Kommentar
09:40 Uhr, 19.10.2012

Interview: „Sinnvoll wäre eine Halbierung des Geldwertes“

Erwähnte Instrumente

  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Aktueller Kursstand:   (XETRA)
  • Gold
    ISIN: XC0009655157Kopiert
    Aktueller Kursstand:   (JFD Brokers)

Stefan Riße ist ein alter Hase, was die Börse angeht. Für die meisten Anleger in Deutschland ist er bekannt geworden als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Heute ist Riße als Portfolio Manager bei der HPM Hanseatischen Portfolio Management GmbH in Hamburg tätig und managt den „Riße Inflation Opportunities Fonds UI“ (WKN: A1JUWR). Bei den jüngsten geldpolitischen Entscheidungen kommt man nicht umhin, um die Stabilität des Geldes zu bangen und wir sprachen daher mit Stefan Riße, der mit seinem Buch „Die Inflation kommt“ schon inmitten der Finanzkrise vor drei Jahren eine klare Aussage diesbezüglich traf.

Herr Riße, Sie haben in ihrem im Dezember des Jahres 2009 erschienenen Buch „Die Inflation kommt“ (ISBN: 3898795047) eine klare Aussage getroffen. Bleiben Sie dabei?

Ja, wenngleich die Gelddruckprozesse alleine keine Inflation produzieren, ist jeder auf der richtigen Seite, der mit dem Beispiel Japan argumentiert. Wir haben natürlich Überkapazitäten in der Welt, sodass es nicht zu Angebotsengpässen kommt. Das spricht, das gebe ich offen zu, gegen Inflation. Allerdings haben wir in einigen Bereichen, wie bei Rohstoffen, keine Überkapazitäten. Dass wir dennoch die Geldmenge so deutlich ausweiten konnten, ohne höhere Verbraucherpreise zu bekommen, lag vor allem an der Globalisierung, aber auch an anderen Faktoren wie der Preistransparenz durch das Internet, die zu unglaublichem Wettbewerb und Preisdruck führte, oder etwa an der Deregulierung von Märkten – so wurde etwa das Telefonieren viel billiger. Aber der entscheidende Faktor ist die Globalisierung. Unsere Produktion wurde in Billiglohnländer ausgelagert und die hiesige Produktion weitgehend automatisiert. Das alles führte zu fallenden Preisen. Dieser Prozess dreht sich nun aber um.

Wie das?

Jahrelange wuchs in China die Produktivität schneller als die Löhne, mittlerweile steigen die Löhne aber schneller steigen werden als die Produktivität. Die disinflationären Effekte, die das hohe Geldmengenwachstum und das hohe Verschuldungswachstum ermöglichten, ohne eine Verbraucherpreisinflation zu erzeugen, drehen sich nun um. Das bedeutet konkret, dass wir es mit steigenden Rohstoffpreisen und mit steigenden Importpreisen im Generellen zu tun haben. Das führt dazu, dass wir trotz der wirtschaftlich sehr schlechten Lage selbst in den Peripherieländern der Eurozone immer noch Inflationsraten von 2% oder darüber haben. Wir erleben eigentlich ein deflationäres Umfeld, aufgrund der beschriebenen Effekte haben wir aber eine Inflation. Das wird vor allem in den Ländern, denen es wirtschaftlich besser geht, die Gewerkschaften dazu bewegen, einen Inflationsausgleich zu fordern.

In Sachen Lohnsteigerungsraten haben wir aber auch einiges aufzuholen, betrachtet man etwa die stagnierenden Löhne der vergangenen Jahre in Deutschland.

Absolut richtig, es gibt viele Statistiken, die zeigen, dass der Mittelstand in seinem Lebensstandard seit vielen Jahren stagniert, während nur diejenigen Geld verdient haben, die Vermögen hatten, da die Vermögenspreisinflation so unglaubliche Reichtumseffekte produziert hat. Das Produktivkapital war an dieser Entwicklung kaum beteiligt. Das spricht dafür, dass es zu Lohnerhöhungen auf breiter Ebene kommen wird. In einer normalen Welt wäre eine Inflation von zwei oder drei Prozent unproblematisch. In der Welt, in der wir aber leben, in dieser hochverschuldeten Welt, wird das aber dazu führen, dass die Notenbanken auch höhere Inflationsraten tolerieren werden. In Großbritannien hatten wir etwa bereits Inflationsraten von über fünf Prozent, und nichtsdestotrotz ist der Leitzins bei 0,5% geblieben. Ich brauche aber einen positiven Realzins, der über der Inflationsrate liegt, wenn ich die Inflation wirkungsvoll bekämpfen will. Das ist momentan überhaupt nicht vorstellbar. Wenn die Notenbanken jetzt den Leitzins auf drei Prozent anheben würden, dann wäre die gesamte Bankenwelt von einem auf den nächsten Tag mehr oder minder pleite. Die Banken sind stark investiert in Staatsanleihen, die weniger als drei Prozent bringen und müssten diese dann teurer refinanzieren. Das bedeutet: Die Notenbanken sitzen in einer Zinsfalle. Eine aufkommende Inflation können sie nicht bekämpfen. Wenn sie nicht bekämpft wird, dann wird sie durchaus durch eine Lohn-Preis-Spirale weiter nach oben gedreht werden. Wenn die Menschen dann irgendwann merken, dass sie für ihr Geld nichts mehr bekommen, wenn sie es anlegen, dann werden sicherlich viele auf die Idee kommen, das Geld lieber auszugeben, bevor es immer weniger wert wird. Somit werden wir eine Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes bekommen. Bisher haben wir eine hohe Geldmenge, die sogar noch gestiegen ist, aber parallel dazu ist auch die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes gefallen. Deswegen haben wir keine Inflation. Wenn aber die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zunimmt, und man dann das Geld nicht mehr einsammeln kann, weil man die Zinsen tief lassen muss, um die Konjunktur nicht abzuwürgen, dann sind wir in einer Situation, wo sich mehr Inflation entwickeln kann.

Wie stark kann diese Inflation werden?

Ich glaube nicht, dass es zu einer Hyperinflation kommen wird. Ich glaube auch nicht, dass das in einer Währungsreform enden wird. Aber ich kann mir durchaus eine Situation wie in den 70er Jahren vorstellen, wo es in den Industrieländern zu Inflationsraten von fünf oder zehn Prozent kommen wird und das wäre dann auch die Lösung des Verschuldungsproblems, denn dadurch wird nicht nur das Geld entwertet, sondern auch die Schulden.

Herr Risse, Sie sind in Hamburg, wir in München, in beiden Ballungsgebieten erleben wir einen Immobilienboom. Sind das erste Anzeichen dafür, dass die Menschen wegen den mickrigen Zinsen auf dem Sparbuch ihr Geld umschichten?

Absolut. Der Immobilienboom, den wir hier in Hamburg haben, und den ihr auch in München erlebt, ist ein klares Zeugnis dafür, dass die Menschen in Betongold anlegen wollen, und versuchen, ihr Bargeld unterzubringen. Das hat schon vor Jahren angefangen. Makler oder Küchenhersteller sind sehr zufrieden mit ihrem Geschäft. Wenn eine neue Wohnung gebaut wird, dann soll auch eine schöne Küche rein. Die Leute wollen hochwertige Dinge und in Sachwerten anlegen. Allerdings muss man hier auch vorsichtig sein. Wir sind eine schrumpfende Bevölkerung. Ein Backstein, den man anfassen kann, ist keine Garantie, dass der Wert in der Inflation auch steigt. Es gibt durchaus viele Gebiete in Ost- wie in Westdeutschland, wo es keine Arbeitsplätze mehr gibt, wo die Leute wegziehen, und da werden Immobilienpreise trotz höherer Inflation trotzdem nicht steigen. Ich bin zwar kein Immobilienexperte, aber ich halte Immobilien im Speckgürtel von Ballungsgebieten für attraktiv. Weniger attraktiv sind mittlerweile die Mietrenditen in den Stadtzentren, weil die Mieten natürlich nicht adäquat mit den Kaufpreisen steigen, weil die Mieter sich das gar nicht leisten können.

Die EZB hat die Outright-Geschäfte an die Bedingung geknüpft, dass das Geld, das über diesen Weg in den Markt gelangt, an anderer Stelle wieder abgeschöpft wird. Wird das gelingen?

Das geht nur bis zu einem gewissen Niveau. Ab einem gewissen Level ist das nicht mehr möglich. Wenn die Anleihekäufe, die ja unlimitiert sein sollen, so hoch gehen, dass man sie irgendwann nicht mehr mit den Banken tauschen kann, dann wird das nicht mehr gehen. Die andere Frage ist, ob man das wirklich will. Die Amerikaner und Briten setzen ja bewusst darauf, das Sterilisieren zu vermeiden, denn sie wollen, dass die Geldmenge steigt, um die Wirtschaft anzukurbeln und ich glaube, dass auch Draghis Ankündigung, die Käufe neutralisieren zu wollen, nur eine Beruhigungspille für uns Deutsche ist, weil wir Stabilität nach alter Bundesbank-Manier einfordern.

Wie kann man als Anleger in einem solchen Umfeld sinnvoll investieren?

Sachwerte sind Trumpf. Festverzinsliche Anlagen bieten nicht mal mehr den Inflationsausgleich. In anderen Worten bedeutet das, die Anleger werden gewisse Risiken in Form von Kursschwankungen eingehen müssen, wenn er in den nächsten Jahren noch Renditen erwirtschaften will. Das ist unvermeidbar. Ich bin zwar kein Gold-Fetischist, ich glaube nicht, dass Gold das einzige von Wert ist und dass alles andere zusammenbrechen wird, und ich erwarte auch nicht, dass es zu Hyperinflation oder Währungsreformen kommen wird, aber in Zeiten höherer Inflation ist Gold, da es fungibel und gut aufzubewahren ist, der Inflationsschutz Nummer Eins. Gold ist nicht unendlich vermehrbar. Die Vorkommen sind zunächst einmal begrenzt. Nun haben wir auch Produktionsausfälle in Südafrika. All das ist eher positiv für den Goldpreis. Aber vergesst mir die Aktie nicht! Aktien ermöglichen auch eine Anlage in Sachwerten, die Substanz der Unternehmen, die Gebäude, Maschinen aber auch ein Markenname gewinnt in einer Inflation an Wert. Aktien sind daher ein guter Inflationsausgleich. Dass Aktien in manchen Inflationsphasen auch schlecht gelaufen sind lag nie an der Inflation selbst, sondern an dem, was die Notenbanken dagegen gemacht haben. Denn sie haben in der Vergangenheit die Zinsen erhöht. Das sehe ich aber erst mal überhaupt nicht. Ich glaube die Notenbanken werden den Realzins immer negativ halten. Solange das so ist, ist das nicht schädlich für Aktien. Erst wenn die Zinsen wieder steigen, weil die Notenbanken sehen, dass die Entschuldungssituation verbessert werden konnte, könnten sie wie in den 80er Jahren unter Paul Volcker die Inflation mit steigenden Zinsen bekämpfen. Dann wäre der Punkt gekommen, wo die Party generell an den Finanzmärkten zu Ende wäre. Dann ist das billige Geld weg. In dieser Phase sollte man auch nicht mehr in Aktien drin sein.

Wie lange liegt dieser Zeitpunkt entfernt?

Dieser Zeitpunkt liegt Jahre in der Zukunft. Sinnvoll wäre eine Halbierung des Geldwertes. Eine Inflation von 100%. Das werden wir nicht in einem Jahr sehen, sondern das wird sich über viele Jahre strecken. Dabei ist wichtig: Die Inflationsrate aus Anlegersicht hat eigentlich wenig damit zu tun, wie hoch die Inflationsrate selbst ist, sondern damit, wie hoch der risikolose Zins liegt, den ich bekommen kann. Dieser risikolose Zins ist real negativ. Derzeit liegt er im negativen Bereich mit eins bis eineinhalb Prozent, zukünftig, je nach Fristigkeit, die man wählt, wird er aber eher bei minus drei bis minus fünf Prozent, manchmal vielleicht sogar tiefer liegen. Diese Situation wird ein paar Jahre anhalten, sodass eine Entschuldung über die Inflation stattfindet.

Zusammenfassend gesagt heißt das: Die Situation wird nicht besser, aber man kann als Anleger sehr wohl darauf reagieren.

Richtig, man kann als Anleger darauf reagieren. Allerdings wird sich am Ende wieder das zeigen, was wir immer wieder gesehen haben: In der Zeit der Technologieaktien haben selbst die Deutschen, die eigentlich Aktien-Muffel sind, dann doch noch im letzten Moment investiert, um dann die Talfahrt voll mitzumachen. Jetzt, nach einer Umfrage von Forsa im Auftrag der Union Investments, ist es so, dass Anleger mehr denn je, nämlich 60%, die Sicherheit als den wichtigsten Aspekt der Geldanlage erachten. Anders ausgedrückt: Die Leute wollen nach zwei historischen Aktien-Crashs unbedingt wieder zurück, was sie eingezahlt haben. Sie schielen dabei aber nur auf die nominale Kapitalsicherheit, nicht auf die reale. Und ich befürchte, die Leute werden am Ende wieder real große Vermögensverluste hinnehmen. Bisher sind nur zwei oder drei Prozent der Vermögen in Gold investiert. Das ist ein verschwinden geringer Anteil. Der Großteil ist in Festgeld investiert, und das ist in hohem Maße gefährdet.

Wird sich daran dann überhaupt noch etwas maßgeblich ändern?

Ich glaube, wir brauchen Inflationsraten in Richtung fünf Prozent. Dann werden die Menschen beginnen zu merken, dass sie real große Mengen Geld pro Jahr verlieren.Alles wird immer teurer, und ich bekomme nur 0,5% auf dem Sparbuch, oder dem Fest- oder Termingeld. Dann fängt das breitere Umdenken auch an. Und es muss uns auch nicht Bange machen, dass das Gold es schon auf die Titelseiten der Bildzeitung geschafft hat. Es ist ja meine Herangehensweise über Sentiment zu arbeiten. Beim Neuen Markt war es so, dass es am Ende Musterdepots für Technologieaktien in der Bildzeitung gab. Wenn es soweit kommt, also täglich irgendwelche Musterdepots für Goldminenaktien, oder Goldmünzen irgendwo erscheinen, dann wird es erst gefährlich.

Herr Riße, vielen Dank für das Gespräch.

Ich führte das Interview in dieser Woche. Besuchen Sie meinen Blog und diskutieren Sie dieses brisante Thema mit anderen Lesern! Hier finden Sie den Blog (www.limitup.de).

Autor: Jochen Stanzl - Rohstoffanalyst Godmode-Trader.de

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

Mehr über Jochen Stanzl
Mehr Experten