt aussichtsreichere direkt in der Nachbarschaft.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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