Kommentar
16:34 Uhr, 10.03.2005

Interview mit Dr. Richard Olsen: Auf der Suche nach der Weltformel

Dr. Richard Olsen, der Forex-Forscher
„Aus Forschersicht sind die Devisenmärkte mit einem großen Kernreaktor vergleichbar.“ Richard Olsen betrachtet den Forex-Markt aus einer Forscherperspektive. Gerade der 24-Stundenhandel und die hohe Liquidität machen den Devisenhandel für ihn zum idealen Ort, an dem „das Finanzmarktgeschehen ohne verfälschende Einflüsse untersucht werden kann“.

Dr. Richard Olsen ist Gründer und Vorsitzender der Olsen Group. Nachdem er in Oxford und Zürich Jura und Wirtschaft studiert hatte, arbeitete er zwei Jahre lang als Devisenhändler bei einer Bank. 1996 gründete er zusammen mit Michael Stumm OANDA (www.oanda.com), einen FX-Broker, dessen Technologie heute von vielen Brokern und Instituten angewendet wird. Außerdem ist er Gründer der Firma Olseninvest, (www.olseninvest.com), die Managed Accounts anbietet. Richard Olsens Sicht der Märkte ist stark von einer naturwissenschaftlichen Perspektive geprägt. Im Prinzip gibt es für ihn keine Unterschiede zwischen den „harten“ Naturwissenschaften und dem Finanzmarkt. Mittels komplexer Modelle auf Basis von Tick-Daten versucht er, Kursbewegungen zu prognostizieren. Seine Ideen hat er mitunter in dem Buch „An Introduction to High-Frequency Finance“ (2001) dargelegt. Olsen kennt den Devisenmarkt seit über 20 Jahren. Damals wurde noch ausschließlich über das Telefon gehandelt. Die Volumina waren ein Bruchteil dessen, was heute um den Globus fließt. Die Zeiten haben sich geändert und heute besitzt der Devisenmarkt „das größte Ertragspotenzial aller Finanzmärkte.“

Frage: Seit 1985 beschäftigen Sie sich mit dem Devisenhandel – können Sie kurz skizzieren, was sich in diesem Markt in den letzten 20 Jahren getan hat?

Olsen: Der Markt hat sich grundlegend geändert. Anfangs war Devisenhandel reiner Telefonhandel mit einer Vielzahl von Market Makern. Zu jener Zeit waren die Volumina klein. Die Vielzahl der Market Maker wirkte sich stabilisierend auf das Kursverhalten der Devisenmärkte aus und machte das damalige Defizit an effizienter Kommunikationstechnologie wett. Heute ist dies anders: wir haben eine sehr effiziente Informationsübermittlung – News werden in Sekundenschnelle weltweit übermittelt –, aber die Kapazität der Market Maker, um Devisengeschäfte abzuwickeln, ist zu gering. Heute gibt es weltweit noch etwa zehn Market Maker, die bereit sind im größeren Stil Devisengeschäfte abzuwickeln. Da diese Market Maker die Preisfindung manuell vornehmen, ist die Preisgestaltung viel zu statisch. Dies hat zur Folge, dass es bei größeren Volumina zu unerwünschter Volatilität kommt. Das Endresultat ist, dass wir trotz des Fortschrittes an Informationstechnologie instabilere Devisenmärkte haben.

Frage: Woher kommt es, dass es nur noch so wenige große Market Maker gibt?

Olsen: Die Ursache liegt auf der einen Seite im Konsolidierungsprozess der Banken begründet. Auf der anderen Seite hat es mit dem Verhalten großer Hedgefonds und einzelner Banken zu tun – diese Institute versuchen mit gezielten Handelsstrategien große Kursbewegungen auszulösen. Gelingt ihnen dies, erleiden kleinere Market Maker in Sekundenschnelle große Verluste, was dazu geführt hat, dass viele Market Maker sich aus dem Geschäft zurückgezogen haben.

Frage: Wie kamen Sie zum Forex-Handel?

Olsen: Ganz intuitiv habe ich mich auf den Devisenmarkt spezialisiert. Im Hinterkopf dachte ich mir, dass die Devisenmärkte das Herz unserer Weltwirtschaft sind und deshalb sicher interessant sein müssten. Aus Forscherperspektive sind die Devisenmärkte aus folgendem Grund interessant: Sie sind rund um die Uhr aktiv und nicht durch bestimmte Börsenöffnungszeiten zeitlich eingeschränkt, was die wissenschaftliche Analyse erleichtert. Da die Devisenmärkte die sogenannten effizientesten Finanzmärkte der Welt sind, sollten deren statistische Eigenschaften im Einklang mit der klassischen Ökonomie sein. Entdeckt man Abweichungen, so sind diese Erkenntnisse von besonderer Bedeutung.

Frage: Was reizt Sie besonders an diesem Markt (im Vergleich zum Aktien- oder Terminmarkt)?

Olsen: Aus Forschersicht sind die Devisenmärkte mit einem großen Kernreaktor vergleichbar, wo das Finanzmarktgeschehen ohne verfälschende Einflüsse untersucht werden kann. Gleichzeitig habe ich die Möglichkeit, Produkte zu entwickeln, die ein großes Marktpotenzial haben und gleichzeitig einen Beitrag zur Stabilität des Wirtschaftssystems leisten können.

Frage: Können Sie Ihren Handelsansatz beschreiben?

Olsen: Der Grundansatz ist einfach zu erklären – ähnlich wie komplexe Wetterprognosemodelle versuchen wir durch die Analyse großer Mengen an Marktdaten, die Strömungen im Markt zu analysieren und Rückschlüsse auf die Kauf- und Verkaufentscheidungen und Positionen der Marktteilnehmer machen. Stellen wir fest, dass gewisse Gruppen zu große Positionen aufgebaut haben, gehen wir Gegenpositionen ein.

Frage: Woher wissen Sie, wer zu große Positionen hat?

Olsen: Wir wissen dies nicht genau, können aber rein statistisch aus der Kursbewegung im entsprechenden Zeitfenster Rückschlüsse auf die Größe der Positionen der entsprechenden Gruppen ziehen.

Frage: Handeln Sie systematisch? Gibt es diskretionäre Elemente?

Olsen: Unser Ansatz ist völlig systematisch. Pro Währung machen wir in etwa 40 Trades pro Tag (wir handeln 20 Wechselkurse). Dies ist nur mit einem systematischen Ansatz überhaupt machbar.

Frage: Wie lange dauerte es, bis Sie diesen Ansatz entwickelten?

Olsen: Ich arbeite schon 20 Jahre daran. Schließe ich mein Studium ein, wo ich gewisse Grundideen entwickelt habe, sind es bald 30 Jahre. Anders als bei anderen Managern handelt es sich bei mir um einen ganzheitlichen Ansatz und nicht um eine Anzahl von verschieden Tradingregeln, die nicht direkt miteinander in Beziehung stehen.

Frage: Weshalb arbeiten Sie mit Tick-Daten? Enthalten nicht gerade diese besonders viel „Noise“?

Olsen: Völlig im Gegenteil. Macht man die richtigen Vorbereitungsarbeiten ist der Noise in Tick-Daten viel geringer als in Tagesdaten. Dies ist eines unserer wichtigsten Erkenntnisse.

Frage: Ihr Verständnis der Märkte ist stark von einer naturwissenschaftlichen Perspektive geprägt. Worin unterscheiden sich die Finanzmärkte von den Naturwissenschaften? Wo sind Gemeinsamkeiten?

Olsen: Für mich ist es ein rein naturwissenschaftliches Phänomen. Ich muss aber eingestehen, dass mein Verständnis von Naturwissenschaften viel breiter als üblich ist. Problemstellungen wie Händlerpsyche, Fundamentals und politische Ereignisse sind Teil der Fragestellung.

Frage: Heißt das, Sie arbeiten an einer Marktformel, die all diese genannten Faktoren zu integrieren versucht?

Olsen: Ähnlich wie ein Gießer, der Duplikate herstellt und nicht direkt vom Original ein Duplikat machen kann, sondern zuerst ein Negativ erstellen muss. Wir lassen die Händlerpsyche, fundamentale Faktoren und politischen Ereignisse nicht direkt einfließen, sondern führen sie ein, indem wir zuerst ein Negativ oder einen Abdruck dieser Einflüsse machen. In unserem Fall dient als Gussform die sogenannte ‚Intrinsic Time’. Aus unserem persönlichen Erleben können wir die Bedeutung des Zeitempfindens als Gradmesser für die Relevanz von Ereignissen gut nachempfinden. Geschehen wichtige Ereignisse, so empfinden wir diese Ereignisse als lang, während unwichtige Ereignisse kurz erscheinen. Ein Beispiel – in einem Verkehrsunfall können Bruchteile einer Sekunde wie ein ganzes Leben erscheinen.

Frage: Erstellen Sie damit Charts, wobei die Intrinsic Time auf der Y-Achse steht oder wie muss man sich das vorstellen?

Olsen: Wir arbeiten nicht mit Charts – es sind alles abstrakte Computerprogramme. Würde man unsere Algorithmen graphisch aufzeichnen, so wäre die Intrinsic Time auf der Y-Achse an denjenigen Stellen wo viel Zeit abläuft „gedehnt“. Beträgt die gesamte Kursänderung innerhalb von 24 Stunden 2,1 Prozent, so entspricht dies auf unserer Intrinsic-Time-Achse drei Tagen.

Frage: Muss man sich das in etwa so vorstellen wie das „Equivolume-Konzept“? Dabei wird bei einem Balken- oder Candlechart der Balken einfach entsprechend des Volumens in die Breite gezogen.

Olsen: Im Prinzip ja. Allerdings arbeiten wir wie gesagt nicht mit Charts. Charts haben auch keinen anderen Sinn und Zweck, als mathematischen Fakten graphisch darzustellen.

Frage: Wie lassen sich Phänomene wie die Händlerpsyche quantifizieren?

Olsen: Wiederum benutzen wir die Intrinsic Time um die Händlerpsyche einzufangen – wir glauben, dass die starken Kursbeschleu-nigungen, die intraday stattfinden, zu einer Verzerrung der Wahrnehmung der Realität führen und für die Händlerpsyche verantwortlich sind. Die Intrinsic Time ist ein effizientes Hilfsmittel, um die Kursbeschleunigungen mathematisch zu erfassen und auf diese indirekte Art und Weise die Händlerpsyche ins Modell zu integrieren.

Frage: Seit 1996 gibt es den Forex-Broker OANDA. Was ist das Besondere daran? Worin unterscheidet sich die Datenversorgung von Konkurrenzprodukten?

Olsen: OANDA ist die erste vollautomatisierte Devisenhandelsplattform der Welt. OANDA’s Transaktionskosten sind somit nur ein kleiner Bruchteil dessen, was die Verarbeitung von Transaktionen unserer Konkurrenz kostet. OANDA ist deshalb in der Lage, auch kleinste Beträge von zum Beispiel nur einem US-Dollar mit dem gleichen Geld- und Briefkurs zu handeln, wie Großtransaktionen von zehn Millionen US-Dollar. Will ein Kunde neue Strategien ausprobieren, ist dies ein großer Vorteil. OANDA zahlt im Sekundentakt Zins. Somit können Zinsdifferenzen auch innerhalb eines Tages genutzt werden. Die Handelsplattform ist sehr benutzerfreundlich. Ähnlich wie bei einem Auto – mit guter Sicht und übersichtlichem Armaturenbrett lässt es sich erfolgreicher Traden. Schließlich unterhalten wir ein Forum, wo unsere Kunden sich über die Marktentwicklungen austauschen.

Frage: Welches Klientel bedient OANDA? Eher Daytrader oder Positions-Trader?

Olsen: Das Spektrum unserer Kunden ist sehr breit – vom Daytrader, Positions-Trader bis zum Profi mit seinem Hedgefund.

Frage: Was bieten Sie auf www.olseninvest.com an?

Olsen: Wir sind ein Currency Manager und verwalten für unsere Kunden Geld, sei dies im Rahmen von Currency Funds oder als Managed Currency Accounts.

Frage: Worin unterscheiden sich die verschiedenen Accounts?

Olsen: Alle Konten werden mit dem gleichen Modell gehandelt, d.h. die Kauf und Verkaufsignale sind überall die gleichen. Die einzige Unterscheidung ist das Risikoprofil, d.h. der Leverage oder anders ausgedrückt die Hebelwirkung.

Frage: Betrachtet man die Equity-Kurve, so fällt auf, dass diese zwar sehr stetig verläuft, aber von wenigen, dafür heftigen Drawdowns begleitet wird. Wie kommt es zu diesen Einbrüchen? Und warum werden diese in kürzester Zeit wieder ausgeglichen?

Olsen: Die Finanzmärkte werden immer wieder von, wie wir es nennen, Erdbeben geschüttelt. Es ist schwierig, das Abklingen dieser Beben richtig zu prognostizieren. So entstehen diese Einbrüche. Gerade in dieser Hinsicht haben wir in den letzten Monaten große Fortschritte erzielt und ich erwarte, dass die Einbrüche in Zukunft um einiges geringer ausfallen werden.

Frage: Welche Rolle spielt Money-Management, ganz allgemein und speziell bei Olseninvest?

Olsen: Money-Management ist immer ein zentrales Element einer jeden Trading-Strategie. Das Money-Management muss aber gut an den Trading-Ansatz angepasst sein. Selbstredend ist für uns das Money-Management von zentraler Bedeutung, so ist der Einsatz pro Trade klar limitiert und ebenfalls der maximale Verlust.

Frage: Ist der Forex-Markt Anfängern zu empfehlen oder prinzipiell etwas für erfahrene Händler?

Olsen: Der Devisenmarkt hat das größte Ertragspotenzial aller Finanzmärkte. Vergleicht man die Volatilität mit den Transaktionskosten, so ist das Gewinnpotenzial im Verhältnis zu den Transaktionskosten am größten. Ein Nachteil ist aber, dass die Kursbewegungen sehr schnell und auch über Nacht erfolgen können.

Frage: Ist der Forex-Markt speziell für Daytrader geeignet?

Olsen: Ich glaube, dass sich der Devisenmarkt für alle Arten von Trader eignet. Jeder hat die Möglichkeit mit seinem spezifischen Tradingstyle Geld zu verdienen.

Frage: Welchen Hebel würden Sie Beginnern empfehlen?

Olsen: Der Hebel kann nicht klein genug sein. Es ist sehr gefährlich, mit einem zu großen Hebel zu traden. Grundsätzlich empfehle ich Positionen mit ein Zehntel des Kapitals oder sogar weniger zu eröffnen.

Frage: Welchen Hebel benutzen Sie?

Olsen: Für unser Standardprogramm benutzen wir den Hebel 1.

Frage: Welche Währungspaare handeln Sie bevorzugt?

Olsen: Wir traden alle Wechselkurse, die bei OANDA FXTrade zur Verfügung stehen. Grundsätzlich habe ich keine Vorliebe, da die verschiedenen Wechselkurse helfen, das Risiko zu streuen.

Frage: Forex – der Markt der Zukunft? Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung ein?

Olsen: Ich glaube, dass das Volumenwachstum des Devisenmarktes sich beschleunigen wird und die Geld-Briefspanne immer enger und somit der Devisenhandel für den Trader noch profitabler werden wird.

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www. olseninvest.com oder per Email an support@olseninvest.com.

B1) Performance-Kurve des Olsen Invest Managed-Accounts
Die rote Linie markiert den Handelsstart, während die schwarze Linie Ergebnisse des Backtestings zeigt.

B2) Managed-Account mit Risikoprofil 4

Quelle: Traders-Magazin

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