Kommentar
11:45 Uhr, 15.07.2010

Interview über die aktuellen Chancen am Zertifikatemarkt

Godmode-Trader.de sprach mit Herrn Dieter Berners, Derivateexperte bei der Landesbank Baden-Württemberg über die Entwicklungen am Zertifikatemarkt, sowie die Einsatzmöglichkeiten von Aktienanleihen und Credit Linked Notes.

Auch wenn viele den Zertifikatemarkt immer wieder tot reden, sprechen doch zumindest die wieder stabileren Börsenumsätze und Umsatzzahlen auch weiterhin für dieses Anlageinstrument. Warum sollte es Zertifikate für Sie auch weiterhin geben?

Zertifikate zeichnen sich insbesondere durch ein eindeutiges und klar definiertes Auszahlungsprofil aus, d. h. in Abhängigkeit von der Entwicklung des Basiswertes kennt ein Anleger schon heute alle theoretisch möglichen Zahlungen eines Zertifikates, wie etwa die Rückzahlung am Laufzeitende. Da sich der Investor also schon vor dem Kauf der Produkte ein Bild über mögliche Gewinne und Verluste der Investments machen kann, gehören strukturierte Produkte zu den transparentesten Anlagelösungen am Kapitalmarkt. Daneben bieten Zertifikate ein sehr breites Spektrum an Gestaltungsalternativen. Mit den Produkten kann der Anleger nicht nur von steigenden Kursen profitieren. Reverse-Strukturen etwa ermöglichen es, auch von seitwärts tendierenden oder fallenden Basiswertkursen einen Gewinn zu erzielen bzw. ein bestehendes Portfolio abzusichern. Darüber hinaus eignen sich die Produkte nicht nur für offensive Anlegertypen. Für tendenziell eher defensive Investoren stellen beispielsweise Produkte mit Kapitalschutz eine Alternative zum klassischen Anleiheinvestment dar. Einem Anleger steht durch den Zertifikatemarkt also generell ein umfangreiches, transparentes Universum an Investitionsalternativen, abhängig von der jeweiligen Risikoneigung, zur Verfügung. Zusätzlich bieten Zertifikate einen flexiblen und kostengünstigen Marktzugang für Anleger beispielsweise in der Assetklasse Rohstoffe. Grundsätzlich handelt es sich bei Zertifikaten um Schuldverschreibungen, d. h. neben der Entwicklung des Basiswertes hängt die Rückzahlung der Papiere, wie bei allen anderen Schuldverschreibungen auch (etwa Unternehmensanleihen), von der Zahlungsfähigkeit des Schuldners bzw. des Emittenten ab. Neben einer Meinung zum Basiswert ist es für einen Anleger darum hilfreich, einen Blick auf die Bonität des Emittenten zu werfen.

Worin lauern aus Ihrer Sicht die Gefahren für den Markt? Wo könnte man seitens der Industrie bzw. des Verbandes den Hebel noch stärker ansetzen, um das verlorene Vertrauen wieder zurückzugewinnen?

Ein wichtiger Erfolgsfaktor bei einem Investment in strukturierte Produkte ist das Produktverständnis. Für den Anleger ist es folglich wichtig, sich die Chancen und Risiken eines Engagements zu verdeutlichen. Um dieses Verständnis beim Anleger zu erweitern, ist die Transparenz der Produkte und des Zertifikatemarktes selbst von entscheidender Bedeutung. Dabei liefern etwa die Emittenten mit Schulungskonzepten für Berater und Anleger einen Beitrag. Vor diesem Hintergrund ist auch die Transparenzinitiative des Deutschen Derivate Verbandes (DDV) etwa durch die Veröffentlichung der Credit-Ratings und Credit-Spreads der Emittenten, ein wichtiger Baustein. Darüber hinaus sind unabhängige Zertifikate-Ratings von beispielsweise EDG, IZA und Scope eine hilfreiche Orientierung für den Anleger. Kurzum, im Bereich der Transparenz und der Verbesserung des Produktverständnisses existiert bereits eine Vielzahl – aus unserer Sicht – sinnvoller Initiativen, die den interessierten Anlegern das in vielen Fällen attraktive bzw. überlegene Investment „Zertifikat" näher bringen.

Neben den wenigen großen Emittenten gibt es am Zertifikatemarkt auch viele Nischenplayer. Auf welche Zielgruppen bzw. Produktsegmente konzentriert sich Ihr Haus?

Da wir als Landesbank Baden-Württemberg traditionell eine enge Zusammenarbeit mit Sparkassen pflegen, liegt einer unserer Schwerpunkte natürlich im Geschäft mit unseren Vertriebspartnern, für die wir maßgeschneiderte strukturierte Produktlösungen anbieten. Generell sehen wir uns im Bereich der Anlageprodukte nicht als Nischenplayer, da wir alle wesentlichen Assetklassen (Aktien, Rohstoffe, Zinsen und Credits) anbieten und diese mit Produktstrukturen von Kapitalschutzprodukten über Express-Zertifikate bis hin zu selbst entwickelten Aktien- und Rohstoff-Indizes abdecken. Darüber hinaus bieten wir auch seit mehreren Jahren eine breite Produktpalette an einfach strukturierten Anlageprodukten wie Bonus- und Discount-Zertifikaten, wobei unser Basiswertfokus tendenziell auf Europa liegt. Im Bereich der Aktien-Anleihen haben wir aktuell über 2.300 ausstehende Produkte auf europäische und deutsche Blue-Chips sowie deutsche Small-Caps. Dieses Angebot werden wir auch zukünftig weiter kontinuierlich ausbauen. Daneben sind unsere Credit Produkte (Synthia und SOLVEO) eine attraktive Alternative zu klassischen Anleihen.

Welche Zertifikatetypen bzw. -varianten halten Sie derzeit für besonders interessant?

In der Anlageklasse Aktien sehen wir aktuell eine starke Nachfrage nach Kapitalschutzprodukten. Infolge des niedrigen Zinsniveaus sind diese Produkte momentan allerdings schwer darzustellen. Als Alternative bieten wir Deep-Bonus-Zertifikate sowie Deep-Express-Zertifikate mit Barriere bei ca. 30 % – 40 % des aktuellen Kursniveaus an. Diese Vollrisiko-Zertifikate bieten zwar keinen Kapitalschutz, haben aber einen sehr hohen Sicherheitspuffer und können auch für risikobewusste Anleger interessant sein, da sie momentan attraktivere Konditionen als Produkte mit vollständigem Kapitalschutz bieten. Daneben halten wir Aktien-Anleihen für eine attraktive Alternative zur Direktanlage. Im Bereich „Credits" ergeben sich von Zeit zu Zeit attraktive Opportunitäten wie beispielsweise Produkte mit dem Referenzschuldner ThyssenKrupp, wobei die Konditionen infolge des allgemein niedrigen Zinsniveaus und rückläufiger Credit Spreads nicht mehr mit denen des Vorjahres vergleichbar sind.

Aktien-Anleihen erleben nicht zuletzt wegen der Steuervereinheitlichung im Zuge der Abgeltungsteuerregelung seit dem vergangenen Jahr einen zweiten Frühling. Was spricht Ihrer Meinung nach derzeit noch für diesen klassischen Zertifikatetyp? Warum sollte man nicht stattdessen zu einem Discounter greifen?

Für Aktien-Anleihen spricht generell ihre attraktive Zinszahlung unabhängig von der Entwicklung des Basiswertes. Die Rückzahlung der Anleihe hängt allerdings vom Schlusskurs der Aktie am Bewertungstag ab. D. h. notiert der Basiswert dann über dem Basispreis, erhält der Investor den Nennbetrag zurück. Schließt die Aktie tiefer, so erfolgt die Rückzahlung durch Lieferung von Aktien entsprechend dem Bezugsverhältnis der Anleihe. Der Investor erleidet also erst dann einen Verlust, wenn die Kursverluste der gelieferten Aktien die Zinszahlungen überschreiten.

Ihre Vorteile können Aktien-Anleihen vor allem in stagnierenden oder leicht steigenden Märkten wie in diesem Jahr ausspielen. Daneben ist die Volatilität an den Börsen wichtig für die Renditechance. Je schwankungsanfälliger die Märkte sind, desto höher ist die Verzinsung der Anleihen. Durch die jüngst erhöhte Unsicherheit an den internationalen Finanzmärkten sind hier attraktive Konditionen möglich.

Prinzipiell unterscheidet sich das Auszahlungsprofil einer Aktien-Anleihe von dem eines vergleichbaren Discount-Zertifikates nur durch die periodische Zinszahlung der Anleihe. Durch die vom Aktienmarkt unabhängige Verzinsung bieten Aktien-Anleihen ein etwas höheres Maß an Sicherheit im Vergleich zu Discountern. Am einfachsten wird das an dem für den Anleger schlechtesten anzunehmenden Szenario deutlich, d. h. der Basiswert des Zertifikates bzw. der Anleihe notiert bei Fälligkeit bei null EUR. Während in diesem Fall der Inhaber eines Discount-Zertifikates lediglich eine bestimmte Anzahl wertloser Aktien geliefert bekommt, erhält der Inhaber einer Aktien-Anleihe zusätzlich einen Kupon, beispielsweise 10 % vom Nennbetrag der Anleihe. Im Gegenzug zum Mehr an Sicherheit der Anleihe bieten diese allerdings eine etwas geringere Maximalrendite als vergleichbare Discount-Zertifikate. Letztlich entscheiden also die Präferenzen eines Anlegers, welche Produktvariante er vorzieht.

Welche Erfolgschancen geben Sie in diesem Zusammenhang der Struktur in Form eines rollierenden Endlos-Konzeptes, wie es derzeit von einem ihrer Konkurrenten lanciert wird? Wäre ein monatlicher „Aktien-Anleihe-Roller" für Sie als Alternative auch vorstellbar?

Im Bereich der Aktien-Anleihen sind wir aktuell mit unserer Produktpalette, insbesondere bei kurzlaufenden Anleihen (Laufzeiten bis sechs Monate) gut aufgestellt. Darüber hinaus sehen wir auf unserer Seite keine signifikante Nachfrage nach einer rollierenden Aktien-Anleihe.

Bonität spielt gerade in Zeiten der Finanzkrise eine wichtige Rolle. Sie tragen dieser Tatsache durch ihr großes Angebot an diversen sogenannten „Credit Linked Notes" (CLN) Rechnung. Worin besteht das Grundprinzip dieser Produktgattung. Welche Vorteile bietet sie Anlegern gerade jetzt und worauf sollte man bei der Auswahl des jeweiligen Papiers achten?

Credit Linked Notes wie die LBBW Synthia sind sogenannte synthetische Unternehmensanleihen. Diese Produkte bieten die Chance auf eine attraktive Verzinsung unabhängig vom Aktienmarkt. Der Vorteil dieser Anleihen gegenüber gewöhnlichen Unternehmens- oder Staatsanleihen besteht in der flexiblen Ausgestaltung. Die Produkte haben beispielsweise kein Währungsrisiko bei Schuldnern außerhalb der Euro-Zone. Daneben achten wir auf für Privatanleger geeignete Laufzeiten und eine einfache Handelbarkeit der Produkte. Konkret bieten wir Laufzeiten im Bereich von einem bis zu fünf Jahren an, für die zum Teil auch keine Unternehmensanleihen am Markt vorhanden sind. Daneben können einige klassische Unternehmensanleihen nur mit einem Nennbetrag von 50.000 EUR gehandelt werden. Die LBBW Synthia sind hingegen schon ab einer Stückelung von 1.000 EUR Nennbetrag handelbar. Zusätzlich verfügen unsere Neuemissionen über eine sogenannte positive Basis, d. h. zum Zeitpunkt der Emission besitzen die in den Credit Linked Notes enthaltenen Credit Default Swaps einen höheren Renditeaufschlag als die Unternehmensanleihen mit vergleichbarer Laufzeit.

Zu beachten ist natürlich, dass bei Credit Linked Notes die Zins- und Rückzahlung von der Zahlungsfähigkeit bzw. Kreditwürdigkeit (Bonität) der Referenzschuldner abhängt. Tritt bei keinem der Schuldner ein Kreditereignis ein, erhält der Anleger eine Verzinsung und die Rückzahlung der Anleihe erfolgt zum Nennbetrag. Das Risiko bei diesen Produkten besteht im Eintritt eines Kreditereignisses bei einem der Referenzunternehmen. In diesem Fall entfällt die Zinszahlung für die laufende Periode und die Rückzahlung erfolgt vorzeitig durch einen Barausgleich, der sich am Kurs einer ausgewählten Anleihe des betroffenen Referenzunternehmens orientiert. Für Anleger, die etwa in klassische Unternehmensanleihen investieren und davon ausgehen, dass weder die Emittentin noch einer der Referenzschuldner in Zahlungsschwierigkeiten gerät, sind Credit Linked Notes eine attraktive Alternative.

Unter der Bezeichnung „SOLVEO" haben Sie im CLN-Segment unlängst eine neue Produktlinie am Markt positioniert. Worin bestehen die Unterschiede zu den bisherigen „Synthia"-Papieren?

Abgeleitet von unserer beliebten und renommierten LBBW Synthia setzt LBBW SOLVEO neue Maßstäbe für Investments auf Bonitätsrisiken. Beim Chance-Risiko-Profil wird dabei ein stärkerer Fokus auf die Ertragsorientierung gelegt, wobei der Aspekt Solvenz nicht aus den Augen verloren wird. Während LBBW Synthia Emissionen beispielsweise zwingend ein „Investment Grade"-Rating beim Referenzschuldner voraussetzen, ermöglicht LBBW SOLVEO die Nutzung interessanter Opportunitäten am Kapitalmarkt für attraktive Renditechancen – abhängig von der Bonität von Referenzschuldnern auch ohne Rating oder im „Non-Investment Grade"-Bereich. Vor diesem Hintergrund wählen wir allerdings nur Referenzschuldner bei denen das LBBW Credit Research nicht von einem Kreditereignis während der Laufzeit der Produkte ausgeht. Darüber hinaus stellen wir Interessenten die Einschätzung unseres Credit Research zu den jeweiligen Referenzschuldnern zur Verfügung.

Vielen Dank für das Interview

Die gesamte Sonderpublikation Zertifikate-Trends können Sie hier kostenlos herunterladen:

http://www.godmode-trader.de/service/downloads

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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