Ist der Finanzmarkt vernünftiger geworden?
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Ein Feindbild von Politikern und Regulatoren sind Derivate. Das ist verständlich, denn viele Derivate sind nicht einfach zu durchschauen. Die Komplexität von Derivaten verschleiert oftmals das Risiko, welches Anleger und Investoren auf sich nehmen. Viele Banken weltweit, die mit großer Freude die US Kreditmarktderivate MBS (Mortgage Backed Securities) und ABS (Asset Backed Securities) in ihre Bücher nahmen, dürften die Risiken nicht verstanden haben.
Für viele Marktteilnehmer war es eine große Überraschung, dass Instrumente mit gutem Rating massenweise ausfielen. Die Schuld daran trugen nicht die Derivate selbst, sondern die Ausgestaltung der Derivate. Das Grundprinzip der meisten Instrumente ist einfach. Das war auch bei MBS und ABS der Fall. Im Grunde genommen kauften Investoren ein Portfolio von besicherten Krediten. Ein sehr viel einfacheres Grundprinzip gibt es fast nicht.
Das Problem lag in der konkreten Ausgestaltung. Es wurden Kredite zusammengefasst, die eigentlich von geringer Qualität waren. Die obersten 10 oder 20% dieser Kredite wurden dennoch mit hohen Ratings versehen, obwohl das einfach nicht zutraf. Hier haben vor allem Ratingagenturen versagt und Banken haben weggeschaut. Banken sollten die Grundprinzipien eigentlich verstehen. Entweder waren sie damals zu naiv („hatten keine Ahnung von ihrem Geschäft“) oder sie haben bewusst weggeschaut. Beides ist nicht gerade schmeichelhaft.
Wenn Finanzmarktakteure nicht in der Lage sind ihr Geschäft im Griff zu behalten, dann muss die Regulierung ran. Eine Möglichkeit Verluste und zu komplexe Strukturen, die niemand mehr versteht, zu begrenzen, ist die Limitierung des Volumens. Derivate kann man nicht abschaffen oder verbieten. Das hätte durchaus auch realwirtschaftliche Konsequenzen. Ein Beispiel sind CDS (Credit Default Swaps).
CDS sind nichts anderes als eine Kreditversicherung. Wer seinen Kredit gegen Ausfall absichern will, der kauft eine Versicherung. Das ist weder verwerflich noch schädlich. Viele Risiken würden von Investoren nicht eigegangen, wenn sie sich dagegen nicht absichern könnten. Die Folge: viele realwirtschaftliche Projekte würden nicht umgesetzt werden. Ohne Kredit fällt das Wachstum geringer aus und weniger Arbeitsplätze entstehen.
Banken und Versicherungen, die CDS begeben, sind durch die antizyklische Nachfrage in der Bredouille. Banken, die Kredite vergeben, sind mit höheren Ausfallraten in ihren eigenen Büchern konfrontiert. Gleichzeitig können zusätzliche Ausfälle über CDS anfallen. Für Banken verschärft sich die Lage.
Generell lässt sich das Risiko managen. Eine Bank muss einfach das Volumen an CDS, welche sie verkauft, begrenzen. Hat eine Bank z.B. 10 Mrd. Eigenkapital, dann sollte sie vielleicht nicht 20 Mrd. an CDS ausgeben, sondern lediglich 1 Mrd., um Verluste durch das Eigenkapital auffangen zu können.
Genau das war ein Problem der Finanzkrise. Der weltgrößte Versicherer AIG hatte ein extrem hohes Volumen an CDS ausstehen. Dabei wurden teils mehr CDS auf einen Kredit verkauft, als es überhaupt an Kredit gab. Ein 10 Mio. Kredit konnte mehrfach versichert werden. Ein Investor konnte durch einen Kreditausfall mehr gewinnen als die Gesamthöhe des Kredites. Kaufte ein Investor 2 Mal CDS für die 10 Mio. Kredit, konnte der Investor im Falle des Defaults 20 Mio. erhalten.
Ein Grundprinzip der Versicherung ist ein übereinstimmendes Interesse zwischen Versicherung und Versicherten. Ein Schaden darf nicht dazu führen, dass der Versicherte einen Gewinn macht. Ist das möglich, dann ist das moralische Risiko sehr groß. Wer ein Haus im Wert von 500.000 Euro besitzt und 1 Mio. erhält, wenn es niederbrennt, dann kann die Versuchung schon recht groß sein...
Seit 2013 ist der ausstehende Nominalbetrag rückläufig, insbesondere das Volumen der Zinsderivate schrumpft. Das könnte unter Umständen mit der Politik der Notenbanken zu tun haben, die zumindest mittelfristig für weniger Volatilität sorgen. Wo wenig Bewegung ist, da ist auch relativ wenig zu verdienen.
Der Nominalwert der Derivate wirkt exorbitant hoch. Es ist jedoch nicht so, dass, wenn alles schief geht, auch 500 Billionen verloren werden. Marktteilnehmer bewegen einen Betrag von 500 Billionen, allerdings durch einen Hebel. Der eigentliche Marktwert – der Betrag, der im schlimmsten Fall verloren werden kann – liegt bei 15,5 Billionen. Entstünde für alle Derivate ein Totalverlust, dann würden Investoren 15,5 Billionen verlieren.
Ein Verlustpotential von 15,5 Billionen ist viel, doch bei weitem nicht so katastrophal wie das Nominalvolumen auf den ersten Blick erscheinen lässt. Dennoch ist die Gefahr nicht zu unterschätzen. Der Marktwert der Derivate lag vor Ausbruch der Finanzkrise bei 35 Billionen. Ein halbes Jahr später lag er bei 25 Billionen. Wie viel von dem Rückgang auf tatsächliche Verluste entfallen ist kann man nicht sagen, doch einige Billionen dürften wohl verbrannt worden sein.
Vergleicht man das derzeitige absolute Verlustpotential von 15,5 Billionen mit den Verlusten, die andernorts entstehen können, dann sind Derivate noch das geringste Problem. Nimmt man einen Preisrückgang von 30% über alle Assetklassen hinweg an, dann können Anleihegläubiger über 30 Billionen verlieren, Aktionäre 20 Billionen. Das sind deutlich andere Größenordnungen als bei Derivaten.
Ein exzessiver Gebrauch von Derivaten ist unnötig. Eine Einschränkung ist sinnvoll. Wenn sich die Regulatoren jedoch wirklich über Verlustpotentiale Gedanken machen wollen, dann müssen sie den Anleihenmarkt ins Visier nehmen. Davon ist bisher wenig zu sehen.
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Herr Schmale Ihre gedanken sind nachvollziehbar. Nur warum darf ein Zocker nicht eine Versicherung kaufen, obwohl die Basis nicht vorhanden ist ? Wenns daneben geht ,verdient der Versicherer ( die bank ) eben doppelt ) da ist nix verwerfliches dabei.
Ich denke, dass die ursprünglichen Player an den Finanzmärkten durch Vorschriften und Regualtorien "vernünftiger" geworden sind. Nur kommen seit 5 Jahren andere Player immer aktiver in den Markt, namentlich Zentralbanken, für die diese Regulatorien und Vorschriften nicht gilt und dementsprechend würde ich die Frage mit Nein beantworten. Ganz besonders, wenn die EZB ab Dezember auch Aktien kauft und damit die Büchse der Pandorra zum neuen Chrash öffnet....