Fundamentale Nachricht
17:21 Uhr, 08.05.2015

Interview mit Oliver Roth, Kapitalmarktexperte und ehemaliger Fußballbundesliga-Profi

„Earning by Doing“ heißt das Buch, das Oliver Roth vor wenigen Tagen veröffentlicht hat. Er erläutert darin seine persönlichen Strategien zum Geldverdienen an den Märkten, schildert private Erlebnisse an der Börse und zeigt, wie Anleger mit Umsicht und Überlegung erfolgreich werden.

„Die Mehrheit des Volkes zahlt die Schulden der anderen zurück“

Herr Roth, in Ihrem soeben erschienenen Buch schildern Sie den Zusammenhang von Schulden und Inflation. Kräftig anziehende Preise nützen vor allem auch hoch verschuldeten Staaten. Reicht ein Inflationsziel der EZB von 2 Prozent, um die Schuldenproblematik in der Eurozone im Griff zu behalten?

Das Ziel von 2 Prozent Inflationsrate – der Zielkorridor der EZB Politik – ist aktuell weniger irrelevant. Generell reicht dieser aber aus, um Großschuldnern die nominale Rückzahlung ihre Schulden einfacher zu machen. Gelöst wird die Staatsschuldenkrise damit alleine nicht. Derzeit ist aber die billigere Refinanzierung alter Staatsschulden viel interessanter für den aufmerksamen Betrachter, als die Inflationsrate. Durch die Niedrigzinspolitik der EZB können einige Euro-Staaten sogar zum Nulltarif ihre Altschulden refinanzieren. Das schafft Räume in den Staatsetats der Euroländer.

Hört sich gut an, nicht? Aber die Zeche zahlt der Bürger, der für seine Ersparnisse keine Rendite mehr enthält. Bürger haften für ihren Staat. Auch der deutsche Staat senkt seine Zinsbelastung zuletzt und könnte mit den freiwerdenden Mitteln seine Schulden verstärkt abbauen. Ob er das tun wird, gilt abzuwarten.

Welche Rolle messen Sie Gold vor dem Hintergrund der Verschuldungsproblematik zu? Sollte Gold mittels Fonds gekauft werden? Welcher Prozentsatz von Gold am Privatvermögen ist angemessen?

Gold spielt eine ganz wesentliche ihre Rolle in unserer Welt. Sowohl in der Real-Wirtschaft – für die es als wichtiger und kostbarer Rohstoff dient – als auch in der Finanzwirtschaft, in der es als Ur-Geld, Geldersatz oder als Spekulationsobjekt genutzt wird. Gold ist und bleibt das Ur-Geld, das als Tauschmittel zu verschiedenem Papiergeld Generationen diente. Es wird immer einen hohen Eigenwert behalten. Unser Papiergeld ist dagegen auf lange Sicht nur buntbedrucktes Papier, das kommt und geht. Besonders in der Zeit hoher Staatsverschuldung und expansiver Geldpolitik der Notenbanken wird uns diese Tatsache bewusst.

Wenn man sich als Privatanleger dem Thema Gold nähern möchte, gilt es zu unterscheiden, ob man Gold für den Krisenfall als Notgroschen haben möchte, oder aber ob man mit Gold spekulieren will, um später dafür mehr Papiergeld im Tausch zu erhalten.

Wenn man Gold für den Krisenfall einer Hyperinflation oder eines Zusammenbruchs des Finanzsystems etc. möchte, dann sollte man sich physisches Gold und Silber in Form von Münzen oder Barren im Münzhandel kaufen und im Safe lagern. Mehr als 10 Prozent seines Vermögens sollte man dafür nicht aufwenden. Für diesen Krisenfall ist es zu empfehlen den Kauf über den Schalter eines Münzhändlers, also anonym, durchzuführen: Für den Fall, dass Vater Staat auf die Idee kommt, Gold als Reservewährung einzuführen und die Bürger zu enteignen. So geschehen 1933 in den USA.

Wenn man mit Gold spekulieren will, dann gibt es mehrere Möglichkeiten das in Papierform zu tun. ETFs halte ich dabei für die interessanteste Anlageform. Aber hier investiert man nur in Ansprüche auf Papier, die der börsennotierte Fonds gegenüber anderen Investoren hat. Selten haben ETFs ausreichend physisch Gold in ihren Tresoren. Aktien von Goldminen halte ich dagegen für weniger geeignet, weil hohe Förderkosten die Rendite dieser Titel meist stark belasten und deshalb Investoren hier weniger stark profitieren können von steigenden Goldpreisen. Auch in der Anlageklasse Gold sollte man nicht mit mehr als 20 Prozent investiert sein. Die Preisschwankungen sind groß und Dividende gibt es hier nicht.

Sie schreiben: Die Mehrheit der Bürger in unserem Land zahlt die Zinsen für eine Minderheit. Können Sie dieses Phänomen näher erklären? Wie lässt sich diese Entwicklung abmildern?

Geld entsteht in unserem Wirtschaftssystem nur durch Schulden. Und die Schulden werden verzinst zurückgezahlt. Die Gruppe welche am günstigsten Schulden machen darf, hat einen unschätzbaren Vorteil gegenüber dem Rest der Bevölkerung. Der Zins ist die Einnahmequelle des Kapitals. Der Zinseszins lässt diese Einnahmequelle sogar überproportional ansteigen. Wer also einmal reich ist, wird in der Regel durch Schuldenaufnahme und die Einnahme von Zins und Zinseszins immer reicher in unserem Finanz- und Wirtschaftssystem. Das Prinzip gilt nicht nur für vermögende Privatleute, Unternehmen und Banken, sondern auch für Staaten.

Die Frage, die sich daraus ergibt ist: Wenn das Kapital günstig Schulden macht und dafür Zinsen kassiert, wer zahlt die Rechnung?

Die Mehrheit des Volkes muss das Geld dafür erwirtschaften und zahlt in Form von Mieten, Pacht, aber auch in Form von versteckten Zinskosten im Konsum, die Schulden der anderen samt Zinsen zurück. Auch für den Staat zahlt der Bürger Zinsen durch direkte und indirekte Steuern zurück.

Es entsteht ein Kreislauf aus verschulden, Zinsen kassieren und weiter verschulden. Wobei die Schulden einerseits und die Guthaben andererseits steigen. Durch diesen Kreislauf entsteht eine Kraft in unserem Finanzsystem ähnlich einer Zentrifuge. Die Zentrifuge dreht sich immer schneller und presst das Kapital immer mehr an die äußeren Ränder zur Minderheit, während im Zentrum – der Mehrheit der Bevölkerung – immer weniger Geld bleibt. Das Auseinanderdriften der Schere zwischen Arm und Reich ist systemisch bedingt und kann nur durch einen kompletten Systemwechsel umgekehrt werden.

Abmildern lässt sich dieser Effekt durch eine breitere Verteilung des Volksvermögens auf die Bevölkerung. Maßnahmen wie eine intelligente Vermögensumverteilung durch Kapitalsteuern, verbesserte Ausbildungschancen für sozial Schwache oder ein staatlich subventionierter Vermögensaufbau für die Mehrheit in unserer Bevölkerung wären wichtige Meilensteine.

Was ist dran an dem Leitsatz? „Je länger Sie Ihr Kapital anlegen wollen, desto höher darf auch das Risiko werden – und umgekehrt.“

Der Satz sollte eingerahmt werden. Mit dem Ziel der langfristigen Geldanlage können Sie auch Krisen aussitzen. Wenn Sie das Geld schnell wieder brauchen, um beispielsweise ein Haus zu bauen oder in den Urlaub zu fahren, macht ein schwankungsanfälliges Investment keinen Sinn. Je länger ein Anleger also Zeit hat für ein Investment, desto schwankungsanfälliger darf seine Geldanlage auch sein. Damit werden beispielsweise Aktien deutlich interessanter für eine breite Bevölkerungsschicht.

Derivate schließen sich dagegen von selbst aus. Denn meist haben diese eine kurze Laufzeit und sind extrem hohen Schwankungen unterworfen: Kurze Zeit, hohes Risiko. Derivate haben mehr Casino- und Wett-Charakter als Investment Charme.

Was müssen Anleger, die an den Märkten erfolgreich sein wollen, mitbringen?

Die Geldanlage ist kein Zauberwerk, das nur von Geheimbünden beherrscht wird. „Börse“ kann jeder lernen. Ich wurde vom Fußball Profi zum Finanzexperten. Wenn ich das gelernt habe, kann es auch jeder andere. Die Frage ist nur, wie viel Zeit man sich dafür nehmen will und kann.

Deshalb unterscheide ich hier Anleger in zwei Gruppen: Der Spekulant kennt sich aus, investiert Zeit und Wissen und mag schnell viel Geld an der Börse verdienen.

Der Investor kennt sich nicht gut aus und will eher langfristig Vermögen aufbauen oder das bereits vorhandene mehren.

Der Zocker braucht, neben viel Zeit und Börsenwissen, vor allem extreme Disziplin und gute Nerven. Die Disziplin benötigt er, um konsequent Positionen „glattzustellen“ sobald das Investmentziel erreicht ist. Das betrifft sowohl den Fall von Gewinnen wie auch Verlusten. Letzteres kann sehr weh tun und ist nicht selbstverständlich. Viele Spekulanten neigen dazu, sich selbst zu belügen und Entwicklungen schön zu reden. Der Anfang vom Ende einer Tragödie.

Der Anleger dagegen braucht, neben etwas Zeit und Basiswissen, vor allem Ruhe und Geduld. Trotz aller Crashs und Krisen haben Anleger in den letzten 25 Jahren mit Aktien jährlich bis zu 8,5 Prozent verdient. Da kann keine andere Anlageklasse mithalten. Und wenn er dazu in wertvolle Standardaktien investiert, sind Schwankungen und Risiken langfristig niedrig. Panik ist allzeit ein schlechter Ratgeber.

„Schattenbanken“ geistern durch die Presse: Was bedeutet das Phänomen für den Anleger?

Die großen international agierenden Banken wurden richtigerweise als Hauptverursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007 ausgemacht. Da wurde jahrelang verantwortungslos gezockt mit den bekannten, katastrophalen Folgen. Aber außer den Banken hat auch die Politik darin versagt, eben diesen Zockern engere Grenzen zu setzen und diese an die Leine zu nehmen. Die Politik versprach uns Bürgern dies nachzuholen und diese Banken strenger zu kontrollieren, Risiken zu senken indem sie kleinere Brötchen backen sollten.

Wurde das Versprechen der Politiker gehalten?

Ein Vergleich der Bilanzsummen deutscher Institute könnte uns vielleicht darüber aufklären. Stieg bis zum Ausbruch der Krise die Bilanzsumme der großen deutschen Banken auf über 9 Billlionen Euro, so fiel sie in den Jahren danach auf knapp 7 Billlionen Euro. Tendenz nun wieder steigend. Aber immerhin.

Die Risiken scheinen, wie versprochen kleiner geworden zu sein. Stimmt das?

Alles nur ein Trick. Alle großen und international agierenden Banken haben große Teile ihrer Geschäfte ausgelagert. In Steueroasen gegründete Tochterfirmen der Banken (Geldmarkt-Fonds, Hedge Fonds etc.) zocken, im Schatten ihre Muttergesellschaften, weiter fleißig an den Finanzmärkten. Sie machen genau das was ihren Zentralen nicht mehr erlaubt ist.

Die Größe der Geschäfte dieser „Flüsterkneipen“, die sich wie die Spelunken während des US- amerikanischen Alkoholverbotes verhalten, ist mittlerweile gigantisch. Circa ein Viertel aller Vermögenswerte des Weltfinanzsystems umfasst die Welt der „Schattenbanken“. Die meist unkontrolliert agierenden Firmen zocken an den Finanzmärkten, mit Krediten der offiziellen Banken, wie vor der Krise. Sollte hier Pleiten drohen, würden durch die Kredite auch wieder unsere Banken in Schieflage geraten. Es droht die erneute Krise. Die Finanzkrise 2.0.

Die Fragen stellte Helge Rehbein.

Oliver Roth, geb. 1968, absolvierte neben seiner Fußballkarriere, die ihn seit 1988 durch die Vereine Borussia Dortmund, Rot-Weiß Frankfurt und Kickers Offenbach führte, ein BWL-Studium am angesehenen "Birmingham Southern College" in Alabama, USA. Seit 1995 ist Roth als Direktor und Chefhändler der Close Brothers Seydler Handelsbank AG am Frankfurter Börsenparkett tätig. Vor wenigen Tagen ist sein erstes Buch „Earning by Doing“ (Börsenbuchverlag, 24,99 Euro) erschienen.

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